Von der Idee ins Regal

Schon die fünfte Staffel der TV-Show läuft derzeit beim Sender VOX: Im Format "Die Höhle der Löwen" (DHDL) bekommen Menschen die Chance ihres Lebens. Sie präsentieren ihre Erfindung oder Geschäftsidee fünf finanzkräftigen Unternehmern, den sogenannten Löwen. Gelingt es den Kandidaten, einen oder mehrere Löwen zu überzeugen, bekommen sie von ihnen das nötige Startkapital oder Unterstützung bei der Expansion ihres Unternehmens. Im Gegenzug erhalten die Investoren Firmenanteile. Einer der Löwen ist Ralf Dümmel, geschäftsführender Gesellschafter der DS Produkte GmbH. Das Handelshaus mit Sitz in Stapelfeld bei Hamburg unterstützt die Gründer auch bei der Logistik. Hier ist Präzision gefragt: Denn wenn Dümmel in einer neuen DHDL-Folge "Deal!" sagt, dann müssen die Gewinnerprodukte bereits am Tag nach der Ausstrahlung flächendeckend im Handel erhältlich sein. Topseller Abfluss-Fee und Rostschreck Allein die Top-5-Deals erzielten bei DS einen Handelsumsatz von etwa 42 Millionen Euro. Dazu trug der Verschlussstopfen "Abfluss-Fee" mit circa 1,4 Millionen verkauften Exemplaren und rund 14 Millionen Euro Umsatz bei. Elf Millionen Euro brachte der 1,3 Millionen Mal verkaufte Flugrostkiller "Rokitta's Rostschreck" ein, zehn Millionen Euro die "Kinderleichte Becherküche" samt Backbuch für die Kleinsten (über 700.000 Stück). Nach nur drei Wochen klingelte bei dem Nahrungsergänzungsmittel "SmartSleep", das für gesunden Schaf sorgen soll, mit mehr als 1,8 Millionen abgesetzten Flaschen vier Millionen Mal die Kasse, gefolgt von 1,4 Millionen einzelnen "Waschies" - das sind wiederverwendbare Abschminkpads - mit drei Millionen Euro Umsatz in den ersten beiden Wochen. "Wir sind im Aktionsgeschäft auf einen rasanten Umschlag ausgerichtet", erklärt Frank Müller, Betriebsleiter Logistik im DS-Logistikzentrum Gallin (Mecklenburg-Vorpommern), etwa 50 Kilometer vom Firmensitz des Multichannel-Händlers entfernt. "Bei der Zusammenarbeit mit Start-ups tut sich unwahrscheinlich viel im Moment", berichtet er. Für die Gründer steuert DS Produkte, sofern gewünscht, das gesamte Fulfillment - von der Entwicklung über die Herstellung und den Import bis hin zur Distribution und den Export. Darüber hinaus zählt das Who's who des Handels zu den Stammkunden des Dienstleisters: Einzelhändler, Lebensmittelhändler, Discounter und Versandhändler sowie ganz neu auch Baumärkte und Möbelhäuser. Mehr als 700 Marken, Designs, Patente und Gebrauchsmuster hat DS eintragen lassen. Über 4000 Produkte für den Haushalt Das Sortiment wächst permanent und erstreckt sich von Kleinelektro über Kochwaren, Reinigung und Bodenpflege bis hin zu Do-it-yourself-Helfern, Beauty-, Wellness-, Fitness-, Outdoor- und Trend- sowie Saisonartikeln. Auch Textilien und Lebensmittel gehören seit Kurzem dazu. Die mehr als 4000 Produkte finden sich in fast jedem Haushalt. Beim Versand haben die DS-Kunden ganz konkrete Vorstellungen. Individuelle Etikettierung, Anpassung von Verkaufseinheiten, Preisauszeichnung, Displaybestückung: Was aufwendig klingt, ist für die Logistiker in Gallin Tagesgeschäft. In der Spitze bearbeiten sie bis zu 20.000 Aufträge pro Tag. Essenziell wird dabei laut Betriebsleiter Müller zunehmend die Datenanbindung an Kunden