In Lübeck ereignete sich ein Verkehrsunfall, bei dem ein Mann mit einer Limousine auf der rechten Fahrbahn einer zweispurigen Straße fuhr. Die Limousine gehörte seiner Bekannten. Auf der linken Spur befand sich ein Kompakt-Van. Der Fahrer des Vans wechselte von der linken auf die rechte Spur, was zu einer Kollision führte. Die Eigentümerin der Limousine verlangte Ersatz der Reparaturkosten. Der Fahrer des Vans behauptete, er sei bei grünem Ampellicht losgefahren und habe die Limousine im Rückspiegel nicht bemerkt.
Die Rechtslage gemäß § 7 Absatz 5 der Straßenverkehrsordnung (StVO) besagt, dass ein Fahrstreifen nur gewechselt werden darf, wenn dadurch keine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer entsteht. Zudem muss der Fahrstreifenwechsel rechtzeitig und deutlich angekündigt werden, unter Verwendung der Fahrtrichtungsanzeiger. Wer den Fahrstreifen wechselt, muss sich zuvor vergewissern, dass dieser frei ist.
Typischerweise ereignen sich Unfälle im Zusammenhang mit einem Spurwechsel nach einem bestimmten Muster. Daher haben Gerichte den sogenannten “Anscheinsbeweis” entwickelt. Dieser besagt, dass bei einem typischen Unfallverlauf davon ausgegangen wird, dass die Person, die den Spurwechsel vornahm, den Unfall verursacht hat. Um dieser Haftung zu entgehen, müsste die spurwechselnde Person diese Annahme widerlegen.
In diesem Fall entschied das Gericht zugunsten der Eigentümerin der Limousine. Der Fahrer des Vans hatte einen typischen Spurwechsel vollzogen, und es sei daher naheliegend anzunehmen, dass er den Unfall verursacht habe. Das Gericht konnte keine überhöhte Geschwindigkeit der Limousine nachweisen, und ein hinzugezogener Sachverständiger bestätigte, dass die Limousine im Rückspiegel des Vans zu sehen war. Der Van-Fahrer habe also entweder den Rückspiegel falsch eingestellt oder gar nicht erst hineingeschaut. Das Urteil vom 15.11.2023 (Az. 10 O 171/22) ist rechtskräftig.