Voll vernetzte Vorstellung

Gemeinsam mit Kässbohrer und TIP präsentierte Knorr-Bremse die IAA-Neuheiten. Nach dem sogenannten App-Kipper von Schmitz-Cargobull legen die Münchener jetzt mit dem App-Sattel nach. I-Tap heißt das System für Curtainsider, das dem Fahrer die Kontrolle und Steuerung seines Aufliegers via Tablet oder Smartphone ermöglichen soll. Außerdem möchte Knorr so einige nicht sicherheitsrelevante Funktionen per Smartphone statt eines Hebels am Anhänger steuern. Das Wifi-basierte System warnt den Lenker obendrein, sollte etwas nicht stimmen. Überwacht werden neben dem Bremsdruck und -belagverschleiß unter anderem der Reifendruck und die Fahrhöhe. Auch Entladehöhen kann sich der Fahrer per Memoryfunktion aufs Smartphone legen. Dann genügt an der jeweiligen Rampe ein Knopfdruck und der Trailer passt sich der Rampenhöhe an. Auch die Reset-to-Ride-Funktion oder das Heben und Senken einer oder zweier Liftachsen kann man Wifi-basiert erledigen. Der Fahrer muss das Auto nicht mehr so oft verlassen und wird schneller gewarnt - im Idealfall, bevor ein Reifen platzt oder ein Bremsbelag abgefahren ist. Außerdem hat er in Pausen die Möglichkeit, aufgetretene Fehlermeldungen auszulesen und nötigenfalls entsprechend zu reagieren. Die ST 7 spart pro Rad vier Kilo Gewicht Hardwareseitig legten die Münchener ebenfalls nach und starten in Kalenderwoche 34 mit der Serienfertigung der ST- 7-Scheibenbremse, die die bewährte SK 7 ablöst und pro Rad vier Kilo leichter sein soll. Knorr proklamiert, mit der ST 7 aktuell die leichteste Zweikolbenanlage im Markt zu haben. Was man aus I-Tap noch alles machen kann, erklärte anschließend Peter Sijs, Services und Sourcing Operations Direktor bei TIP, wo man zum Servicedienstleister mit 50.000 Trailern avancierte. Dort setzte man ein System namens Fleet Remote auf, mit dem man das jährliche, kostenintensive Auslesen der Trailerdaten (zwischen 50 und 100 Euro) einsparen möchte. Stattdessen nutzt auch TIP Wifi, um Daten zu übertragen: Auf einer rund 250 Kilometer langen Testfahrt zwischen Amsterdam und Rotterdam fanden sich 287 freie Wifi-Hotspots. Die nutzt TIP, um Infos zum Zug an Fahrer, Dispo und Vermieter zu übertragen. So sollen die Standzeiten weiter ausgedehnt werden und Reparaturkosten sinken. Laut TIP-Service-Director Peter Sijs würden allein 25 Prozent aller Bremsbeläge unnötigerweise zu früh gewechselt, weil man keine exakten Verschleißdaten habe. Dabei liefere allein die Bremse jährlich sechs Millionen Daten, da jede noch so kleine Bremsung als "Event" im digitalen Protokoll abgelegt werde. Außerdem sei es bisher schwierig gewesen, Daten zur Fahrgestellnummer des LKW und Rückwärtsfahrten zu ermitteln. Ähnlich verhält es sich mit Reifendruckdaten. Laut Sijs könne ein schleichender Plattfuß mit ziemlicher Sicherheit bereits sechs Tage vorher vorausgesagt und der Fahrer entsprechend zeitnah informiert werden. Für Sijs steht am Ende seiner Datenoffensive ein Diagramm, mit dem alle Anhängerbewegungen in der Flotte vergleichbar werden. Im Falle TIP sollte sich der Mieter dann aber im Klaren sein, dass er absolut gläsern ist und TIP unter Umständen Nachzahlungen anberaumen könnte, sollten grobe Unregelmäßigkeiten im Protokoll auftauchen. Sijs lässt keinen Zweifel an seiner Praxisexpertise und differenziert hier streng: "Wir wissen, was kommt, welche Daten wir benötigen