Wenn der Endkunde am Drücker sitzt

Es ist so bequem: auf dem Sofa herumlümmeln und sich mit ein paar Klicks Waren bestellen und nach Hause liefern lassen. Kein Wunder, dass der E-Commerce seit Jahren eine Erfolgsgeschichte schreibt. Der Vorteil für die Branche: Die Online-Shopping-Lust spült den KEP-Diensten gigantische Mengen in die Netze. Allein zwischen 1995 und 2015 sei die Zahl der in Deutschland beförderten Pakete um über 120 Prozent auf rund 2,3 Milliarden Pakete gestiegen - mehr als die Hälfte davon im Privatkundensegment (54 Prozent). Während zum Beispiel in 2014 noch 1,15 Milliarden B2C-Pakete zugestellt wurden, seien es 2015 schon 1,25 Milliarden und damit 8,6 Prozent mehr gewesen, zeigt die aktuelle Studie des Bundesverbandes E-Commerce und Versandhandel Deutschland (BEVH) und der MRU Unternehmensberatung. Die Kernkompetenz im E-Commerce Und ein Ende dieses Booms ist nicht in Sicht. Ganz im Gegenteil: Auch in diesem Jahr rechnet BEVH-Hauptgeschäftsführer Christoph Wenk-Fischer wieder mit einem Umsatzanstieg um 12 Prozent im Internethandel. Und von dem Wachstum profitieren würden der Studie zufolge insbesondere die Paketdienste, die bereits im B2C-Segment tätig sind: allen voran DHL (49 Prozent Marktanteil) und Hermes (14 Prozent Marktanteil). Sie wickeln gemeinsam mehr als die Hälfte des gesamten Paketvolumens ab. Das übrige Segment verteilt sich auf die Unternehmen, die stärker auf das B2B-Segment ausgerichtet sind wie DPD (16 Prozent Marktanteil), UPS (13 Prozent Marktanteil) und GLS (8 Prozent Marktanteil). "Vor allem Innovationen werden dieses Mengen-Wachstum weitertreiben", betont Wenk-Fischer. Sehr bald schon werde aber "nicht mehr nur das Angebot, sondern die angenehmste Lieferoption die Kaufentscheidung beeinflussen", schätzt der BEVH-Hauptgeschäftsführer. Im Klartext: Je besser der Lieferservice der KEP- und Logistikdienstleister, desto schneller klickt der Endverbraucher und desto mehr Umsatz winkt letztlich den Distanz-, E-Commerce- und Handelsunternehmen. "Die Logistik ist für unsere Mitgliedsfirmen die Kernkompetenz, um wettbewerbsfähig zu bleiben, auch wenn die Logistik nicht von ihnen selbst erbracht wird", unterstreicht Wenk-Fischer. Hoher Anpassungsbedarf Das Schöne sei, sagt er, dass immer mehr KEP-Dienstleister Lösungen für das B2C-Segment entwickeln - früher sei dieses Feld weitgehend von DHL dominiert gewesen. "Das ist für Distanz- und E-Commerce-Händler eine positive Entwicklung", betont der Hauptgeschäftsführer, "nicht weil sie einen ruinösen Preiswettbewerb unter den Anbietern wollen, sondern für ihre Kunden die beste Lösung." Das müsse nicht unbedingt ein ultraschneller Lieferservice sein, "Verbraucher wollen vor allem, dass ihre Bestellung zuverlässig zum vereinbarten Zeitpunkt bei ihnen eintrifft." Hier hätten die KEP-Dienste, lobt er, in den vergangenen Jahren sehr viel getan, um diesen Service zu verbessern. "Ob Zustellung am Wunschtag, Sendungs-Umleitung und viele andere Services, die KEP-Unternehmen stehen natürlich für diese neuen Anforderungen bereit", sagt Marten Bosselmann, Geschäftsführer des Bundesverbandes Paket und Expresslogistik (BIEK). Andererseits erfordere dies einen hohen Anpassungsbedarf in den operativen Prozessen der Netze - gerade im Hinblick auf die Letzte Meile, weiß er. Die Herausforderung hier ist, wie die Studie von BEVH und MRU zeigt: "Die Paketnetze müssen zum einen ihre Kapazitäten an das zukünftige Wachstum anpassen, um weiter große Paketmengen standardisiert und kostenoptimiert abwickeln zu können. Zum andern müssen sie zunehmend endkundenspezifische Services entwickeln und bieten, um sich für die weiter individualisierenden Anforderungen zu rüsten." Immer mehr Spieler wollen also in den logistischen Prozessen mitspielen. Oder um es mit den Worten von Frank Rausch, CEO von Hermes Germany, zu formulieren: "Der Endkunde wird zunehmend zum Regisseur der Lieferkette" (siehe Kasten Seite 24). Nur bezahlen will dieser den geforderten Service nicht wirklich. Bosselmann: "Die Erlöse pro Sendung sinken kontinuierlich. Das ist das Problem. " Zustelloptionen im Wandel Hand in Hand mit dieser Entwicklung vollzieht sich "ein grundlegender Wandel der Zustelllösungen, von der Prozessorientierung hin zur endkundenorientierten Dienstleistung", beobachtet Logistikexperte und MRU-Geschäftsführer Horst Manner-Romberg. "Die Geschwindigkeit der Zustellung ist nur noch ein