Nach dem 20-stündigen Warnstreik der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) läuft der Bahnverkehr in Deutschland seit den frühen Morgenstunden wieder weitgehend rund. "Die Züge im Fern- und Regionalverkehr fahren seit Betriebsbeginn am frühen Morgen wieder nahezu überall nach dem regulären Fahrplan", teilte die Bahn am Freitagmorgen, den 17. November mit. Auch am Abend und in der Nacht auf Freitag wurden noch Zugausfälle und Verspätungen gemeldet.
Im Güterverkehr dürften die Auswirkungen des Arbeitskampfes hingegen noch etwas länger zu spüren sein. Die Bahn ging von einem Rückstau von mehreren hundert Güterzügen mit teilweise dringlicher Terminfracht aus. Es könne mehrere Tage dauern, bis der Stau der Güterzüge aufgrund des Arbeitskampfes wieder abgebaut sei, hatte die Bahn schon vor dem Ende des Warnstreiks mitgeteilt. Sie zog trotzdem ein positives Resümee nach dem Warnstreik: Der Notfahrplan habe verlässlich funktioniert. Im Regional- und S-Bahnverkehr hätten teilweise sogar mehr Fahrten angeboten werden können als ursprünglich geplant.
Nach dem Warnstreik der Lokomotivführergewerkschaft GDL mit Tausenden Zugausfällen am Donnerstag hatte die Deutsche Bahn auf einen guten Start im Schienenverkehr am Freitag gesetzt. Der Warnstreik führte seit Mittwochabend zu Tausenden von Zugausfällen. Im Fernverkehr war die DB mit einem Notfahrplan unterwegs, der lediglich rund 20 Prozent der eigentlich geplanten Verbindungen enthielt.
Im Regionalverkehr waren die Auswirkungen des Warnstreiks unterschiedlich, in einigen Regionen fuhr am Donnerstagmorgen zunächst so gut wie kein Zug mehr. Gegen 10.45 Uhr teilte die Bahn dann mit, dass inzwischen bis auf sehr wenige regionale Ausnahmen „überall ein zumindest eingeschränktes Zugangebot“ sichergestellt sei. „Zum Teil fährt ein Busnotverkehr“, hieß es.
Die GDL will mit dem frühen Arbeitskampf im noch jungen Tarifkonflikt eigenen Angaben zufolge dafür sorgen, dass DB-Personalvorstand Martin Seiler auch über das Thema Arbeitszeitverkürzung verhandelt. Diese ist eine Kernforderung der Gewerkschaft: Die GDL will für Schichtarbeiter eine 35-Stunden-Woche bei vollem Lohn aushandeln. Zurzeit liegt die Wochenarbeitszeit bei 38 Stunden.
Weselsky: Lasse mir Eskalation nicht in die Schuhe schieben
Seiler lehnt Verhandlungen über dieses Thema ab, weil er die Forderung auch angesichts des Fachkräftemangels für nicht umsetzbar hält. Dem Manager zufolge brauchte die Bahn dann deutlich mehr Beschäftigte, die kaum zu finden seien.
Weselsky kritisierte diese Haltung scharf, weil so kein Kompromiss zu erzielen sei. "Ich lasse mir nicht in die Schuhe schieben, dass wir eskalieren, wenn die andere Seite sagt: 'Ich verhandele mit Ihnen nicht über die Wochenarbeitszeit und ich verhandele mit Ihnen nicht über Tarifverträge für Fahrdienstleiter'", sagte Weselsky dem Radiosender WDR5.
Rückkehr an den Verhandlungstisch wahrscheinlich
Die eigentlich für diesen Donnerstag und Freitag geplante zweite Verhandlungsrunde hat die Bahn abgesagt. „Entweder man streikt, oder man verhandelt. Beides gleichzeitig geht nicht“, sagte Seiler am Mittwoch zur Begründung. Die nächsten vereinbarten Termine sind der 23. und 24. November. Die erste Verhandlungsrunde war vergangene Woche ohne inhaltliche Annäherung zu Ende gegangen. Vereinbart wurden lediglich weitere Gesprächstermine im Wochenrhythmus.
