Hamburg/Rotterdam. Der Transport eines Containers von Asien nach Europa verkürzt sich zwar, wenn die Box in einem Mittemeerhafen gelöscht wird. Doch spätestens beim Weitertransport des Containers ins europäische Hinterland wird es kompliziert, teuer und dauert unter dem Strich auch länger, als wenn der Container über einen Hafen in der Hamburg-Le-havre-Range gelöscht würde. Das ist das Ergebnis einer Studie, die die Hafengesellschaften aus Hamburg (HPA), Rotterdam (HbR) und Antwerpen (GHR/SHA) beim renommierten niederländischen Verkehrsforschungs-Institut NEA in Auftrag gegeben hatten. Die Ausarbeitung trägt den Namen: „Das Gleichgewicht im Containerverkehr innerhalb der europäischen Seehäfen“.
Beim Transshipment-Aufkommen sind die Nordhäfen nicht zu toppen
Im Containerverkehr zwischen Europa und Fernost haben die sogenannten Nordwest-Häfen weiterhin das Sagen und vereinigen auch den größten Marktanteil auf sich. Basierend auf den Vor-Krisen-Zahlen des Jahres 2008 ergibt sich grob vereinfacht dieser Verteilungsschlüssel: 80 Prozent der für Europa - aus allen Fahrtgebieten der Welt – stammenden Container werden über die Nordwest-Häfen abgewickelt, der Rest entfällt auf die Südhäfen, das heißt hier vor allem die Adria-Häfen sowie Frankreich (Marseille, d. Red.). Innerhalb der Nordrange ist Rotterdam mit einem Marktanteil (bezogen auf das Jahr 2008, d. Red.) mit 30 Prozent als Einzelhafen der Marktführer, gefolgt von den beiden belgischen Häfen Antwerpen und Zeebrügge, die zusammen auf 31 Prozent kommen sowie den beiden deutschen „Nordseehäfen“ Bremerhaven und Hamburg. Letztgenannte kamen 2008 auf zusammen 27 Prozent. Allen Häfen gemein ist der sehr hohe Transshipment-Anteil, also für die Containerladung mit einer Anschlussverladung in ein anderes Land. Von den 15 Millionen Standardcontainern (TEU), die 2008 beispielsweise über Hamburg und Bremerhaven gemeinsam umgeschlagen wurden, entfielen gut 7,5 Millionen TEU auf diese „Durchfrachten“ (Transshipment-Ladung, d. Red.). Gerade im Fall von Hamburg und Bremen sind die Anschlussverkehre in die Ostsee von großer Bedeutung.
Stark entwickelte Bahn-Systeme unterstützen die Marktposition der Nordwesthäfen
In Rotterdam betrug der Transshipment-Anteil im Referenzjahr bei einem Gesamtumschlag von rund 10,7 Millionen TEU „nur“ 2,2 Millionen TEU. Marseille-Fos hatte mit seinem Gesamtumschlag von gut 0,8 Millionen TEU keine Transshipment-Ladung. Ein hohes Durchfrachten-Ladungsaufkommen bedingt ein sehr stark entwickeltes Feeder-Schiff-Netzwerk für die Weiterverteilung der Container. Hier liegen die deutschen Nordseehäfen – trotz der krisenbedingten Verluste 2009 – weiterhin an der Spitze in Europa.
Die starke Marktpräsenz der europäischen Nordhäfen beruht darüber hinaus auch auf einem sehr gut entwickelten Eisenbahn-Transport-System sowie, vor allem was die Westhäfen angeht, auch auf einem starken, zuverlässigen Binnenschiff-System. Gerade die Bahn spielt, aus der Perspektive der Nordwest-Range-Häfen, eine ganz entscheidende Rolle bei der Erschließung der durch die Topographie besonders geprägten Länder wie Österreich oder die Schweiz, aber auch in Richtung Mittel- und Osteuropa. Die Studie weist darauf hin, dass das Eisenbahn-Verkehrssystem, das den Südhäfen zur Verfügung steht, eher schwach entwickelt ist. Das gelte im Besonderen für den kombinierten Verkehr Schiene/Straße. Für die verladende Wirtschaft wird es jedoch immer wichtiger, bei der Transportabwicklung auf eine möglichst günstige Klimabelastungs-Bilanz zu kommen, der berühmte „CO-2-Fußabdruck“. „Berücksichtigt man die internen und die externen Kosten, fällt das Ergebnis klar zugunsten der Nordhäfen gegenüber den Südhäfen aus“, heißt es dazu unter anderem in der Studie.
Trend zu immer größeren Containerschiffen begünstigt die Nordwesthäfen
Ein weiterer, nach Ansicht der Studien-Experten auch künftig noch wettbewerbsbestimmender Faktor zugunsten der Nordwesthäfen besteht in den dortigen Schiffsabfertigungsmöglichkeiten. Tatsächlich können hier die derzeit größten Containerschiffe der Welt an den wichtigen Containerterminals abgefertigt werden. Sowohl hinsichtlich deren technischer Ausstattung (Stichwort: Containerbrücken) als auch hinsichtlich ihrer nautischen Erreichbarkeit. Die großen Übersee-Containerreeder setzen gerade in wichtigen Trades wie Europa und Asien verstärkt auf Großcontainerschiffe jenseits der 10.000 TEU-Kapazitätsgrenze. Damit konzentrieren sie sich jedoch auf nur noch wenige Haupthäfen, in denen neben der Import-Ladung auch genügend Rückladung für Fernost gewonnen werden kann.
Was die Weiterentwicklung des innereuropäischen Hafenwettbewerbs angeht, rechnen die Autoren der Studie nicht mit starken Verschiebungen in den Marktanteilen zwischen den Nord- und den Südhäfen der EU. Vielmehr rechnen sie mit einer starken Verschiebung – und damit einem entsprechenden Wettbewerb – innerhalb der Adria-Häfen. Zudem spiele der weitere Ausbau der Hinterland-Infrastruktur eine ganz entscheidende Rolle. Die Tatsache, dass in der Weltcontainerschifffahrt ein Ende der Schiffsgrößenentwicklung noch nicht erkennbar sei, wirke sich zudem unterm Strich günstiger für die Nordwesthäfen aus, so die Studie. (eha)