Die deutschen Seehäfen haben aus Sicht von Experten Wettbewerbsnachteile im Vergleich zu Häfen in Antwerpen und Rotterdam, wie bei einer öffentlichen Anhörung des Verkehrsausschusses des Bundestags am Montag, 8. Mai, deutlich wurde. Die Kostennachteile der deutschen Seehäfen seien vielfältig, meinte Gunther Bonz, Präsident der Federation of European Private Port Operators (FEPORT). Dazu zähle nicht nur die Erweiterung der Tonnagesteuer auf reedereigene Terminals. Die Einfuhrumsatzssteuer etwa führe dazu, dass einzelne Spediteure kein Stückgut über einen deutschen Seehafen importierten.
Problematisch seien auch die Hafenkosten. „In deutschen Häfen sind höhere Mieten und Pachten fällig“, sagte Bonz. Die Terminalbetreiber müssten die Kaimauer von der Hafenbehörde anmieten, was für Millionenbeträge sorge. In Rotterdam würden die Kaianlagen den Terminals nicht vermietet. „Dort sind sie Hochwasserschutzanlagen, die zu hundert Prozent vom Nationalstaat übernommen werden“, sagte er. Da Hochwasserschutz keine Beihilfe sei, „ist das System dort absolut EU-konform“.
Digitalisierungsprojekte scheiterten regelmäßig
Eine „Ladungsabwanderungen in andere Häfen“, machte Alexander Geisler, Geschäftsführer beim Zentralverband Deutscher Schiffsmakler (ZVDS), aus. Dort sei die Produktivität höher, also die Liegezeit der Schiffe kürzer. Grund dafür sei „ein echter 24/7-Ansatz“. Dieser werde zwar auch in deutschen Häfen gelebt, nicht aber im Hinterland. Wenn also Lkw die Container ins Hinterland fahren, „stehen die im Zweifel am Wochenende bei VW vor geschlossenen Lagerhallen“.
Geisler forderte zugleich auch eine Straffung der Verwaltung. Allein an der Elbe seien es mehrere Verwaltungen, die für den Anlauf und den Ablauf eines Schiffes verantwortlich sind. Digitalisierungsprojekte, so der Experte, scheiterten regelmäßig, „weil sich nicht darauf geeinigt werden kann, wer welchen Hut aufhat“.
Daniel Hosseus, Hauptgeschäftsführer beim Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS), bezeichnete die wirtschaftliche Lage der deutschen Hafenwirtschaft „mehr als schwierig“. 2022 sei weniger Ladung umgeschlagen worden als im Vorjahr. Auch das laufende Jahr beginne sehr schlecht. Beim Stückgut liege man in Bremen etwa 20 Prozent unter dem Wert aus dem Vorjahreszeitraum. „Da braut sich was zusammen“, so Hosseus. Noch gravierender sei der massive Verlust von Marktanteilen gegenüber Rotterdam und Antwerpen. Der ZDS-Hauptgeschäftsführer kritisierte den „winzigen Beitrag“, den der Bund zur Hafeninfrastruktur beitrage. Die derzeit 38 Millionen Euro müssten mindestens verzehnfacht werden, forderte er.
Hafen- und Logistikstandort Deutschland vor großen Herausforderungen
Jens B. Knudsen Vorsitzender der Initiative Kiel-Canal nannte es ein Rätsel, „wie eine Bundesregierung, die sich dem Umwelt- und Klimaschutz verschrieben hat, den Investitionshaushalt für die Wasserstraßen halbiert“ habe. Dies gelte umso mehr, wenn man bedenke, welche besondere Rolle die Wasserstraßen und die Häfen für die Versorgung der Bevölkerung mit Kohle, LNG, Öl, Benzin und Getreide spielten. Ohne eine leistungsfähige Schifffahrt sei Klimaschutz und volkswirtschaftlicher Nutzen in Deutschland nicht möglich. Die setze eine intakte maritime Infrastruktur voraus.
Jörn Schepull, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender der Container Terminal Bremerhaven GmbH (EUROGATE), sieht auf den Hafen- und Logistikstandort Deutschland große und wichtige Herausforderungen durch Transformation und Digitalisierung zukommen. „Es werden neue Berufszweige entstehen. Vorhandene Arbeitsplätze werden sich verändern“, sagte er. Daher müssten Bildungsmaßnahmen entwickelt werden, um vorhandene Fachkräfte auf die neuen Gegebenheiten umzuschulen. Zugleich müssten neue Ausbildungsberufe entwickelt und unterstützt werden.
Von einem massiven Strukturwandel in den deutschen Seehäfen sprach auch Maya Schwiegershausen-Güth, Bundesfachgruppenleiterin Maritime Wirtschaft bei der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. „Die Qualifikationen der Beschäftigten werden sich verändern müssen“, sagte sie. Es werde weg von manuellen Umschlagstätigkeiten, hin zu steuernden Tätigkeiten gehen.