"So etwas habe ich noch nicht erlebt"

Ich bin jetzt nun seit fast 24 Jahren bei Knauf im Transport und in der Logistik tätig. Aber so etwas wie 2017 habe ich noch nicht erlebt." Kurt Münk, Leiter Frachtmanagement bei dem Hersteller von Baustoffen und Bausystemen, schüttelt den Kopf. Die Laderaumengpässe im Transportmarkt haben damals dazu geführt, dass bei Knauf die Auslieferung neu organisiert werden musste. "Erstmals in der Geschichte von Knauf sind wir bei der Auslieferung von Standardmaterialien auf Lieferzeit gegangen", schildert Münk die Folgen. "In anderen Industrien ist das durchaus üblich. In unserer Branche sind wir das überhaupt nicht gewohnt." Fehlende Lkw: Die Ware blieb stehen Anders ausgedrückt: Die Ware ist stehen geblieben, weil bei den 160 Spediteuren und Transportunternehmen, mit denen Knauf in Deutschland zusammenarbeitet, nicht ausreichend Lkw zur Verfügung standen. Die große Nachfrage und der Fahrermangel haben nach Angaben von Münk zu diesem Engpass geführt. "Bei uns und in den Unternehmen der Knauf-Group kam daher im letzten Jahr die Befürchtung auf, dass wir das Wachstum abwürgen, wenn wir unsere Kunden nicht so bedienen können wie gewünscht, weil wir keine Lkw am Markt bekommen", sagt Münk. Deshalb war für Knauf klar: Darüber muss man reden. Und, viel wichtiger, man muss handeln. Münk vergleicht die Situation im Lkw-Transportmarkt mit der in der Seeschifffahrt. Dort gibt es sogenannte "high-peakseasons", also Zeiten mit großer Nachfrage, in denen kaum Containerstellplätze zu bekommen sind. Ähnlich sei die Lage im Straßengüterverkehr. Da gäbe es Wochen, in denen Frachtraum rar sei. "Wir bei Knauf haben bereits 2017 für dieses Jahr Tage mit voraussichtlichen Engpässen rot im Kalender markiert und unsere Kunden und auch Dienstleister entsprechend informiert", nennt Münk eine Maßnahme, wie in seinem Unternehmen auf die Engpässe reagiert wurde. Die Konsequenz: 2018 gab es nur wenige unvorhersehbare Lieferzeiten für Standardmaterialien. Aber das war nicht die einzige Maßnahme bei Knauf: "Wir haben mit dem Aufbau von Railports in Ballungszentren begonnen", sagt Münk. Es gibt solche Zentren mittlerweile am Rande von Berlin, Hamburg und Köln. Die Knauf-Railports würden sich von denen der Deutschen Bahn unterscheiden. "Wir nutzen Anschlussgleise von starken Partnern von DB Schenker. Dort muss ein gedecktes Lager verfügbar sein und der Partner muss in der Lage sein, das Stadtgebiet zügig zu beliefern." Knauf fährt mit Waggongruppen im Spotverkehr in diese Zentren. Von dort aus wird die Ware dann in der Stadt verteilt. "Das kostet uns mehr Geld, weil damit trotz der Bündelung ein höherer Aufwand verbunden ist. Aber wir brauchen solche Konzepte, um den Kunden zu signalisieren, dass wir auf diese Engpässe eine Antwort haben", sagt Münk. Lkw bleibt das Rückgrat bei Knauf Doch ist diese Maßnahme kein Patentrezept, das überall funktioniert. "In München klappt das leider nicht, weil es dort in den letzten zehn Jahren versäumt wurde, die Schiene so zu unterstützen, dass der Aufbau eines Railports möglich ist", gesteht Münk zu. Trotz der Verlagerung: Der Lkw bleibt das Rückgrat in der Knauf-Logistik. Deshalb muss laut Münk etwas passieren. Denn aufgrund des demografischen Wandels gehen jedes Jahr Tausende von Lkw-Fahrern in Rente, aber nicht annähernd so viel Nachwuchs kann gewonnen werden. Mit dieser Einschätzung steht Münk nicht alleine da. Immer mehr Unternehmen