Prozessoptimierung via Smartphone

Leckerlis für den Hund, ein neuer Kratzbaum für die Katze - die Deutschen hegen und pflegen ihre Haustiere und investieren viel Geld in ihre Lieblinge. 4,15 Milliarden Euro Umsatz im Fach- und Lebensmitteleinzelhandel meldet der Industrieverband Heimtierbedarf für 2016, hinzu kam noch eine gute halbe Milliarde Euro über den Onlinehandel. Europäischer Marktführer bei Heimtierbedarf ist die Fressnapf-Gruppe mit einem Jahresumsatz von zuletzt 1,184 Milliarden Euro alleine in Deutschland. Um die europaweit mehr als 1300 Märkte zu beliefern, unterhält das Unternehmen drei Logistikstandorte. "Wir arbeiten in der Transportlogistik mit verschiedenen Partnern. Rund 250 Spediteure führen für uns europaweit die Distribution durch", erklärt Andreas Reuther, Leiter Distributionslogistik Fressnapf-Logistik. Die Dienstleister übernehmen nicht nur die Auslieferung vom Lager an die Märkte, sondern in Teilen auch die Beschaffungslogistik. Dabei werde bedarfsorientiert beauftragt. "Auch der Heimtierbereich unterliegt gewissen saisonalen Schwankungen, etwa zu Weihnachten, wenn auch Katze und Hund beschenkt werden, oder im Frühjahr, wenn Produkte für den Außenbereich wie etwa Nagergehege oder Zubehör für Teiche gefragt sind", sagt Reuther. Die Auftragsvergabe wickelt Fressnapf nicht über offene Frachtenbörsen, sondern über die Plattform Transporeon ab. "Wir sichern die Qualität dahingehend ab, dass wir sowohl mit langfristigen Partnern arbeiten als auch mit Speditionen, die nur hin und wieder für uns fahren oder im Saisongeschäft aushelfen. Alle Partner, die mit uns arbeiten möchten, haben gemein, dass sie im Vorfeld vor Ort die Anforderungen unseres Geschäftes kennenlernen", sagt Reuther. So arbeitet der Verlader mit Speditionen zusammen, die drei Fahrzeuge haben, aber auch mit großen Netzwerkspeditionen wie DHL oder der IDS-Logistik. Im Schnitt werden für Fressnapf 150 Touren pro Tag gefahren. Wie behält man da den Überblick? "Wir arbeiten bislang mit Avisierung per Internet und Troubleshooting per Telefon, was in der Praxis zwar im Großen und Ganzen funktioniert, aber eine gewisse Fehleranfälligkeit mit sich bringt", räumt Reuther ein und führt eine erstaunliche Zahl ins Feld: "Wir führen im Jahr circa 14.000 Telefonate, nur um herauszubekommen, wo ein Lkw ist, wenn er nicht zum vereinbarten Zeitpunkt am vereinbarten Ort eintraf." Allerhöchste Zeit also, die Transportprozesse telematik- und/oder softwareunterstützt abzuwickeln. Eine fest installierte Telematiklösung schloss das Unternehmen aber rasch aus: "Bei uns laden die gleichen Lkw teilweise täglich, einmal die Woche, einmal im Monat oder einmal im Jahr. Wir können unsere Spediteure nicht dazu bewegen, nur für Fressnapf Hardware in ihren Lkw zu installieren", erklärt Reuther. Daher sei das Thema App naheliegend gewesen. "Die Angebote am Markt waren bislang jedoch sehr auf Track & Trace fokussiert, während unsere Anforderungen als Händler über die Verfolgung des Lkw weit hinausgehen", skizziert der Leiter Distributionslogistik die Bedürfnisse des Unternehmens. So sei Fressnapf gleichermaßen an der Verbesserung des Be- und Entladeprozesses interessiert. "Das betrifft vor allem die vielen unnötigen Wege, die ein Fahrer, der unsere Abläufe trotz Fahrerhandbuch nicht aus dem Effeff kennt, mitunter in unserem Lager zurücklegt, um Informationen zu erhalten oder