Vier Wochen Sondierung für die Tonne

Bestürzt, aber nicht panisch haben Wirtschaftsverbände unter anderem aus der Transport- und Logistikbranche auf das Jamaika-Aus reagiert. "Ich dachte, die einigen sich", resümierte Christian Labrot kurz nach dem nächtlichen Scheitern der vierwöchigen Sondierungsgespräche zwischen Union, FDP und Grünen die Gedanken vieler Güterverkehrsunternehmer. Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL) befürchtet nun eine wirtschaftliche Schwächung Deutschlands, sollte der politische Stillstand noch länger andauern. Der Abbruch der Gespräche dokumentiere die Unfähigkeit der Politik zum Kompromiss. Er hoffe, dass der geschäftsführende Verkehrsminister Christian Schmidt (CSU) das Ressort während der Übergangszeit "ordentlich betreue", betonte Labrot. Der Deutsche Speditions- und Logistikverband (DSLV) warnte davor, dass bereits begonnene Projekte wie die Beschleunigung von Planungsverfahren für den Infrastrukturausbau, die Bundesfernstraßengesellschaft oder der Masterplan Schienengüterverkehr "in den momentanen politischen Wirrungen um neue Koalitionen versanden". Präsident Mathias Krage erwartet, dass wichtige Aufgaben mittels eines ressortübergreifenden Hauptausschusses (siehe Kasten) und eines Nachtragshaushalts kurzfristig bewältigt werden können. Ähnlich äußerte man sich im Deutschen Verkehrsforum (DVF). Der Hauptausschuss sei eine pragmatische Lösung in unsicheren Zeiten, sagte DVF- Präsident UIrich Nußbaum. Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) bedauerte das Jamaika-Aus. Vize-Hauptgeschäftsführer Adolf Zobel sprach von einem "Scherbenhaufen", den die Politik zu verantworten habe. Die Unternehmen müssten wissen, auf welche Rahmenbedingungen sie sich einzustellen hätten. Jetzt sei die Lage "völlig unbefriedigend". Nichts beschließen ist keine Option Der Bundesverband Paket & Expresslogistik (BIEK) verwies auf die großen Herausforderungen der neuen Legislaturperiode - etwa Innenstadtlogistik, Digitalisierung und alternative Antriebe. Ohne eine funktionierende Regierung könnten wichtige Gesetzesvorhaben nicht verwirklicht werden, sagte Geschäftsführer Marten Bosselmann. Stillstand sei für die boomende KEP-Branche nicht akzeptabel. "Chance verpasst", kommentierte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweitzer, den Abbruch der Sondierungsgespräche. Die derzeit stabile wirtschaftliche Lage dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass man mutige Entscheidungen für die Zukunft brauche. Die Politiker müssten sich ihrer großen Verantwortung bewusst sein. Auch die Allianz pro Schiene zeigte sich ungeduldig: "Wir erwarten, dass das Bundesverkehrsministerium bei der Elektrifizierung des Schienennetzes und beim Ausbau für 740 Meter lange Güterzüge weiterarbeitet. Noch mehr Stau kann sich Deutschland nicht leisten", erklärte Geschäftsführer Dirk Flege. Jetzt dürften sinnvolle Maßnahmen, etwa aus dem Masterplan Schienengüterverkehr, keinesfalls liegen bleiben. Übergangslösung Bundestag setzt Hauptausschuss ein Am vergangenen Dienstag hat der Bundestag vorübergehend einen Hauptausschuss eingesetzt, um die Arbeitsfähigkeit des Parlaments weiter gewährleisten. Er soll bis zum Abschluss einer Regierungsbildung die Aufgaben übernehmen, die sonst die Fachausschüsse erfüllen. Ein solches Gremium war erstmals nach der Bundestagswahl 2013 eingesetzt worden, als es zwischen Wahltag und Regierungsbildung knapp drei Monate zu überbrücken galt. Dem Hauptausschuss unter Vorsitz des nicht stimmberechtigten Parlamentspräsidenten Wolfgang Schäuble (CDU) gehören 47 Mitglieder an, die einen Tag nach der Einsetzung zur Konstituierung zusammenkommen wollten. Die Zuständigkeiten des Hauptausschusses werden durch Überweisungen des Plenums begründet. Das Gremium ist zudem Haushaltsausschuss im Sinne der entsprechenden gesetzlichen und geschäftsordnungsrechtlichen Vorgaben. Der Hauptausschuss kann Anhörungen durchführen. Er hat kein Selbstbefassungsrecht.jök

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