und wie wir diese Daten verarbeiten." Gerade in großen Flotten kann Fleet Remote das Trailerhandling erleichtern und verbilligen. Das Ende der Stangenlenkung? Elektronik nutzt in verstärktem Maße auch Kässbohrer. Ähnlich wie Fleet Remote hat auch der türkische Hersteller ein Kontrollsystem für seine Fahrzeuge angedacht, mit dem sich detaillierte Aussagen über den Trailer machen lassen. Nach der ähnlich gearteten Knorr- und TIP-Präsentation fokussierte sich Kässbohrer auf die Neuheiten der Hardware. Die nutzt im Falle des neuen SBB-Systems (Steer-by-brake) ebenfalls Software, um beim neuen Fünfachstieflader K.SLA5 die stangenbasierten Zwangslenkersysteme zu ersetzen. Ziel war dabei laut Entwicklungsingenieur Volkan Akinci, Wartungskosten und Gewicht zu reduzieren, dem Fahrer das aufwendige Blockieren der Lenkung bei Rückwärtsfahrt zu ersparen und trotzdem den gleichen Lenkradius wie beim Zwangslenker zu realisieren. Dazu nutzt Kässbohrer die komplexeren TEBS-Steuer-Systeme und spendiert der vierten und fünften Achse einen eigenen Bremskanal. Die erste Achse bleibt liftbar. Unter 30 km/h kann die vierte Achse per Balgdruckabsenkung entlastet werden. Sollte das noch nicht genügen, wird an der fünften Achse einseitig zugebremst. Das Lenksignal kommt vom Unterschied der Radgeschwindigkeiten, außerdem hat Kässbohrer das RSS integriert. Diese Regelmöglichkeiten wollen abgestimmt sein: "Wir hatten dreißig verschiedene Konfigurationen im Versuch, die wir zweieinhalb Monate getestet haben", erinnert sich Akinci an die aufwendigen Testreihen. Nach und nach sollen weitere Achskombinationen folgen. Einziger Nachteil: Der Reifenverschleiß ist minimal höher, was laut Akinci in der Praxis allerdings weniger ins Gewicht falle als in den Versuchsreihen, wo die Sattel permanent kreisten. Einen anderen Ansatz verfolgt Kässbohrer mit dem neuen Heckunterfahrschutz, der sich im Crash auf Blöcke aus Aluschaum stützt. Dieses Material, das ursprünglich aus der Rüstungsindustrie stammt, um Anschläge auf Fahrzeugkabinen besser zu verarbeiten, punktet vor allem durch seine hohe Energieabsorptionsfähigkeit. Aufprallgeschwindigkeiten bis 15 km/h soll der neue Unterfahrschutz ohne Tausch überstehen, und bis 56 km/h soll laut Tugay Yilmaz, der bei Kässbohrer die Entwicklung koordiniert, nur die Crashbox aus Aluschaum ersetzt werden müssen. Die Insassen des aufprallenden Fahrzeuges sollen so besser vor einem Untertauchen des Fahrzeuges unters Trailerheck geschützt werden. Nachteil: Das Element kostet natürlich etwas mehr Geld und minimal mehr Gewicht. Dafür gaben erste Versicherungen schon zu verstehen, dass man im Falle des neuen Kässbohrer-Unterfahrschutzes über Boni bei den Prämien reden könne. Den Serienstart plant Kässbohrer für das vierte Quartal 2015. Seit April läuft bereits die eigene KTL-Beschichtungsanlage in Adapazari. Dort hat Kässbohrer vorerst eine Kapazität von 40 Fahrzeugen pro Schicht. Doch der Hersteller plant bereits weiter: Mittelfristig möchte man mit dem Komplettprogramm aus Kühlern, Kippern, Luftfrachtern, Tankern, Silos, Tiefladern, Containerchassis und Curtainsidern Europas drittgrößter Trailerhersteller werden. Dazu gehört, 2015 europäischer Marktführer im Segment Tank-Silo und 2016 im Bereich Tieflader zu sein. Alle Neuheiten werden in Hannover auf der IAA stehen.

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