Speditionsportrait Harder Logistics: Erfolg in der Nische

Wer auf der Autobahn A 7 von München nach Ulm fährt, kann ihn nicht übersehen. Auf der Höhe Ausfahrt 121 Nersingen direkt an der Autobahn gelegen, ragt der schwarze Würfel in die Landschaft. Kein Kunstobjekt, wie es zunächst scheint, sondern die neue Container-Lagerhalle von Harder Logistics in Neu-Ulm. "Im Unterschied zu anderen Anlagen arbeitet unsere Containerlagerhalle vollautomatisiert rund um die Uhr, sieben Tage die Woche", erklärt Johannes Danieli sichtlich stolz. Er ist Junior-Projektleiter bei Harder Logistics und unterstützt seit 2019 seinen Vater Marcello Danieli, der als geschäftsführender Gesellschafter zusammen mit Hermann Allgaier die Geschäfte des Unternehmens führt, das sich auf Betriebsverlagerungen, "Clean-up"/Rückbau, digitales Aktenmanagement, Spezialtransporte, Umzüge und Lagergeschäft spezialisiert hat. "Wann immer unsere Kunden es wünschen, können sie von ihrem Handy oder Rechner aus 24/7 über ein Internetportal den Ein- und Auslagerungsprozess ihrer gemieteten Container auslösen und dann direkt auf diese zugreifen", schwärmt der 28-Jährige. Akten, Maschinen, Möbel oder auch Fahrzeuge - alles das wird in der neuen Anlage eingelagert, wochenweise, fallweise auch jahrelang. Was den Junior auch begeistert, ist, dass diese deutlich weniger Fläche als herkömmliche Lagerhallen verbraucht. "Auf 19 Meter Höhe können wir bis zu 250 Container auf sechs Etagen über einen automatisierten Portal-Brückenkran stapeln", erklärt er. Und in der nächsten Ausbaustufe seien sogar bis zu 500 Container möglich. Riskante Investition in der Pandemie Die vollautomatisierte Containerhalle ist der jüngste Coup von Marcello Danieli. Insgesamt sieben Millionen (Mio.) Euro hat er dafür investiert mitten in der Corona-Pandemie. "Das war schon riskant", räumt er im Gespräch mit der VerkehrsRundschau ein. Risiken oder Hürden haben ihn aber offenbar nie abgehalten, sondern beflügelt. Dabei gab es so manchen Stolperstein: die Ehe seiner Eltern - deutsche Mutter und italienischer Vater - ging früh auseinander. Die Folge: "Bis zur siebten oder achten Hauptschulklasse war ich ein Durchfall-Kandidat", sagt Danieli von sich selbst. Er biss sich durch, schaffte die Fachoberschule und stieg bei einem Bürokommunikationshändler bis zum Verkaufs- und Innendienstleiter auf, für den er schon mit 28 Jahren eine Filiale in Jena eröffnete. Seine nächste berufliche Station führte ihn dann zu dem Ulmer Büro- und Maschinenumzugsunternehmer F. Stamm. "Das war mein Sprung ins kalte Wasser der Logistik", zu dem er schließlich ganz wechselte und es dort bis in die Geschäftsleitung schaffte. "Nur den Job als Geschäftsführer bekam ich nicht." Die Nische als Lösung Das ärgerte Danieli sogar so sehr, dass er entgegen allen Empfehlungen im Alter von 39 Jahren sein gesamtes Spielgeld, wie er sagt, zusammenkratzte und zusammen mit dem damaligen Partner die Spedition Harder in Ulm mit seinerzeit sieben Mitarbeitern und sechs Lkw übernahm - für 250.000 Euro. "Wenn ich das verloren hätte, wäre es vorbei gewesen", sagt er heute. "Kein großer Betrieb, aber ein guter Name - den wollte ich." Alles andere, insbesondere die Lkw, entpuppten sich größtenteils als Schrott, räumt er ein, und die Jumbospeditions-Aktivitäten waren ein Draufzahlgeschäft. "Mir war sehr schnell klar", sagt er heute, "dass ich mit meinen zwei Jumbo-Lkw, die ich im Sub-Sub-Betrieb nach England einsetzte, auf Dauer keinen Blumentopf gewinnen konnte." Und um im Fernverkehr eine echte Chance zu haben, hätte er 200 bis 300 Linienfahrzeuge gebraucht. Er aber habe nur einen funktionierenden Möbelkoffer gehabt. "Unsere Lösung konnte also nur die Nische sein", sagt er heute. "Und zwar alles, was mit Umzug zu tun hat." Mit Privatumzügen und Büroumzügen von Anwaltskanzleien begann alles. Und vielleicht wäre Danieli in diesem Geschäftsfeld geblieben. Wie es der Zufall aber wollte, erhielt er kurz nach seinem Unternehmer-Start von einer betagteren Aushilfskraft den Tipp, doch mal bei ihrem Enkel geschäftlich anzuklopfen, der als Einkäufer bei einem namhaften Unternehmen arbeitete. "Dieses war dann unser erster Rahmenvertragspartner, den wir auch heute noch bedienen dürfen", erzählt