der verladenden Wirtschaft machen sich Sorgen über die Kapazitätsengpässe. Für Christian Engelke, Geschäftsführer Wirtschaft im Bundesverband Baustoffe - Steine und Erden, war das Anlass genug, im Verband ein Positionspapier zu erstellen, an dem auch Münk mitgewirkt hat. Es trägt den Titel "Engpässe im Logistiksektor ". Runder Tisch für eine Imagekampagne Das Papier beinhaltet sieben Herausforderungen, vor dem die Logistik steht, und skizziert dazu Lösungsansätze (siehe unterer Kasten Seite 23). "Wir maßen uns nicht an, damit das Ei des Kolumbus gefunden zu haben", sagt Engelke. Es sei als "Ideensammlung" gedacht, an welchen Stellschrauben man ansetzen könne. Ganz oben auf dieser Prioritätenliste steht - wen wundert es - die Maßnahme "Lkw-Fahrermangel entgegenwirken". "In Deutschland fehlen etwa 40.000 Lkw-Fahrer unterschiedlicher Fahrerlaubnisse", sagt Engelke. "Wir haben uns überlegt, wie man den Beruf attraktiver machen kann." Dazu schlägt der Verband unter anderem vor, die Schlüsselfunktion des Lkw-Fahrers für die Wirtschaft stärker in den Fokus zu rücken. "Das Image des Fahrers ist nicht das Beste. Das liegt auch an den schlechten Arbeitsbedingungen", sagt Engelke. "Die gesamte Wirtschaft hängt am Fahrerberuf", fährt der Verbandsexperte fort und schlägt einen runden Tisch vor, der eine Imagekampagne entwerfen könnte: "Da sollte die Politik mitwirken, aber natürlich auch die verladende Wirtschaft und die Spediteure." "Die Fahrerlöhne sind in den letzten zwölf Monaten schon deutlich gestiegen", sagt Münk, "zu Recht, weil die Bezahlung nicht widerspiegelt, was der Fahrer leistet. Der Fahrer trägt eine enorme Verantwortung und befördert Waren und damit auch Wirtschaftswachstum." Immer wieder wird auch Kritik laut, dass an den Laderampen der Verlader die Lkw-Fahrer sich lange gedulden müssen, somit wichtige Fahrzeit vergeudet wird und sie zum Teil noch selbst die Ware entladen müssen. "In der Baustoffindustrie kenne ich das so nicht", sagt Münk, weiß aber von Branchen, in denen das der Fall ist. Bei Knauf versucht man mit elektronischen Mitteln Verzögerungen zu vermeiden. Ein System mit der Bezeichnung Mobile Order Management beinhaltet nicht nur ein Zeitfenstermanagement für Warenlieferung und -abholung. Damit lassen sich auch Transporte von der Be- bis zur Entladung verfolgen und die Abliefernachweise elektronisch dokumentieren - Maßnahmen, die die Prozesse an der Laderampe beschleunigen sollen, um somit die wertvolle Ressource Fahrerzeit nicht zu vergeuden. Umstritten: Kabotage lockern Als eine weitere Maßnahme zur Bekämpfung des Fahrermangels schlägt der Verband eine Absenkung des Einstiegsalters für die beschleunigte Grundqualifikation von 21 auf 18 Jahre vor. "Uns ist klar, dass dabei auch das Thema Sicherheit und Zuverlässigkeit eine wichtige Rolle spielt", sagt Engelke. Aber das Einstiegsalter von 21 Jahren sieht er als eine Hürde an, weil junge Menschen in dem Alter häufig schon andere Berufswege eingeschlagen hätten. "Damit stehen natürlich weniger potenzielle Fahrer zur Verfügung", sagt Engelke. Zu den im Positionspapier vorgeschlagenen Maßnahmen zählt auch eine, die bei vielen im Transportgewerbe keine Begeisterung auslösen wird: die Lockerung der Kabotage. "Die bestehenden Einschränkungen zur Befrachtung ausländischer Lkw mit ausschließlich innerdeutschen Transporten stehen der Idee eines gemeinsamen europäischen Binnenmarktes entgegen und sind daher kritisch