Antwerpen/Rotterdam/Zeebrügge. Die noch zu Jahresbeginn 2011 auch in zahlreichen westeuropäischen Seehäfen formulierten positiven Umschlagerwartungen haben sich bis zu Jahresende nicht überall bestätigt. Das jedenfalls geht aus der Auswertung der vorläufigen Umschlagergebnisse der vier Westhäfen Rotterdam, Antwerpen, Zeebrügge und Gent hervor. Hingegen konnten die beiden wichtigen norddeutschen Universalhäfen Hamburg und Bremerhaven/Bremen ihre Umschlagresultate 2011 zum Teil sehr deutlich verbessern.
Rotterdam bleibt 2011 der mit Abstand bedeutendste Seehafen innerhalb der Hamburg-Antwerpen-Range. Mit 433 Millionen Tonnen weist der Maas-Hafen zwar das beste Umschlagergebnis seiner Geschichte aus. Doch verbesserte sich Rotterdam gegenüber dem Vorjahr gerade um 0,8 Prozent. Wie die direkten Mitbewerbshäfen bekam der niederländische Hafen die Folgen der sich ab der zweiten Jahreshälfte abschwächenden Weltkonjunktur zu spüren. Das galt vor allem für eine Reihe von Massengut-Arten. Das Bulk-Segment, sowohl bei trockenen Gütern als auch bei Flüssigladung, spielt traditionell eine große Rolle.
Zum – erneuten – Vorteil gereichte Rotterdam die historisch gewachsenen, engen Wirtschaftsbeziehungen zu Deutschland und hier wiederum zu Nordrhein-Westfalen. Deutliche Rückgänge gab es beispielsweise bei Rohöl – um acht Prozent auf 92 Millionen Tonnen – sowie Erzen und Schrott (minus sechs Prozent auf 38 Millionen Tonnen). In beiden Fällen kamen Konjunktureffekte zum Tragen. Große Freude bereitet den Rotterdamer Umschlagbetrieben die Entwicklung beim Zukunftsgut Biomasse. In dieses Segment wird auch kräftig investiert. Schon jetzt wird in Rotterdam gut ein Drittel aller in Europa gelöschten Holz-Pellets umgeschlagen.
Der Containerumschlag gehört unterm Strich zu den großen Gewinnern. Mit 11,9 Millionen Standardcontainern (TEU) liegt das Ergebnis um gut sechs Prozent über dem Vorjahresniveau. Nach Erkenntnissen der Städtischen Hafenverwaltung HBR wurden im Berichtszeitraum erheblich weniger Leer-Container umgeschlagen. Rotterdam sieht sich bestens gerüstet für die XXL-Containerschiffe, die die Reedereien sei 2010 beschleunigt in Dienst stellen und vor allem auf der Achse Europa- Asien einsetzen. Zufrieden ist der Hafen auch mit der Entwicklung der Feeder-Verkehre in die Ostsee. Allerdings hat der von den deutschen Seehäfen ausgehende Wettbewerbsdruck deutlich zugenommen.
Das Ro/Ro-Geschäft blieb auch 2011 weiter schwierig, weil der für diese Verkehre wichtige englische Markt weiterhin problematisch bleibt. Mit 18 Millionen Tonnen Ladung gelang immerhin noch ein Wachstum von gut vier Prozent. Sonstiges Stückgut erreichte knapp acht Millionen Tonnen, was einem satten Plus von 13 Prozent gegenüber 2010 entspricht.
Für das laufende Geschäftsjahr hat der HBR seine Erwartungen bewusst heruntergeschraubt. Hafenchef Hans Smits rechnet zwar mit einem Wachstum, das sich auf Vorjahresniveau bewegen dürfte. Erst 2013 dürfte der Hafen wieder kräftig wachsen.
Container: Antwerpen fällt auf den dritten Rang zurück
Antwerpen hat seine Position als zweitgrößter europäischer Seehafen insgesamt bestätigt. Mit 186,4 Millionen Tonnen liegt das Ergebnis um gut 4,6 Prozent über dem Vorjahr. Der Containerverkehr, der sich in Antwerpen seit Mitte der vergangenen Dekade sehr rasant entwickelte, bescherte dem Scheldehafen im Berichtsjahr eine Umschlagmenge von gut 104,8 Millionen Tonnen und damit 2,2 Prozent mehr als vor einem Jahr. Wie Rotterdam, so vermeldet auch der Städtische Hafenbetrieb Antwerpen (SHA) für 2011 deutlich weniger Leercontainer. Das wiederum bedeutet, dass die Reedereien die Container besser auslasten und besser steuern können. Insgesamt 8,6 Millionen TEU wurden umgeschlagen, ein Plus von rund zwei Prozent. Damit dürfte klar sein, dass Antwerpen seine erstmals 2009 eingenommenen und 2010 bestätigte Position als zweitstärkster europäischer Contaierhafen – vor Hamburg – im letzten Jahr verloren haben dürfte. Der Elbehafen hatte Mitte November eine Umschlagmenge von gut neun Millionen TEU in Aussicht gestellt. Antwerpen hatte im vergangenen Jahr eine Reihe von Tiefgangsrekorden mit Containerschiffen verkünden können, die dank der Ende 2010 abgeschlossenen Schelde-Vertiefung möglich wurden. Wie Rotterdam, sieht sich auch Antwerpen für die vermehrt auf den Weltmeeren reisenden XXL-Containerfrachter bestes gerüstet.
