Mitte Februar 2022 starteten drei Professoren, 16 Unternehmen der Transport- und Logistikwirtschaft, fünf Verbände und ein Betreiber einer digitalen Plattform die Konsortialstudie „Begegnung von Kapazitätsengpässen in der Logistik“. Nun hat das Team erste Zwischenergebnisse veröffentlicht.
Professor Wolfgang Stölzle von Logistics Advisory Experts, Professor Thorsten Schmidt von der TU Dresden und Professor Christian Kille vom Institut für Angewandte Logistik der Hochschule Würzburg-Schweinfurt leiten die Studie. Ziel ist unter anderem, verlässliche Zahlen etwa zum Fahrpersonal zu erheben, die Ursache und Wirkung von Kapazitätsengpässen zu untersuchen und Gegenmaßnahmen zu entwickeln.
Komplexes Berechnungsmodell
Zusammengefasst beläuft sich der Kapazitätsengpass laut den Zwischenergebnissen auf 56.000 Berufskraftfahrer im Jahr 2022. Die Ermittlung beruhe auf einem eigens entwickelten Berechnungsmodell, wie die Konsortialpartner weiter mitteilen.
Dieses greift im Kern auf offizielle Zahlen der Arbeitsagentur zurück. Es integriert zudem ein vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) vorgeschlagenes Vorgehen, um die gemeldeten Daten um verfälschende Effekte von zum Beispiel Zeitarbeitsfirmen zu korrigieren. Außerdem erweiterten die Wissenschaftler das Modell um bestimmte Korrekturfaktoren und führten unter anderem eine Umfrage durch.
20.000 Fahrer weniger durch demografischen Wandel
Das Modell errechnet aus den Daten der Arbeitsagentur eine unmittelbare Lücke von 10.000 fehlenden Fachkräften. Durch Korrekturfaktoren sei ein zusätzlicher Mangel von 26.000 Personen zu Tage getreten, so die Partner.
Durch den demographischen Wandel komme ein jährliches Defizit von knapp 20.000 Fachkräften hinzu. Man wolle auch weiterhin die Dynamik der Veränderung erfassen und die Prognosen zum Mangel an Fahrpersonal aktualisieren.
Ursachenforschung durch Befragung
Die Mitglieder der beteiligten Fachverbände BGL, BWVL, DSLV sowie HDE und BVL hat das Konsortium im Laufe des Sommers in einem weiteren Schritt zu den Ursachen des Engpasses befragt. Knapp 200 Antworten werteten die Forscher aus.
Demnach sind die wichtigsten der 40 gefundenen Ursachen aus Sicht der Transportunternehmen zum einen lange, unattraktive und wenig planbare Arbeitszeiten gepaart mit wenig wettbewerbsfähigen Gehaltsaussichten. Zum anderen spielt ein wenig attraktives Image sowie zu wenig Nachwuchs und das Aussetzen des Wehrdienstes eine Rolle für den Mangel an Fahrpersonal.
30 Wirkungen identifiziert
Um Gegenmaßnahmen zu entwickeln, gilt es relevante Maßnahmen zu identifizieren und priorisieren, wie die Forscher erklären. Im Rahmen der Studie haben sie daher im ersten Schritt ein Modell entwickelt, um Auswirkungen des Mangels zu quantifizieren.
Wobei sie selbst von „Wirkungen“ sprechen. Das Modell ermögliche strukturiert zum Beispiel die Kosten eines verspäteten Transports für Unternehmen und die Volkswirtschaft abzuschätzen, so die Wissenschaftler.
Über 30 Wirkungen hat das Team bisher identifiziert, davon können fünfzehn monetär bewertet werden. Bei den Transportunternehmen zählen dazu unter anderem zusätzliche Transporte, ein instabiler Linienfahrplan und eine verstärkte Nutzung des Spotmarktes.
Außerdem sind der Aufbau von Zeitpuffern in der Transportplanung und steigende Investitionen in Einrichtungen für Fahrer, Digitalisierung und Automatisierung sowie höhere Lohnkosten mögliche Auswirkungen. Auf Verladerseite ist der Aufbau von Sicherheitsbeständen ein identifizierter Effekt.
Die nächsten Schritte
Die Ergebnisse der Studie sollen zunächst im Konsortium diskutiert und dann Anfang 2023 der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Die finalen Ergebnisse wollen die Partner Ende 2022 veröffentlichen. Vorab sollen kontinuierlich Teilergebnisse auf http://logistik-digitalisierung.de zu finden sein. (mwi)