Stuttgart. Es ist noch stockfinster, als die ersten Parkschützer am Stuttgarter Hauptbahnhofs Sturm laufen. Um 03.34 Uhr an diesem Dienstag war der "Parkschützeralarm" rausgegangen. "Am Nordausgang gehen die Bauarbeiten los. Die Polizei ist bereits unterwegs", heißt es per E-Mail und SMS. Mehrere hundert Gegner des Milliardenprojekts Stuttgart 21 reisen an, um Flagge zu zeigen. Ein Großaufgebot von Polizisten steht ihnen gegenüber. Mit der Aktion wollen die Parkschützer das Verpflanzen von 16 Bäumen am Nordausgang verhindern, das die Bahn als ein Entgegenkommen wertet. Die Bäume müssen weg, weil sie den Bauarbeiten für ein unterirdisches Technikgebäude des geplanten Tunnelbahnhofs im Weg stehen.
Die Polizei spricht von 300 bis 500 Demonstranten, die Veranstalter von mehr als 1000. Als der Bauzaun erreichtet wird, gibt es Rangeleien. Baufahrzeuge werden behindert, die Polizei löst mehrfach Sitzblockaden auf. Einige Gegner bremsen einen Lastwagen aus, der Elemente für einen Bauzaun bringen will, und ketten sich an. Wenige Meter vor der Baustelle ist seine Fahrt zunächst beendet. Andere rütteln so heftig am Bauzaun, dass dieser zu kippen droht. Ein Baum wird besetzt, die Kreuzung blockiert. Viele Baufahrzeuge und Autos müssen umdrehen.
Immer wieder rufen die warm eingepackten Demonstranten "Mappus weg!" und fordern: "Die Bäume bleiben hier!" Die meisten von ihnen sind friedlich. "Wir haben keine Lust auf Krawalle", sagt etwa Sibylle Steinmaier (35). Solche Situationen seien ja für Demonstranten und Polizisten unangenehm. Nachdem gegen 5.45 Uhr der erste der 16 Bäume ausgegraben ist und gekippt wird, ertönt ein lautes "Schämt Euch!" Danach wird es allmählich leerer, weil viele zur Arbeit gehen. Gegen 7.00 Uhr bekommt der Protest dann fast karnevalistische Züge, als die Gegner schunkelnd "Wer soll das bezahlen" anstimmen.
Verpflanzungsaktion kostet rund 200.000 Euro
Die 16 Bäume sollen in den kommenden Tagen an andere Standorte in Stuttgart versetzt werden. Nach Angaben der Bahn kostet das Verpflanzen rund 200.000 Euro. Die Gegner des Bahnprojekts lehnen den Umzug der Bäume ab, da diese eine wichtige Funktion als Abgasfilter an einer vielbefahrenen Kreuzung hätten.
Trotz der zeitweise aufgeheizten Stimmung kommt es bei den Protesten zu keiner nennenswerten Eskalation. Ein Sprecher der Parkschützer berichtet anfangs zwar, die Polizisten hätten Schlagstöcke eingesetzt, korrigiert sich aber später: Er habe falsche Informationen gehabt. Die Polizei hatte seinen Behauptungen sofort widersprochen und den Parkschützern Übertreibung und Stimmungsmache vorgeworfen.
Bereits am Montagabend hatten mehrere tausend Menschen bei der traditionellen "Montagsdemo" für einen Baustopp des Milliardenprojekts Stuttgart 21 demonstriert. Der "Parkschützeralarm" am Dienstag war der erste große seit dem 30. September 2010. Damals wurden bei Auseinandersetzungen im Schlossgarten weit mehr als 100 Demonstranten und mehrere dutzend Polizisten verletzt. (dpa)