Strom für die Welt

Barcelona: Das Licht am Ende des Tunnels kann auch aus der Batterie kommen. Das krisengebeutelte Spanien freut sich ganz offensichtlich über Nissans Entscheidung, den E-NV200 in Barcelona zu bauen und von dort weltweit zu vertreiben. Abzulesen war diese Freude am Auftritt hochrangiger Politiker beim offiziellen Produktionsstart, bringt diese Standortentscheidung doch 1000 Menschen in Lohn und Brot. Eine Freude blieb der Politprominenz jedoch versagt: Sie konnten sich keinen Fahreindruck vom E-NV200 verschaffen. Noch vor der offiziellen Presse-Fahrvorstellung im Juni kamen die Mitglieder der Jury von Van of the Year exklusiv in den Genuss einer ersten Probefahrt. Ansprechendes Anfahrverhalten Wer schon einmal ein Elektroauto bewegt hat, freut sich auf das Anfahrverhalten des Stromers. Das maximale Drehmoment des 80 kW starken E-NV200 steht aus dem Stand zur Verfügung und beschleunigt beeindruckend. Den Druck auf das Gaspedal beantwortet das Auto mit einem mehr als ordentlichen Schub. Die demnächst anstehende Dieselversion mit dem 1.5-DCI-Motor hat bei den Beschleunigungswerten das Nachsehen. Bei der Endgeschwindigkeit wird dann der Dieselmotor die Nase vorn haben. Der E-NV200 bringt theoretisch die Tachonadel weiter nach oben, regelt aber zugunsten der Reichweite bei 120 km/h ab. Für einen Stadtlieferwagen sollte dieses Tempolimit kein Problem darstellen. Seine Kraft holt der E-NV200 aus einem Batteriepack mit 48 Modulen. Das sind genauso viel wie im ersten reinen Elektroauto von Nissan - dem Leaf. Bei der kurzen Fahrvorstellung war erstaunlich, wie dynamisch der Van sich mit dem Batteriepack des kleinen PKW bewegen lässt. Die Batterien sind komplett unterflur verbaut, was zwei wichtige Vorteile bringt. Zum einen sorgt diese Anordnung für einen tief liegenden Schwerpunkt und verleiht dem Fahrzeug zum einen gute Handling-Eigenschaften, die der Nissan auf der Teststrecke im Werksgelände allerdings nur andeuten konnte. Zum anderen lässt die Unterflurbauweise den Laderaum des E-NV200 unbehelligt. Zwei Europaletten finden dort Platz und 4,2 Kubikmeter Ladung können dort verstaut werden. Den Zugang zum tief liegenden Laderaum wird es wahlweise über eine oder zwei Schiebetüren und eine hoch aufschwingende Heckklappe oder Flügeltüren geben. Spannende Momente in der Steigung Für die ersten Fahreindrücke hatte Nissan den Jury-Mitgliedern drei Fahrzeuge zur Verfügung gestellt: einen Kombi und zwei Lieferwagen, von denen einer mit 300 Kilogramm teilbeladen und der andere fast vollbeladen war. Noch interessanter als die Beschleunigung auf den langen Geraden und leicht überhöhten Kurven des Testgeländes war die Frage, wie sich der Elektro-Van beim Anfahren auf einer 24 Prozent steilen Rampe schlagen würde. Bei der ersten Runde kam ein Kombi zum Einsatz, der außer Fahrer und Nissan-Instruktor keine weitere Ladung an Bord hatte. Dank Hill-Hold-Funktion kann der Fahrer beim Anfahren am Berg in aller Ruhe Gas geben, nachdem er den Fuß von der Bremse genommen hat. Völlig stressfrei und gleichmäßig setzte sich der Kombi in der Steigung wieder in Bewegung. Für die zweite Runde stiegen die Tester auf einen teil beladenen Van um, der zusätzlich zu den zwei Personen knapp 300 