Aspekt einer bedürfnisorientierten flexiblen Prozesskette." Auch wenn viele der neuen innovativen Ideen und Projekte bislang ihre wirtschaftliche Tragfähigkeit noch nicht unter Beweis gestellt haben, besitzen "diese neuen Lieferservices doch das Potenzial, das Bild des Marktes von Grund auf zu verändern", unterstreicht der KEP-Experte. Das zeigt die Diskussion um das viel zitierte "Same Day Delivery-Segment", die Zustellung noch am gleichen Tag. Erst erlebte dieses Geschäft einen Hype, manche Experten prognostizierten hier vor wenigen Jahren sogar ein Milliarden Euro-Marktvolumen für KEP-Dienste. Doch noch dümpelt dieses Segment herum. "Unter ein Prozent des gesamten KEP-Volumens entfallen in Deutschland derzeit auf das Same-Day-Geschäft", weiß BIEK-Geschäftsführer Bosselmann. Die nun von McKinsey veröffentlichten Zahlen hält er deshalb für "eine gewagte Prognose". Rund 20 Prozent des Umsatzes mit Standardpaketen könne 2025 den Anteil von Same-Day- und Instant-Delivery-Services im Jahr 2020 ausmachen, besagt die Studie, für die McKinsey 4700 Konsumenten in Deutschland, China und den USA befragt hatte. "Die Digitalisierung hat uns daran gewöhnt, dass wir immer alles haben können - und das sofort", sagt auch Andrea Gröppel-Klein, Direktorin des Instituts für Konsum- und Verhaltensforschung an der Universität des Saarlandes. Egal, ob es der dringliche Akkuschrauber, ein bestimmtes Ersatzteil oder die passenden Party-Schuhe sind - alles muss heute schnell gehen und natürlich kostengünstig. Mehr zum Thema im Dossier E-Commerce www.verkehrsrundschau.de/dossiers Service-Übersicht Innovative Lieferservices im Überblick Je bequemer und individueller Privatkunden ihre online bestellten Produkte zugestellt haben wollen, desto komplexere Anforderungen stellt dies an die Auslieferlogistik. Vor diesem Hintergrund gründen sich, neben den etablierten KEP-Diensten, zunehmend neue Anbieter mit neuen Lieferkonzepten. Dazu einige wenige Beispiele aus der Studie des Bundesverband E-Commerce und Versandhandel (BEVH) und MRU-Unternehmensberatung:- Konzept City-Hub: Darunter werden alle Konzepte zusammengefasst, bei denen in einem Warehouse in Innenstadtnähe Sendungen konsolidiert und dann gemeinsam zugestellt werden. Beispiele sind "Combo. be" in Belgien und "Colizen" in Frankreich.- Konzept mobiles City-Hub: Es konsolidiert Sendungen entweder in Wechselbehältern oder Fahrzeugen, die sich in der Nähe des jeweiligen Adressaten befinden. Beispiele sind KEP-Dienste wie "Rakubin" (Japan) und "Yummybus" (Deutschland).- Same-Day-Makler und Crowdsourcing: Darunter sind IT-Plattformen zusammengefasst, die Kurierfahrer und Versender miteinander verknüpfen und es so ermöglichen, dass online bestellte Waren zum Beispiel binnen 90 Minuten dem lokalen Endempfänger auszuliefern sind. Darunter können auch Crowdsourcing-Plattformen fallen, die es auch Privatpersonen ermöglichen, als Transportdienstleister aufzutreten. Beispiele sind unter anderem "Tiramizoo.de." und "Liefery".- Betreiberunabhängige Lösungen: Um Endempfängern den Zeitaufwand zu ersparen, Pakete in Filialen und Shops aufzugeben oder abzuholen, gibt es nun Dienstleister, die sämtliche Sendungen für den Empfänger bündeln - in Ergänzung der Services der Paketdienstleister. Beispiele sind unter anderem "Doorman" und "Pakadoo".- Konsolidierungslösungen: Darunter werden alle Konzepte zusammengefasst, die ganzheitliche Lösungen aus einer Hand bieten, die im Onlinehandel sowohl die Handelsstufe als auch die physische Distribution umfassen - Stichwort "Integrated Commerce". Beispiele sind "Amazon Prime Now", "Allyouneed" und "SF Express" (China)- Technische Lösungen: Darunter fallen zum Beispiel Boxensysteme, in denen Pakete eingelegt und durch den Empfänger von dort abgeholt, aber auch zugestellt werden können. Anbieter sind in Deutschland zum Beispiel DHL und andere KEP-Unternehmen.- Einkaufsdienstleister: Hier handelt es sich um Firmen, bei denen Kunden über eine Webseite oder App Waren bestellen, die durch den gewerblichen Dienstleister im lokalen Einzelhandel beschafft und zugestellt werden. Beispiele sind "Instacart", "CJ Korea Express".- Nachbarschaftslogistik: Hier handelt es sich um lokale Initiativen von stationären Einzelhändlern, die ihre Waren gebündelt über Kuriere noch am selben Tag an Endkunden ausliefern lassen, etwa "La Tournée".eh

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