Bei Massengütern konnte sich Antwerpen unterm Strich um rund 6,3 Prozent auf 64,6 Millionen Tonnen verbessern. Vor allem bei Flüssigladung legte der Scheldehafen zu, und zwar um 12,4 Prozent auf 46,1 Millionen Tonnen. Eine Erklärung für diese Entwicklung stellt die stärkere Nutzung Antwerpens, wo sich auch ein starker Chemie-Cluster befindet, als Tanklager-Standort dar. In den vergangenen Jahren wurden beschleunigt ältere, bis dato für Stückgutladung genutzte Hafenbereich aufgelöst und für Tanklagerzwecke neu hergerichtet.
Recht zufrieden ist Antwerpen mit der Entwicklung im Stückgut-Bereich. Mit 12,7 Millionen Tonnen liegt die Menge um gut 14,8 Prozent über dem Vorjahrsniveau. Die für dieses Segment bestehende Wettbewerbsstärke soll weiter ausgebaut werden. Das soll unter anderem dadurch geschehen, dass der Faktor Arbeit in diesem wertschöpfungsintensiven Segment günstiger gestaltet werden soll. Entsprechende Anpassungen in der Tarifstruktur sollen das ermöglichen. Die Gespräche unter anderem mit den Gewerkschaften werden dieses Jahr aufgenommen. Der Ro/Ro-Verkehr legten im Berichtszeitraum um 13,3 Prozent auf 4,2 Millionen Tonnen zu. An Fahrzeugen aller Art gingen im Berichtszeitraum etwas mehr als eine Million über die Kaikanten.
Zeebrügge: Deutlich weniger Container
Das in den zurückliegenden Jahren hinsichtlich seiner Umschlagentwicklung verwöhnte Zeebrügge, die Nummer zwei unter den belgischen Seehäfen, musste 2011 zurückstecken. Dennoch spricht die Hafenverwaltung MBZ noch vom „zweitbesten Ergebnis" in der Hafengeschichte. Der Seegüterumschlag als Ganzes lag mit 47,3 Millionen Tonnen um gut 4,5 Prozent unter dem Vorjahresniveau.
Zu den Wachstumsbereichen gehörte 2011 der Ro/Ro-Umschlag, zu dem auch das Neufahrzeuggeschäft gehört. Mit 13,1 Millionen Tonnen liegt das Ergebnis um gut 5,9 Prozent über dem Vorjahresniveau. Das Neufahrzeuggeschäft wurde im Berichtszeitraum unter anderem von den Folgen der japanischen Tsunami-Katastrophe vom 11. März 2011 bestimmt. Sie hatte unter anderem erhebliche Produktionsausfälle zur Folge. Insgesamt wurde rund 1,8 Millionen Neufahrzeuge in Zeebrügge umgeschlagen, ein Minus von 10,5 Prozent gegenüber 2010. Damit fällt Zeebrügge wieder auf den zweiten Rang beim Auto-Umschlag in Europa zurück. Bremerhaven kam 2011 auf deutlich über zwei Millionen Neufahrzeuge. Der Weser-Hafen profitierte vor allem vom starken deutschen Auto-Export, während die Importe von Neufahrzeugen weiter unter Druck standen.
Der Containerumschlag, für Zeebrügge eine wichtige Erfolgsgeschichte in den zurückliegenden Jahren, erhielt 2011 einen empfindlichen Dämpfer. Mit 2,2 Millionen TEU liegt das Ergebnis um gut 11,1 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Zeebrügge macht für diesen Rückgang die großen Umbrüche in der interkontinentalen Containerschifffahrt verantwortlich. Das gelte vor allem für das wichtige Fahrtgebiet Europa-Fernost. Zudem verlor der belgische Küstenhafen erhebliche Feeder-Container-Mengen.
Erfolgreich entwickelte sich für den Seehafen das Flüssiggut-Geschäft. Mit 8,5 Millionen Tonnen liegt das Ergebnis um rund 6,4 Prozent über dem Vorjahresniveau. Rückläufig war das Stückgutsegment, und zwar um vier Prozent auf 1,2 Millionen Tonnen. Der Umschlag trockenen Massengutes legte um gut 2,8 Prozent auf 1,6 Millionen Tonnen zu. (eha)