Stuttgart. Die Deutsche Bahn sieht die Kritik des Gutachters SMA am Stresstest für Stuttgart 21 gelassen. „Das ändert nichts an der Sicht der Bahn, dass sie den Test bestanden hat", sagte Projektsprecher Wolfgang Dietrich mit Blick auf die Zweifel von SMA an den vorgegebenen Haltezeiten im simulierten Fahrplan für den geplanten Tiefbahnhof. Es handele sich bei den Kritikpunkten um einen veralteten Arbeitsstand, der mittlerweile aufgearbeitet worden sei, erläuterte Dietrich am Donnerstag in Stuttgart.
Nach Informationen des Südwestrundfunks (SWR) hat das von der Bahn beauftragte Gutachterbüro SMA Zweifel daran, dass das Bauprojekt den Test in allen Punkten besteht. Das Züricher Planungsbüro habe bislang nur wenige Vorgaben der Deutschen Bahn zur Bewertung der Leistungsfähigkeit des geplanten Tiefbahnhofs vorbehaltlos akzeptiert, berichtete der Sender.
Die Grünen im Landtag sehen in den vorab bekanntgewordenen Kritikpunkten der SMA den Nachweis, dass die von der Bahn in Umlauf gebrachte Einschätzung, der Bahnhof habe den Stresstest bestanden, voreilig und bei weitem nicht aussagekräftig ist. Nach wie vor gelte es, Fragen zu klären: etwa zu Notfallkonzepten, Brandschutz oder Halte- und Wartezeiten.
Auch Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) geht weiterhin davon aus, dass Stuttgart 21 den Stresstest nicht bestehen wird. „Die Unterlagen, die dem Verkehrsministerium vorliegen, die ich einsehen konnte, bringen mich von dieser Auffassung überhaupt nicht ab. Im Gegenteil: Ich sehe, dass die Bahn bewusst versucht, den Stresstest zu ihren Gunsten zu verändern", sagte Palmer am Donnerstag in der SWR-Sendung „Zur Sache Baden-Württemberg". Aber selbst wenn der Stresstest positiv ausfallen sollte, heiße das noch nicht, dass der neue Tiefbahnhof gebaut werde. Auch die Frage der Finanzierung und der geplante Volksentscheid könnten das Projekt noch stoppen.
Dietrich sagte, es sei noch unklar, ob die geforderten Notfallkonzepte bei der Präsentation der dann von der SMA überprüften Stresstestergebnisse am 14. Juli diskutiert würden. Er äußerte auch Zweifel, dass in der vierstündigen Veranstaltung alle komplexen Themen abgehandelt werden könnten. Die SMA testierten Resultate sollen den Projektträgern am 11. Juli übermittelt werden.
Stuttgart-21-Schlichter Heiner Geißler, der als Moderator für den 14. Juli vorgesehen ist, unterstrich in den „Stuttgarter Nachrichten", wie wichtig ihm die Barrierefreiheit und das Notfallkonzept für den unterirdischen Bahnhof sind: „Es hat keinen Sinn, einem Bahnhof ein Testat zu geben, bei dem, wenn es brennt, Frauen mit Kinderwagen und Behinderte mit Rollstühlen nicht mehr ins Freie kommen." Geißler mahnte die Bahn, allen Beteiligten die Standards des Stresstests offenzulegen. „Das muss jetzt passieren, nicht zwei Tage vor dem 14. Juli."
Das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 hatte die Teilnahme an der Runde Mitte Juli mit der Begründung abgesagt, es habe weder die Bedingungen für den Stresstest mitbestimmen können noch von ihnen Kenntnis. Man werde keine "Alibi-Veranstaltung" unterstützen, sagte Bündnissprecher Hannes Rockenbauch. Bahn-Projektsprecher Dietrich warf Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) vor, sich dem Dialog zu verschließen. Eine mehrfache Anfrage für ein Gespräch mit ihm habe der Minister bislang nicht beantwortet, sagte Dietrich. Auch Fragen von Bürgern an das Verkehrsministerium über ein von der Bahn initiiertes Internetforum seien ignoriert worden. „Es ist schon verwunderlich, dass man auf der einen Seite Offenheit fordert, und andererseits den Dialog verweigert." Hermann nahm am Donnerstag weder Stellung zu den Vorwürfen noch zu den SMA-Einwänden.
Anfang nächster Woche will die Bahn ihre Bauarbeiten am Grundwassermanagement fortsetzen. Nach Auseinandersetzungen an der Baustelle waren sie unterbrochen worden. Der Streit um das Bahnprojekt Stuttgart 21 hat unterdessen erneut den Bundestag erreicht. In einer Aktuellen Stunde appellierten Union und FDP am Donnerstag nachdrücklich an die grün-rote Landesregierung, ihren Widerstand gegen das milliardenschwere Vorhaben aufzugeben. „Es darf nicht sein, dass Süddeutschland vom europäischen Schnellbahnnetz abgehängt wird", sagte der Stuttgarter CDU-Abgeordnete Stefan Kaufmann.
Sein FDP-Kollege Hartfrid Wolff verwies auf den positiven Stresstest und forderte ein klares Bekenntnis zu geschlossenen Verträgen und rechtsverbindlichen Entscheidungen. Der Verkehrsausschuss Vorsitzende Anton Hofreiter von den Grünen bezeichnete es hingegen als unfreiwillig komisch, wenn Schwarz-Gelb ausgerechnet am Tag des Atomausstiegs behaupte, einmal getroffene Entscheidungen dürften nicht revidiert werden. (dpa)
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