abzugeben", betont Reuther. Frei konfigurierbare Workflows Zum Jahreswechsel hat sich Fressnapf für die Habbl-App aus dem Hause Eikona entschieden, die an allen drei Standorten Krefeld, Feuchtwangen und Neuburg am Inn eingeführt werden soll. Habbl hat sich auf die Fahnen geschrieben, Logistikdienstleistern, Verladern und Empfängern volle Transparenz entlang der gesamten Supply Chain zu bieten. Der Clou der Anwendung ist der modulare Aufbau: In einem Workflow-Designer können ohne Programmieraufwand alle möglichen Prozesse regelbasiert moduliert werden. "Wir haben die App bewusst so gestaltet, dass der Anwender sie selbst konfigurieren kann und nicht wegen kleinster Änderungen beim Entwickler Change Requests starten muss, die dann gegebenenfalls viel Geld kosten und deren Umsetzung lange dauern kann", erklärt Norbert Greier, Vertriebsleiter von Eikona. Dieser Ansatz hat auch Reuther überzeugt: "Die klassische Herangehensweise via Lastenheft war uns zu statisch", sagt Reuther. Da die Habbl-App auf einem frei konfigurierbaren Baukastenprinzip basiert, seien langwierige Entwicklungsprozesse weggefallen. "Wir können sehr schnell und unkompliziert auf Anforderungen unserer Spediteure reagieren, ohne auf Ressourcen angewiesen zu sein, die uns möglicherweise erst mittelfristig zur Verfügung stehen", sagt Reuther. Auch Lisa Petzold, Projektmitarbeiterin Fressnapf-Logistik, ist vom flexiblen Handling der App begeistert: "Egal, ob eine Kamerafunktion zum Fotografieren von Frachtpapieren, Informationsübermittlung an den Zolldienstleister per Knopfdruck oder die Konfiguration einer weiteren Sprache - solche Anpassungen sind ohne tief gehende IT-Kenntnisse innerhalb von einem Tag umsetzbar", berichtet die Projektmitarbeiterin. Nach einer kurzen Phase der Erstkonfiguration wurden denn auch im Frühjahr die ersten Apps bei technikaffinen Fahrern einiger Spediteure installiert, die für Fressnapf fahren. Die Entwicklung läuft während der Nutzung. "Wir sammeln derzeit das Feedback unserer Tester, um die Konfiguration weiter zu optimieren. Parallel organisieren wir Infoveranstaltungen für unsere Spediteure, um diese auf den neuen Prozess vorzubereiten", sagt Reuther. Zwölf Sprachen verfügbar Nicht zuletzt profitieren von dem Einsatz der App die Fahrer. "In Spitzenzeiten multiplizieren sich die Wartezeiten an unserer Abfertigung. Über Habbl können wir eine Art Online-Check-in nutzen, sodass der Fahrer, sobald ihm eine Tour zugewiesen wurde, ortsunabhängig und im Vorfeld seine Daten und die seines Fahrzeugs übermitteln kann", erklärt Reuther. Danach kann er bequem per Smartphone seine Abläufe abarbeiten und übermitteln. "Vom Check-in über die einzelnen Schritte des Beladevorgangs bis hin zur Abfahrt und zum Tourenverlauf - die App fasst die Kommunikation der Prozesse zusammen. Dank bestimmter Informationen, die wir von den Spediteuren einsammeln, etwa die verfügbare Anzahl der Palettenplätze auf dem Lkw, können wir unsererseits die Waren zur Verladung optimal vorbereiten", ergänzt Petzold. Das Checklistenprinzip der App, die aktuell in zwölf Sprachen konfiguriert wurde, liefert dem Fahrer gleichzeitig alle relevanten Bestimmungen für den Aufenthalt im Fressnapf-Lager. "Die App fungiert als lebendiges Handbuch", so die Projektmitarbeiterin. Der Verlader profitiert wiederum vom Wissen seiner Fahrer. So können diese innerhalb der App Anmerkungen zu ihrer Tour hinterlegen - beispielsweise Anfahrtsbesonderheiten bei den Märkten. "Da die Märkte von vielen wechselnden Fahrern angesteuert werden, wird die Wiederholung von Fehlern vermieden und alle Beteiligten profitieren von reibungsloseren Prozessen", freut sich Reuther. Prozessoptimierung deckt die Kosten Noch nicht ganz fertig ist die vollständige Implementierung der Estimated Time of Arrival ETA (geschätzte Ankunftszeit). "Die ETA ist momentan noch eine Information für unsere Disponenten. Um diese auch mittelfristig für die Märkte bereitzustellen, benötigen wir noch mehr Tests", erklärt Reuther. Momentan nutzt Fressnapf die Habbl-App nur bei der Auslieferung der Ware, Reuther zieht aber auch den Einsatz in der Beschaffungslogistik in Betracht. "Rein theoretisch muss die Nutzung der App nicht auf Logistikprozesse beschränkt bleiben. Habbl ist prinzipiell dafür ausgelegt, alle strukturierten Prozesse in einem Unternehmen abbilden zu können", betont Reuther. Das könne alles Mögliche betreffen, von der Reinigung bis zur Technik. Obwohl die beauftragte Spedition Eikona eine Gebühr von 1,20 Euro pro Tour zahlen muss, zeigt sich Reuther zuversichtlich, dass sich seine Dienstleister ebenso von der Habbl-App begeistern lassen wie er selbst. "Wir rechnen damit, dass die Prozessoptimierung durch die App diese Aufwände mindestens deckt", argumentiert der Fressnapf-Logistiker. Zwischenziel sei, im November 70 Prozent der Touren mit Habbl abzuwickeln. "Die Spediteure, die einen großen Teil der Ware für uns fahren, sind schon beim Test dabei", betont Reuther. Einer der Fahrer, die bereits mit Habbl arbeiten, ist Jürgen Hohenberger. Der Mitarbeiter der Spedition Rosner Logistik in Oelde zeigt sich jedenfalls sehr angetan: "Die App ist im besten Sinne einfach gestrickt. Sie ist unkompliziert zu bedienen. Mein Rat an das Projektteam: Haltet's einfach!" Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Apps & Internet www.verkehrsrundschau.de/dossiers Unternehmensporträt Fressnapf-Logistik Die Fressnapf-Gruppe betreibt in Deutschland drei Logistikzentren für die Belieferung der Märkte. Von der Unternehmenszentrale in Krefeld werden West- und Norddeutschland, Teile Frankreichs, Luxemburg, Dänemark, Polen und Irland beliefert. Das Logistikzentrum Feuchtwangen versorgt Fressnapf-Märkte in Süd- und Ostdeutschland, der Schweiz, Teile Italiens und seit August 2017 auch Teile Frankreichs. Der Kontraktlogistiker Brummer aus Neuburg am Inn kümmert sich um die Märkte in Österreich, Teilen Italiens und in Ungarn. Ein Fressnapf-Markt bestellt ein- bis zweimal wöchentlich Ware. Die Bestellungen setzen sich in der Regel aus zwei Teilen zusammen.Langsamdreher werden in einem automatisierten Kleinteilelager im Zentrallager in Krefeld gelagert und vorkommissioniert über Nacht nach Feuchtwangen und Neuburg am Inn geliefert. Dort werden sie dann mit den Schnelldrehern der Bestellung zusammengeführt. Stationärer Handel und E-Commerce werden getrennt beliefert, das Endkundengeschäft wird von einem Lager in Großzöberitz bei Leipzig abgewickelt. Im Schnitt werden für Fressnapf 150 Touren pro Tag gefahren. Fressnapf-Logistik beschäftigt rund 1000 Mitarbeiter, inklusive aller Märkte und Franchisepartner zählt Fressnapf insgesamt 10.000 Beschäftigte. Der europäische Marktführer im Heimtierbedarf hat rund 9000 Artikel in seinem Sortiment.mh

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