„Enttäuschung“ ist wohl das Wort, das es Ende Januar in Kirchheim am Neckar am häufigsten zu hören gab. Das Transportunternehmen Eugen Mayer hatte eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, die darlegen soll, wie der hauseigene Fuhrpark CO2-neutral umgestaltet werden kann. Landespolitik, Verbandsvertreter, Mitarbeiter – sie alle bekamen aufgezeigt, was auf die gesamte Branche zukommt, wenn man es wirklich ernst meint mit der Umstellung auf klimafreundliche Antriebe.
Eugen Mayer ist ein klassischer Mittelständler, der sich auf die Bau- und Entsorgungsbranche spezialisiert hat. 16 eigene Lkw unterhält das Unternehmen, dazu kommen 22 Baumaschinen und fünf Pkw. Die schweren Lastwagen fahren wahlweise mit Container, als Abroller oder Kipper, hinzu kommen noch einige Sattelzugmaschinen. Die Baumaschinen – das wurde in der Studie gleich vorweg gestellt – können nicht „dekarbonisiert“ werden, da die Hersteller schlicht noch keine alternativ betriebenen Fahrzeuge entwickelt hätten.
Ein Jahr Studie für Lkw-Umrüstung
Das Transportunternehmen, das heuer sein 78-jähriges Bestehen feiert, wird von den Geschwistern Ulrike und Michael Mayer geleitet. Sie bekamen zufällig von dem KsNI-Förderprogramm für klimaschonende Fahrzeuge mit. Jenes bietet auch die Erstattung von 50 Prozent der Kosten, wenn man sich eine Machbarkeitsstudie zur Umrüstung des Fuhrparks erstellen lässt. Ulrike und Michael Mayer packten diese Gelegenheit beim Schopf. Fortan wurden sie ein Jahr lang von einem Forschungsunternehmen begleitet, das den Betrieb und seine Gegebenheiten genau unter die Lupe nahm.
Professor Ralf Wörner und Dr. Oliver Ehret stellten nun ihre Erkenntnisse und mögliche Wege zur Umrüstung des Fuhrparks vor. Die Studie konzentrierte sich auf zwei Antriebsformen: Elektro- und Wasserstoff-Lkw. Für beide bietet das Unternehmen in Kirchheim grundlegend die Startvoraussetzungen: Der Betriebshof samt Lagerhallen bietet mit über 1,8 Hektar Lagerfläche (theoretisch) genug Platz für die Infrastruktur, zudem wird in nicht allzu großer Ferne gerade eine Erdgaspipeline verlegt, die ab 2030 auch Wasserstoff transportieren könnte.
Lkw-Elektrifizierung: schwer, schwierig, unmachbar?
Je länger die Experten ihre Erkenntnisse vorstellten, desto länger wurden auch die Gesichter der Anwesenden. Für die stufenweise Umrüstung ihres Fuhrparks, beginnend bei den Transportern und endend bei den Lkw, ergab sich ein Investitionsbedarf von rund sieben Millionen Euro und das nur für die notwendige Ladeinfrastruktur. In der TCO betrachtet könnten die Lkw im Vergleich zum Diesel bis zu 3,2 Millionen Euro teurer als Diesel sein – bei hohen Treibstoffkosten und ohne Förderung. Ob das Unternehmen staatliche Unterstützung erhält, kann nämlich nicht garantiert werden, erklären die Experten. Denn: Das Förderprogramm des Bundes sieht zwar eine Übernahme von 80 Prozent der Mehrkosten bei Infrastruktur und Fahrzeugen vor, es ist aber noch lange nicht gesagt, dass man diese auch erhält, selbst wenn man den Antrag korrekt ausfüllt.
Hinzu kommen noch weitere Probleme: Die Mayers haben zwar bereits Photovoltaikanlagen auf dem Gelände – diese reichen aber bei weitem nicht für die Betankung E-Lkw aus. Um den Fehlbetrag zu decken, wären (ebenfalls theoretisch) ein Windrad mit 117 Metern Nabenhöhe und 3,3 Megawatt Leistung oder ein Solarpark mit 4600 Quadratmetern Fläche notwendig, so die Ergebnisse der Studie.
Die Nutzlast der E-Transporter macht Probleme
Hinzu kommen einige Einschränkungen, die mit den Lkw einhergehen würden. Alleine die Transporter, die bei den Mayers mit Anhänger fahren, dürften bei weitem nicht mehr so viel Nutzlast transportieren, da die Batterien in den Transportern schon ordentlich Gewicht haben. Auch die Ladeinfrastruktur findet nur notgedrungen Platz auf dem Hof – die Lagerflächen werden unter anderem für das hauseigene Entsorgungszentrum benötigt.
Beim Thema Wasserstoff wird das Problem noch deutlicher: Eine Tankstelle auf dem Hof schlägt mit über 1,6 Millionen Euro zu Buche und bräuchte noch mehr Platz - zudem müsste Mayer zwei Trailer für die Wasserstoff-Speicherung anschaffen. Der Vorschlag der Experten: Eine konstruktive Lösung mit der Politik finden und gemeinsam, vielleicht auch noch mit einem weiteren Unternehmer, eine Tankstelle in der Gemeinde aufbauen.
Auch die Politik ist ratlos
Nachdem sich die Anwesenden von dem ersten Schock erholt hatten, kam es zu einer munteren Diskussion, die allerdings auch ergebnisoffen endete. So sahen die anwesenden Landtagsabgeordneten quasi unisono die Notwendigkeit Fördergelder zur Verfügung stellen zu müssen – sonst könne solch eine Transformation gar nicht gelingen. Aber auch die generelle Versorgungsunsicherheit in Baden-Württemberg wurde angesprochen: Kein Bundesland in Deutschland importiert seit dem Abschalten der Atomkraftwerke so viel Strom, wie BW. Für einen steigenden Bedarf durch die Umstellung von Fuhrparks wäre das Land dem Anschein nach überhaupt nicht vorbereitet und benötigte zusätzliche Kapazitäten im Leitungsnetz, die jahre-, wenn nicht jahrzehntelang bis zur Umsetzung bräuchten.
Immerhin versicherten die Experten, Politik und die Firma Eugen Mayer im Gespräch bleiben und Lösungen suchen zu wollen. Aber selbst wenn es geschafft wird, den Fuhrpark umzurüsten, so wäre dies bestenfalls ein Modellversuch. Die Problematik liegt vielmehr darin, dass ALLE Unternehmen ihre Quote zu erfüllen haben. Willige gibt es mit Sicherheit genug, das zeigt das Beispiel von von Eugen Mayer sehr deutlich. Aber die Wenigsten unter den Willigen haben bisher eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Das Ergebnis dürfte überall ähnlich aussehen: enttäuschend.
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