Danieli. Zunächst zogen die Harder-Mitarbeiter die Büros des Industriekonzerns um, später alles, was mit Produktionsumzügen zu tun hatte. "Alles, was in deren Werken passiert, dürfen wir heute machen. Die ersten zehn Jahre aber habe ich nur investiert - in Personal, neue Fahrzeuge und Equipment - und nur gearbeitet." Immerhin: Die Hausbank hat ihn immer unterstützt. Geholfen habe auch, dass er sehr zahlenorientiert arbeite. "Ich lasse mir jeden Tag die Kennzahlen für Debitoren und Kreditoren geben. Dadurch kann ich immer sofort eingreifen." Doppelt so viel Ertrag wie im Vorjahr Heute kann Danieli über seine Geschichten lachen. Denn mittlerweile hat sich sein Unternehmen im Geschäftsfeld Betriebsverlagerung, Industriemontage und Cleanup/Rückbau sowie im digitalen Aktenmanagement einen Namen gemacht. Im vergangenen Jahr verzeichnete Harder Logistics mit 30 Prozent Umsatzplus und doppelt so viel Ertrag wie im Vorjahr sogar sein bestes Ergebnis in seiner Firmengeschichte - mitten in der Corona-Krise. Ob Unternehmen, Kliniken, Büros, Labore, Forschungsinstitute oder auch Bibliotheken - Harder zieht alle um. Wenn der Unternehmenschef da aus dem Nähkästchen plaudert, spitzt man gespannt die Ohren. Denn seine Kunden-Referenzliste ist beeindruckend. Kuka, Freudenberg, Liebherr, Tewa, L'Oreal, Beiersdorf, Diehl Aviation - sie alle arbeiten mit ihm. Robert Bosch zeichnete Harder Logistics in diesem Jahr sogar zum dritten Mal in Folge als "Global preferred supplier" aus. Abhängig will er sich aber von keinem Kunden machen. "Diversifizierung ist uns sehr wichtig", betont Danieli. "Vier Prozent Umsatzanteil - mehr macht kein Kunde mit uns." Auch Wasserfilterhersteller Brita verlagerte, um ein aktuelles Beispiel zu nennen, seine Produktionsstätten unlängst - unterstützt vom Harder-Team - von Taunusstein und Neudorf (Schweiz) nach Camberg - im laufenden Produktionsbetrieb! Neun Monate lang wurde etappenweise die Produktion inklusive der Labore und der Arbeitsplätze umgezogen. "Eine Operation am offenen Herzen", sagt Danieli. Denn Abbau und Verlagerung der Fertigung erfolgten während der laufenden Produktion, und natürlich mussten Bandstillstände möglichst vermieden werden. "In Biberach zogen wir mit 30 Mitarbeitern in nur vier Wochen sogar das gesamte Sana-Klinikum mit knapp 400 Patientenbetten in einen Neubau um." Klare Prozesse dank ERP-System Auch jährlich bis zu 1700 Privatumzüge wickelt das Unternehmen nach wie vor ab. "Das macht zwar nur ein Prozent unseres Umsatzes und Ertrags aus." Danieli hält trotzdem daran fest. Denn ganz Unternehmer weiß er: "Das ist sehr lineares Geschäft und sorgt deshalb zumindest für die Grundauslastung unserer 30 Umzugsmitarbeiter." Und dies wiederum helfe seinem Kerngeschäftsfeld "Betriebsverlagerung und Industriemontage", das sehr antizyklisch sei. Wobei auch hier sich der Unternehmer nicht beklagen kann. Die Nachfrage ist groß - gerade im Moment ziehe das mächtig an. "Immer mehr deutsche Betriebe ziehen aus Deutschland raus." "Wir haben 317 Unternehmen in den letzten sechs Jahren ins Ausland umgezogen", sagt er. Früher seien dies vorwiegend Betriebsverlagerungen nach Polen, Tschechien, Rumänien gewesen. Inzwischen ziehe es die Firmen vermehrt nach Mexiko, China und Indien." Der Unternehmer selbst sieht diese Entwicklung indes mit gemischten Gefühlen. "Klar verdiene ich damit Geld - das ist ja unser Geschäft. Andererseits ist mir Nachhaltigkeit wichtig." Und ob diese im Ausland so gelebt werde wie hierzulande - Stichwort Arbeitsbedingungen -, bezweifle er zuweilen. Beklagen will sich der 60-Jährige nicht. Zumal seit 2018 auch sein Sohn Johannes Danieli im Unternehmen mitmischt und dort für frischen Wind sorgt. Vor allem in Sachen IT und Digitalisierung treibt da im Moment der studierte BWLer mit Schwerpunkt Logistik, der ursprünglich bei DB Schenker gelernt und im Daimler-Konzern gearbeitet hat, in dem Unternehmen einiges voran. So führte er im vergangenen Jahr ein neues ERP-System ein. "Ich verspreche mir dadurch klarere Prozesse in unserer Ablauforganisation - von der Auftragserteilung über die Disposition bis hin zur finalen Abrechnung des Auftrags", erklärt er. In der Vergangenheit sei da doch einiges etwas hemdsärmelig gemacht worden. In einem kleineren Unternehmen funktioniere das ja auch, sagt er. Harder Logistics werde aber immer größer, und da brauche es auch eine Organisation mit klaren Prozessen und Abläufen. "Da versprechen wir uns gerade von unserem neuen ERP-System sehr viel." Wichtigstes Projekt für die beiden Danielis ist aber der geplante Neubau, der im Jahr 2023 startet. Daran arbeitet vor allem Johannes Danieli mit Hochdruck. Auf dem Gelände gleich neben der im Juni eröffneten Containerlagerhalle werden eine Logistikhalle mit 14.000 m2 und ein Bürogebäude entstehen, sodass alle Aktivitäten von einem Standort aus zentral gesteuert werden. 