Bahn-Sprecher Stauß appellierte an die GDL, ohne Streiks zu verhandeln: „Der heutige Streik ist verantwortungslos, das ist eine Zumutung für unsere Fahrgäste. Wir müssen am Verhandlungstisch zu Lösungen kommen, nicht durch Streiks“, sagte Stauß am Donnerstag.
Nach dem Ende des ersten Warnstreiks im laufenden Tarifkonflikt bei der Deutschen Bahn hält die Arbeitgeberseite am vereinbarten nächsten Verhandlungstermin in der nächsten Woche fest - vorausgesetzt, die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) werde nicht zeitgleich wieder zum Arbeitskampf aufrufen. Der vereinbarte Gesprächstermin kommende Woche Donnerstag und Freitag finde "selbstverständlich" statt, verlautete am Abend des 16. November aus Bahnkreisen. Anders sei das nur dann, wenn die GDL am Verhandlungstermin selbst streiken sollte.
Für die Eskalation im Tarifkonflikt machten sich beide Seiten gegenseitig verantwortlich. Sowohl die GDL als auch die Bahn warfen der jeweils anderen Partei vor, Absprachen nicht eingehalten zu haben. Die Stimmung vor weiteren möglichen Gesprächen ist denkbar schlecht.
Weitere Streiks nicht ausgeschlossen
Neue Warnstreiks schloss GDL-Chef Claus Weselsky am Donnerstag zudem nicht aus. "Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich das nicht", sagte er der Deutschen Presse-Agentur in Schwerin bei einer Gewerkschaftskundgebung. Möglicherweise rückt in den nächsten Tagen auch das Thema Urabstimmung stärker in den Blick. Immer wieder hatte Weselsky betont, sich frühzeitig rechtlich absichern und seine Mitglieder über unbefristete Streiks abstimmen lassen zu wollen.
Zwar hatte Weselsky mit Blick auf Streiks über die Weihnachtstage zuletzt beruhigende Signale gesendet: Die GDL habe noch nie über Weihnachten gestreikt, betonte er nach der ersten Verhandlungsrunde vergangene Woche. Gänzlich ausgeschlossen hat er die Möglichkeit bislang aber nicht.
Neben einer Arbeitszeitverkürzung fordert die GDL für die Beschäftigten 555 Euro mehr pro Monat bei einer Laufzeit des Tarifvertrags von 12 Monaten sowie die steuer- und abgabenfreie Inflationsausgleichsprämie. Die Bahn hat bei der ersten Verhandlungsrunde vergangene Woche eine elfprozentige Entgelterhöhung bei 32 Monaten Laufzeit vorgeschlagen. Auch zur Zahlung der Inflationsausgleichsprämie ist der Konzern bereit.
Notfahrplan galt auch noch nach Warnstreik-Ende
Die mit der GDL ausgehandelten Tarifverträge werden bei der Bahn nach Konzernangaben für 10.000 Beschäftigte angewendet. Zum Vergleich: die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG hat im Frühjahr und Sommer bereits neue Tarifverträge für gut 180.000 Beschäftigte verhandelt. Unter anderem erreichte die EVG dabei eine Entgelterhöhung von 410 Euro in zwei Stufen bei 25 Monaten Laufzeit. Auch die Zahlung von 2850 Euro Inflationsausgleichsprämie wurden vereinbart.
Der GDL-Warnstreik sollte am Donnerstagabend um 18.00 Uhr enden. DB-Sprecher Stauß betonte, dass auch danach zunächst noch der Notfahrplan gelten werde. Die Bahn versucht so, die Züge an jene Orte zu fahren oder dort zu halten, wo sie am Freitagmorgen gebraucht werden.