zu prüfen", wird dort vorgeschlagen. "Es ist uns klar, dass wir mit dieser Forderung nicht überall auf breite Zustimmung stoßen", sagt Engelke. Man wolle auch nicht alle Regelungen aufheben und damit dem Lohndumping Tür und Tor öffnen. "Aber: Ein Nachdenken über solche Beschränkungen muss möglich sein. Denn wir befinden uns in einem europäischen Binnenmarkt, der einen freien Warenverkehr garantiert", gibt Engelke zu bedenken. Einschränkungen aufgrund der Kabotage würden zu Leerfahrten führen. Die Folge seien eine schlechtere Effizienz im Transport und eine stärkere Umweltbelastung. Bislang hat der Verband mit dem Papier laut Engelke eine insgesamt positive Resonanz erzielt bei vielen anderen Wirtschaftsverbänden. "Das Thema bewegt die Gemüter. Es werden nicht alle Vorschläge eins zu eins mitgetragen, aber die verladende Wirtschaft sieht viele Punkte aus dem Papier ähnlich", schildert er die Rückmeldungen. Er sieht die Thesen auch als Aufschlag für breiter angelegte Aktivitäten anderer Beteiligter in der Logistik, die von den Engpässen betroffen sind. Münk: mehr Parkplätze an Autobahnen Münk wünscht sich, dass bei dem einen oder anderen Punkt 2018, spätestens 2019 eine Veränderung zu spüren ist. Als Beispiel nennt er Lkw-Parkplätze: "Es kann nicht sein, dass es zu Unfällen auf Standstreifen kommt, weil die Lkw an Autobahnen keinen Parkplatz finden." "Uns ist wichtig, dass sich etwas bewegt, und wir nicht tatenlos zusehen", sagt er. Denn den Satz, dass er so etwas noch nicht erlebt hat, den würde Münk nur ungerne wiederholen. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Lkw-Fahrer www.verkehrsrundschau.de/dossiers Knauf-Gruppe 160 Speditionen, 6500 Lkw und 550 Transporte pro TagDie Knauf-Gruppe weltweit:- 220 Niederlassungen in 86 Ländern- Jahresumsatz 2016: 6,5 Milliarden Euro- Mitarbeiter weltweit: 27.400Logistik der Knauf-Gruppe in Deutschland:- 160 eingesetzte Spediteure und Transportunternehmen: verfügbare Flotte über dieDienstleister: 6500 Lkw- 70 eigene Lkw zur Aufstellung von Containersilos- Einsatz der Bahn vor allem zur Beschaffung von Materialien und von Kurierdiensten für eilige Transporte- 550 Transporte pro Tag, Inland ausgehend- 8000 Tonnen pro Tag, Inland ausgehend cd Bundesverband Baustoffe - Steine und Erden Die sieben zentralen Herausforderungen in der LogistikDer Bundesverband Baustoffe - Steine und Erden ist die Interessenvertretung von 16 Einzelbranchen und rund 4000 Unternehmen. Die deutsche Baustoffindustrie erwirtschaftet mit 145.000 Beschäftigten einen Jahresumsatz von rund 32 Milliarden Euro.Der Verband hat ein Positionspapier zu den Engpässen in der Logistik veröffentlicht. Darin werden sieben zentrale Herausforderungen aufgeführt:- Lkw-Fahrermangel entgegenwirken- Baustellenmanagement optimieren und Lkw-Parkplätze ausbauen- Verbot zum Verbleib der Fahrer im Lkw über das Wochenende überdenken- Schichtzeitenregelungen flexibler ausgestalten- Kabotageregelungen für ausländische Fahrer aufheben- Transportkapazitäten durch rechtliche Anpassungen steigern (unter anderem Ausweitung des zulässigen Gesamtgewichtes und Einsatz des Lang-Lkw)- Voraussetzungen für weitgehende Digitalisierung der Logistik schaffen.Für diese Problembereiche werden in dem Positionspapier Lösungsvorschläge gemacht. Das Positionspapier ist erhältlich unter: www.baustoffindustrie.de/themen/infrastrukturlogistik. cd

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