Rail Cargo Group: Ehrgeizige Pläne

Die Bahnchefs in Österreich haben Großes vor und dabei längst nicht nur ihr Land im Blick. Ganz im Gegenteil: "Europa braucht mehr Bahn und die Bahn mehr Europa", sagte der CEO der ÖBB, Andreas Matthä, auf einer Pressekonferenz der ÖBB Rail Cargo Group (RCG) Ende September. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen sich im Bahnsektor aus Sicht von Matthä grundsätzliche Dinge ändern. Denn seine ehrgeizige Vision lautet: "Einen Zug durch Europa zu fahren muss so einfach werden wie einen Lkw" (siehe dazu Interview Seite 27). Lkw-Verkehre verlagern Das wird nicht ohne gravierende Änderungen erfolgen. Hier sorgt die Klimaschutzdebatte für zusätzlichen Druck. Um die CO2-Ziele zu erreichen, muss auch der Verkehrssektor seinen Teil beisteuern. "30 Prozent der CO2-Emissionen entfallen in Österreich auf den Verkehrssektor", sagte Matthä. Der Lkw sei ein Hauptverursacher, weshalb der ÖBB-Chef festhält: "Die Verkehrsverlagerung ist einer der am schnellsten wirksamen Hebel zur CO2-Vermeidung." RCG-Vorstandssprecher Clemens Först glaubt zu wissen, wie eine solche Verkehrswende gelingen kann. "Wir treiben die Digitalisierung und Innovationen im Schienengüterverkehr weiter voran und erweitern unser Netzwerk stetig weiter", sagte der Chef der ÖBB-Gütersparte. Dabei nimmt die RCG das Heft des Handelns selbst in die Hand. Das Bahnunternehmen konzentriert sich mit seinen Leistungen schon längst nicht mehr nur auf Österreich. Der heimische Markt ist zu klein geworden. Im Jahr 2020 war die RCG gemessen am Umsatz und an der Transportleistung in Eigentraktion bereits die Nummer zwei im europäischen Schienengüterverkehrsmarkt hinter DB Cargo. Först zählte verschiedene Angebote seines Unternehmens auf, mit denen er den Spediteuren und Verladern das Umsteigen von der Straße auf die Schiene schmackhaft machen möchte. Dazu gehören einfache Zugänge zu den RCG-Angeboten und ein Netz an Verbindungen in Europa (TransFER genannt, zu dem 60 Verbindungen zwischen Ballungszentren in Europa gehören). Matthä wie auch Först wissen jedoch auch: Das alleine wird nicht reichen. Der preisliche Vorsprung des Lkw ist noch zu groß. Deshalb forderte Först "faire Wettbewerbsbedingungen" ein. Er sprach sich für eine Kostenwahrheit im Verkehrssektor aus: Allein in Österreich seien die externen (also die nicht gedeckten) Kosten beim Lkw dreimal höher als bei der Bahn. Er forderte eine Maut für Lkw auch auf Landstraßen sowie einen Bahnanschluss als Voraussetzung für eine Standortgenehmigung. Matthä verwies darauf, dass angesichts der Klimaziele der EU im Rahmen des Programms "Fit for 55" jetzt Maßnahmen folgen müssten. Er zeigte sich optimistisch, dass diesen Worten auch Taten folgen werden. "Ich bin überzeugt, dass die 2020er-Jahre zur Renaissance des Schienengüterverkehrs führen werden", sagte der ÖBB-Chef. Mehr zum Thema finden Sie unter #Railcargo www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Die Rail Cargo Group (RCG) will mehr Güter von der Straße auf die Schiene verlagern. Neben der Forderung nach Herstellung fairer Wettbewerbsbedingungen sollen auch die Digitalisierung und Innovationen Verlader und Spediteure dazu bewegen, häufiger die Bahn zu nutzen. Clemens Först, Vorstandssprecher ÖBB Rail Cargo Group "Unsere Vision ist nicht irreführend oder unrealistisch" "Einen Zug durch Europa zu fahren muss so einfach werden wie einen Lkw": Ist eine solche Aussage nicht irreführend, weil das System Schiene nun mal kolmpexer ist als das System Straße? Um die Klimaziele zu erreichen, brauchen wir eine Verkehrswende. Ich weiß natürlich, dass die zitierte Vision aus heutiger Sicht extrem ambitioniert erscheint. Das muss und soll sie auch sein. Sie ist aber gewiss nicht irreführend oder unrealistisch. War die Vision alltagstauglicher Elektro-Autos zu Beginn des Jahrtausends irreführend und unrealistisch? Ich beantworte Ihre Frage daher gerne mit einer Gegenfrage: Warum ist es komplexer, einen Zug durch Europa zu schicken, wenn die Zugbildung dank der „digitalen automatischen Kupplung“ vollautomatisch erfolgt, wenn die internationale Trassenbuchung dank eingeführtem „Digital Capacity Management“ in Echtzeit erfolgt, wenn die operative Abstimmung der beteiligten Bahnen dank „Digital Platforms“ reibungslos verläuft, die Kommunikation zwischen Infrastruktur und Lokomotive in ganz Europa dank des „European Train Control System“ einheitlich und digital erfolgt und alle genannten Technologien in einem letzten Schritt auch „Autonomous Driving“ erlauben? Die genannten fünf Technologien werden aktuell umgesetzt. Bis 2030 sind wir damit der Vision einen bedeutenden Schritt näher gekommen. Bei Sperrungen zum Beispiel auf der Brenner-Strecke muss mit massiveren Einschränkungen gerechnet werden als auf der Straße. Muss man das den Kunden ehrlicherweise nicht auch sagen? Das ist der Status quo und unseren Kunden gegenüber sind wir damit auch zu 100 Prozent transparent. Wir investieren viel in Krisenmanagement und Umfahrungen im Krisenfall Als Gegenbeispiel möchte ich aber den Beginn der Corona-Krise im Frühjahr 2020 anführen. Zu dieser Zeit stand die Straße quasi still – die Schiene hat die Versorgung in vielen Bereichen aufrechterhalten. Kein Verkehrsträger ist vor Ausfällen gefeit. cd Das gesamte Interview zu den Zielgrößen für RCG bis 2040 auf VR plus kostenfrei unter: www.verkehrsrundschau.de/plus/Foerst2021

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