und Partner. Für ein weiteres Wachstum prüfe das Unternehmen permanent, ob die ERP- und WMS-Systeme noch dem neuesten Stand der Technik entsprechen. Mehr als 40.000 Handelsfilialen in Europa versorgt DS vom Zentrallager Gallin aus. Zudem ist der Multichannel-Händler immer mehr im E-Commerce unterwegs. Jährlich versendet das Unternehmen inzwischen rund zwei Millionen B2C-Pakete an Endkunden. Bereits 75 Prozent machen diese meist aus einer Position bestehenden Sendungen bereits aus. Aber auch die B2B-Aufträge bewegen sich meist nur zwischen einer bis zu überschaubaren 20 Positionen. "Trotz des hohen B2C-Anteils verzeichnen wir nur 15 Prozent Retouren über alle Segmente hinweg. Das ist schon eine Hausnummer", berichtet Müller stolz. Dahinter stecke ein ausgefeiltes System: Die Kanäle des Onlinehandels liefern wertvolles Kundenfeedback, so dass DS frühzeitig weiß, wie retourenanfällig bestimmte Artikel sind. "Wenn es mal einen Flop gibt, können wir proaktiv gegensteuern, selbst wenn der Container mit der Ware noch auf See ist", sagt Müller. Dennoch kommen täglich 600 bis 800 Retourenpakete im Lager Gallin an. Größtenteils wickelt DS das Retourenmanagement in Eigenregie ab. Retourenmanagement in Eigenregie Die Vereinnahmung erfolgt mithilfe der Barcodes, die schon beim Versand auf die Lieferscheine gedruckt werden. Automatisch werden die Retouren dem Kunden gutgeschrieben. Nach dem Wareneingang werden sie sortiert, unbenutzte Artikel gelangen auf eine Empore, wo sie wieder für den Verkauf aufbereitet werden. "Von 4000 verschiedenen Artikeln arbeiten wir 500 auf. Oft fehlen Dinge wie zusätzliche Batterien. Die Sendung wird hier neu versorgt und geht sofort wieder in die verkaufsfähige Ware", berichtet Müller. Kommt neue Ware an, ist sie so lange gesperrt, bis die Qualitätssicherung grünes Licht gibt. "Erst dann beginnt der Kreislauf, wobei wir hier auch Cross Docking machen, wenn die ankommende Ware sofort wieder für einen Auftrag gepackt werden muss", berichtet Müller. Grundsätzlich wird im Warenausgang manuell verladen. Auch im restlichen Lager laufen die Prozesse weitgehend manuell. 2013 wurde ein neues Warehouse Management System (WMS) von Jungheinrich eingeführt. Und für die Filialbelieferung des Lebensmitteleinzelhandels wurde 2010 ein neues Kommissionierlager für Paletten eingerichtet. "Foodartikel verwalten wir nach Mindesthaltbarkeitsdaten und Chargennummern", berichtet Müller. Starke Schwankungen binnen Tagen In Summe verfügt das Zentrallager über 30.000 Palettenstellplätze auf 30.000 Quadratmetern Fläche. Mehr als 300.000 Paletten bewegen die DS-Logistiker hier pro Jahr. Dabei schwankt das Auftragsvolumen stark. Es gibt hohe Spitzen und rasante Abfälle innerhalb weniger Tage - mal fertigt der Warenausgang 3000 Pakete ab, drei Tage später sind es fast 19.000, und am Folgetag müssen knapp 17.000 Chep-Viertelpaletten gepackt werden. Im B2C-Geschäft sind es bis zu 7000 Pakete pro Tag. Bewältigt wird dieser fliegende Wechsel mit der kurzfristigen Erhöhung von Manpower. Doch längst nicht mehr so einfach wie noch zu Wendezeiten lässt sich das starke Auf und Ab mit Leihpersonal abfedern, zumal die Wege "auf die grüne Wiese" lang sind, wie Müller betont. Hinzu komme der allgegenwärtige Arbeits- und