2025 soll die gesamte Baumaßnahme fertig sein, in die zusätzlich zu den schon getätigten Investitionen von sieben Millionen Euro in Grundstück und Containerlagerhalle rund 16 Millionen Euro fließen. Ziel ist klimapositiver Standort Umwelt, Nachhaltigkeit und Expansionsmöglichkeiten - das waren für Johannes Danieli die bei der Flächenauswahl zentralen Themen. So bietet das erworbene Grundstück im Gewerbegebiet Riffelbank das Potenzial, das Unternehmen weiter zukunftsfähig aufzustellen. Und in puncto Nachhaltigkeit liegt dem Junior-Projektleiter vor allem eines am Herzen: das bereits klimaneutrale Unternehmen am neuen Standort klimapositiv zu betreiben. Eine ganze Reihe baulicher Maßnahmen werde da implementiert - unter anderem auch eine großflächige Photovoltaikanlage, um sich ernergieunabhängig zu machen. Mehr zum Thema unter #Speditionsportrait www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Eigentlich wollte er nie Unternehmer werden. Mit 39 Jahren wagte Marcello Danieli dennoch den Sprung. Heute erwirtschaftet sein Unternehmen, das er mit seinem Sohn Johannes Danieli und Geschäftsführer Hermann Allgaier führt, rund 15 Millionen Euro Umsatz mit 100 Mitarbeitern und 30 eigenen Fahrzeugen. "Wir profitieren vom Ausverkauf Deutschlands" Sie haben trotz der Corona-Krise in den Jahren 2020 und 2021 jeweils das beste Ergebnis in Ihrer Unternehmensgeschichte geschrieben. Wie erklären Sie sich diesen Erfolg?Diversifikation ist für mich als Mittelständler das A und O. Wir setzen bewusst auf mehrere Standbeine. Und so bunt unser Portfolio-Mix ist, so groß ist auch unser Kunden-Mix. Wir machen mit keinem Kunden mehr als vier Prozent unseres Umsatzes, um auch von keinem Auftraggeber abhängig zu sein. Unser großes Plus ist auch die vielseitige Einsetzbarkeit unserer Mitarbeiter, die bereit sind, verschiedene Aufgaben zu leisten.Und last, but not least hatten wir in den letzten zwei Jahren interessante Aufträge, zum Beispiel von dem Wasseraufbereitungs-Hersteller Brita, und in den USA, Korea und in Europa durften wir neue Impfstofflinien aufbauen.Und wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Geschäft in diesem Jahr?Die ersten neun Monate 2022 liefen hervorragend: Wir hatten das beste Halbjahresergebnis ever. Wir liegen deutlich über dem Umsatz und Ertrag im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Für das Gesamtjahr zeichnet sich bereits ab, dass es wieder zu den erfolgreichsten zählen wird. Irgendwann wird Deutschland in die Rezession laufen. Wir als Harder Logistics aber profitieren definitiv vom Ausverkauf Deutschlands.Inwiefern profitieren Sie gerade davon?Weil wir regelmäßig Betriebe aus Deutschland ins Ausland verlagern. Um mal konkrete Zahlen zu nennen: Jeden Tag sind das drei. Es wandern immer mehr Unternehmen raus aus Deutschland. In den Anfangs-2000er-Jahren zog es die Firmen vor allem nach Osteuropa - im Übrigen kräftig unterstützt von der Europäischen Union (EU). Und jetzt wandern immer mehr Betriebe nach China, Indien und Mittelamerika ab. Und das zieht sich durch jede Branche. Eigentlich müsste mich das freuen, weil das mein Geschäft als Betriebsverlagerer ist. Ich betrachte es aber mit wirklich großer Sorge. Denn das hat nichts mit Nachhaltigkeit und nichts mit Fairness zu tun.Bei wie viel Umsatz werden Sie in diesem Jahr also landen?Wir rechnen in diesem Jahr mit knapp 15 Mio. Euro Umsatz. Für mich aber zählt nicht der Umsatz. Ertrag ist das Einzige, was zählt. ehMarcello Danieli, geschäftsführender Gesellschafter von Harder Logistics in Neu-Ulm

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