Im Februar 2022 begann die Arbeit der Gemeinschaftstudie zur „Begegnung von Kapazitätsengpässen in der Logistik mit Schwerpunkt Fahrpersonal“. Beteiligt waren 16 Unternehmen, fünf Verbänden und der Betreiber einer digitalen Matching-Plattform für Arbeitgeber und gewerbliche Fachkräfte.
Ein eigens für die Studie entwickeltes Modell beziffert nicht nur den Mangel an Fahrpersonal auf Basis aktueller Statistiken, sondern ermöglicht auch eine Prognose der Entwicklung des Fahrpersonalmangels. So wurde aus den vorliegenden Daten berechnet, dass aktuell mehr als 70.000 BKF fehlen. 2022 waren es ca. 53.000. Der Fahrermangel wird jährlich um rund 20.000 Fahrer zunehmen. Relativ gesehen ist dieser Mangel größer als in der Pflege oder der Erziehung.
Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Fahrerkrise sind immens! 32 identifizierte Wirkungen des Fahrermangels sind im Wirtschaftsbereich Logistik 2022 für eine Kostensteigerung in Höhe von schätzungsweise drei Prozent verantwortlich: Konkret betrug die Mehrbelastung für die deutsche Wirtschaft damit rund 10 Mrd. Euro, wie die Ergebnisse eines speziell entwickelten Modells zeigten.
Die breit abgestützte Analyse brachte einen umfangreichen Katalog mit 40 verschiedenen Ursachen hervor, die direkt (Einsatz und Gewinnung von Fahrpersonal) oder indirekt (Organisation und Marktentwicklung) für den Mangel an Fahrpersonal verantwortlich gemacht werden können. Besonders treten dabei die Arbeitsbedingungen, das Arbeitsumfeld sowie das Bild des Berufs in der Öffentlichkeit hervor. Im Zuge der Untersuchungen wurden zahlreiche Maßnahmen zur Begegnung des Fahrpersonalmangels analysiert und bewertet. 19 Maßnahmen davon besitzen ein hohes Potenzial und genießen besondere Popularität. Darunter fallen politische Maßnahmen wie der Ausbau der Parkplätze, unternehmerseitige Maßnahmen wie den Einsatz eines speziellen Verantwortlichen für die Belange des Fahrpersonals sowie perspektivische Maßnahmen wie die Ausweitung der Potenziale digitaler Plattformen. Durch gezielt angesetzte Maßnahmen kann vorhandenes Personal gebunden und neues gewonnen werden.
So hilfreich die Maßnahmen auch sind, sie werden "auf die Schnelle" keine absolute Linderung bringen. Unternehmensübergreifende Optimierungsverfahren bergen zusammen mit der Steigerung der Transparenz und dem Einsatz digitaler Anwendungen kurzfristig die größten Potenziale, dem Kapazitätsengpass im Straßengüterverkehr zu begegnen. Denn mit vorhandenen digitalen Lösungen lassen sich schon jetzt vorhandene Kapazitäten besser planen, wenn ihr Potenzial entsprechend besser genutzt wird – auch aus ökonomischen und ökologischen Gründen. Demgegenüber ist vom autonomen Fahren auf mittelfristige Sicht potenziell wenig Entlastung zu erwarten.
Eine Befragung des Fahrpersonals hat gezeigt: Sobald sich für den Beruf entschieden wurde, besteht überwiegend die Überzeugung, die richtige Wahl getroffen zu haben. Da die meisten Antwortenden ihren Job über Kolleginnen und Kollegen gefunden haben, sind auch hier gezielte Maßnahmen zur Verbesserung des Berufsbilds für mehr Zufriedenheit und Personalgewinnung wichtiger den je.
Die Leitung und Ausarbeitung der Konsortialstudie übernahmen Wolfgang Stölzle von der Logistics Advisory Experts (Spin-off der Universität St. Gallen), Thorsten Schmidt von der Technischen Universität Dresden und Christian Kille vom Institut für Angewandte Logistik der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt (THWS). Die Studie steht hier zum kostenlosen Download bereit.
Dietmar Erhardt