Fachkräftemangel: 1997, als der Logistikstandort gebaut wurde, habe in der Region noch eine Arbeitslosenquote von 20 Prozent geherrscht, heute seien es nur noch vier Prozent. "Die Leute kommen jetzt von weiter her, haben dann aber auch eine halbe Stunde Anfahrt", berichtet Müller. "Auch über die Personalleasingfirmen ist es schwerer geworden, kurzfristig Leute zu bekommen", ergänzt der Logistikleiter. Und auch das Thema Ausbildung werde immer schwieriger, und das, obwohl das Unternehmen jährlich als Top-Ausbildungsbetrieb ausgezeichnet werde. "Wir müssen uns Konzepte überlegen, wie wir die Schüler hierher bekommen. Und wir brauchen Wohnraum für neue Mitarbeiter", schlussfolgert Müller. Verdopplung der Lagerkapazität 2020 Ein weiterer Ausbau am Standort sei geplant, dann aber mit einem höheren Grad an Digitalisierung und Automatisierung. "Wir denken über fahrerlose Transportsysteme, ein automatisches Kleinteilelager oder einen AutoStore nach. Maximal 2020 werden wir anfangen müssen", sagt Müller. Angedacht sind zwei bis drei weitere Hallen und damit eine mögliche Verdopplung der aktuellen Lagerkapazität - ein Zeichen für das enorme Wachstum in Gallin. Zum Vergleich: Zuletzt wurden 2010 und 2014 je "nur" eine weitere Halle gebaut, im Moment sind es insgesamt drei. "Für ein weiteres Wachstum ist langfristig auch der flächendeckende Breitbandausbau in Mecklenburg-Vorpommern wichtig", fordert Müller. Er sei nicht nur eine Voraussetzung für die Einführung intelligenter Verkehrssysteme und Services, sondern auch für die Personalgewinnung. "Wir würden gern mehr Mitarbeitern, beispielsweise aus dem Kundenservice, Homeoffice anbieten, aber das funktioniert nicht aufgrund der mangelhaften Netzanbindung", erklärt der DS-Logistikchef. Positive Effekte erhofft er sich von der Entwicklung im Nordwesten Mecklenburg-Vorpommerns, die wirtschaftlich gesehen als Vorzeigeregion innerhalb des Bundeslandes gilt. "Diese Region wird sich zur Logistikdrehscheibe entwickeln, gerade wegen der optimalen Anbindung an Südskandinavien", ist sich Kerstin Weiss, Landrätin Nordwest-Mecklenburg, sicher. Neben der guten Lage und Infrastruktur soll auch der geplante Bau der Festen Fehmarnbeltquerung zwischen Dänemark und dem schleswig-holsteinischen Festland dafür sorgen. Hoffnung durch Infrastrukturausbau Auch andere große Infrastrukturprojekte in Mecklenburg-Vorpommern, wie der vor der Ostseeinsel Rügen Ende Oktober eingeweihte Offshore-Windpark Wikinger oder die noch im Bau befindliche Verlängerung der Autobahn A 14 von Magdeburg Richtung Ostsee, könnten sich förderlich auf die Gegebenheiten im Landesinneren auswirken. Das wäre auch gut für die in dem Bundesland ansässigen Firmen. Laut Weiss sind zumindest im Nordwesten des Landes in den vergangenen Jahren bereits neue Ansiedlungen und damit Arbeitsplätze entstanden. "Wir verzeichnen wieder Zuzug im westlichen Mecklenburg-Vorpommern. Allerdings muss auch die Infrastruktur wieder aufgebaut werden. Viele Kitas und Schulen wurden in der Vergangenheit wegen der Landflucht geschlossen. Jetzt brauchen wir sie wieder", berichtet die Landrätin. Mehr zum Thema im Dossier "Logistikimmobilien" www.verkehrsrundschau.de/dossiers

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