Kilogramm Ladung zu bewegen hatte. Wer beim Anfahren nach dem Stopp in der Steigungsstrecke Anzeichen von Anstrengung erwartet hatte, sah sich getäuscht. Völlig anstandslos zog der E-NV200 auch hier seine Bergfahrt fort. Erst mit großer Beladung musste sich der Elektro-Van plagen. Hier musste der Fahrer das Gaspedal weiter durchdrücken und das Anfahren ging etwas langsamer, aber dennoch problemfrei vonstatten. Wer die drei Sekunden Haltezeit der Berganfahrhilfe verbummelt hat, den bestraft das Auto nicht mit einem Fall ins Bodenlose, sondern mit einem nur langsamen Rückwärtsgleiten. Anders als beim - über 100.000 mal verkauften - Leaf, der seine Fahrbefehle über einen Joystick empfängt, hat Nissan dem E-NV200 einen Wählhebel gegeben, der an einen Automatikwählhebel eines Verbrennungsmotors angelehnt ist. Fahrer, die wechselnde Fahrzeuge bewegen, finden sich im Elektroauto sehr schnell zurecht. Im Eco-Modus spart der E-NV200 durch ein bedächtigeres Beschleunigen. "Volle Kraft voraus" gilt beim Normalmodus. Der Fahrer hat nur dann nicht die Wahl zwischen den beiden Modi, wenn die Batterie schon weitgehend entladen ist. Für den Weg zur nächsten Steckdose oder Ladestation schreibt das Auto dann gemäßigte Fortbewegung vor. Der Fahrer kann aber nicht nur den Beschleunigungsmaßstab beeinflussen, sondern auch das Bremsverhalten. Beim Brake-Modus quittiert der Elektro-Nissan die Gaswegnahme mit einer spürbar stärkeren Verzögerung als im Normalmodus. Beim Stop-and-go-Verkehr in der Stadt eine durchaus praktische Eigenschaft. Unabhängig vom gewählten Bremsmodus tritt immer zunächst die "Motorbremse" in Aktion, die die rückgewonnene Energie wieder einspeist. Erst dann, wenn der Elektroantrieb weniger Bremsleistung bringt, als der Druck auf das Bremspedal verlangt, legt der Nissan die Bremsbeläge an. Zwei Optionen für das "Stromtanken" Mit seiner Reichweite von 170 Kilometern deckt der E-NV200 den Bedarf eines typischen Fahrzeugs im innerstädtischen Verkehr locker ab. Sofern das Auto nicht im Mehrschichtbetrieb Dienst tut, kann es über Nacht per Haushaltssteckdose vollständig aufgeladen werden. Je nach Batteriestand kann der Vorgang bis zu zehn Stunden dauern. Ein Mehrschichtbetrieb des Fahrzeugs wird dann möglich, wenn der Fahrer seinen Nissan an eine Quick- Charge-Ladestation anstöpselt und eine halbe Stunde Kaffeepause macht. In diesen 30 Minuten lädt der Elektro-Van die Batterie auf 80 Prozent der Kapazität auf und ist dann bereit für die nächste Schicht. Barcelonas Bürgermeister Xavier Trias hat beim offiziellen Produktionsstart angekündigt, dass seine Stadt die Einführung von Elektroautos unterstützen will und hat zugesagt, dass er eine entsprechende Zahl von Quick-Charge-Ladestationen im Stadtgebiet einrichten will.P Alle Tests und Fahrberichte seit dem Jahr 2008 für Premium-Abonnenten unter www.verkehrsrundschau.de/testdatenbank Hintergrund Nissan nennt noch keinen Preis Mit Zahlen zum E-NV200 hielt sich Nissan bei der Veranstaltung zum Produktionsstart noch zurück. Den Verkaufspreis und die technischen Daten nennt Nissan erst bei der Pressevorstellung im Juni. Bekannt sind nur die Energiekosten von drei Euro pro Tag. kitz

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