Profite stagnieren trotz steigender Umsätze

Jeder in Europa kennt die stramm rechtsnationale, europaskeptische und populistische Regierung von Ministerpräsident Viktor Orbán. Viele Kritiker sehen die freien Medien, die Unabhängigkeit der Gerichte und demokratische Normen in großer Gefahr. Was hat das jetzt mit der Wirtschaftsentwicklung und konkret mit dem Transport- und Logistiksektor zu tun? Erst einmal gar nicht so viel, denn die Konjunktur brummt seit dem großen Knall vor zehn Jahren vor sich hin und auch die Transportbranche kann sich nicht beklagen. Zumindest der Straßentransport erlebte beim Frachtvolumen laut Eurostat einen Zuwachs von über zehn Prozent innerhalb von zwei Jahren. Und laut Weltbank legte Ungarn beim weltweiten "Logistics Performance Index" in sechs Jahren um acht Ränge zu - auch wenn es zuletzt keinen Aufstieg mehr gab und die regionalen Konkurrenten Polen sowie Tschechien nach wie vor die Nase vorn haben. Immerhin kann man mit klassischen ungarischen Tugenden auftrumpfen: Bei Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Nachverfolgbarkeit der Lieferungen gibt die Weltbank den Magyaren besonders gute Noten. Fakt ist aber, dass unter den Machthabern staatliche, staatlich kontrollierte und Unternehmen, die gut mit der Regierung können, deutlich bessere Karten haben als andere. Audi und BMW präsent Doch auch ausländische Investoren geben sich nach wie vor die Klinke in die Hand, darunter Audi. Das Automobilunternehmen ist im westungarischen Györ seit Jahren erfolgreich tätig - und will dort im großen Stil Elektroautos produzieren. Vor einigen Wochen hat auch BMW den Bau eines Produktionswerkes in Debrecen für eine Milliarde Euro angekündigt - 1000 Mitarbeiter sollen eingestellt werden und jährlich 150.000 Benzin-, aber auch Elektrofahrzeuge vom Band laufen. Investitionen, die eine Vielzahl zusätzlicher Gütertransporte nach sich ziehen. Dirk Wölfer von der deutsch-ungarischen Industrie- und Handelskammer (AHK) sieht das als gutes Zeichen: "Die Frage, ob sich hier Investitionen für Spediteure anbieten, hängt davon ab, ob man Großkunden akquirieren kann, etwa deutsche Produzenten, insbesondere im Bereich Fahrzeugbau", sagt der Ungarn-Experte. Testareale für autonom fahrende E-Lkw Was viele überrascht: Ungarn setzt durchaus auf zukunftsweisende Verkehrsprojekte. In Zalaegerszeg westlich des Plattensees entstehen hochmoderne Testanlagen für die "Technologien der Zukunft", darunter elektrisch betriebene und autonom fahrende Lkw. Vielleicht nicht ganz zufällig stammt der amtierende Minister für Innovation und Technologie, László Palkovics, genau aus Zalaegerszeg. Wie die Verkehrs-Rundschau erfuhr, hat er seine Fühler auch schon nach Deutschland ausgestreckt und sich über das EHighway-Projekt von Siemens informiert. Er zeigte sich hochinteressiert an den Plänen, Lkw künftig auf Autobahnen an Oberleitungen angedockt fahren zu lassen. Den ungarischen Speditionen geht es derzeit noch gut - mit Einschränkungen. Branchenprimus Waberer´s hat momentan über 4300 Lkw im Einsatz. Innerhalb von fünf Jahren sollen es 10.000 werden, so Firmenchef Ferenc Lajkó. Allein in Polen will er 3000 Lkw in Bewegung halten. Allerdings stagnieren Waberer´s Profite trotz steigender Umsätze: Im ersten Halbjahr flossen 16 Prozent mehr in die Kassen (363,4 Mio. Euro), während der Nettogewinn praktisch auf null sank (0,1 Mio. Euro nach 9,2 Mio. Euro im Vorjahreszeitraum). Fürs ganze Jahr wurde eine Gewinnwarnung herausgegeben - jetzt wird ein leichter Rückgang bei zweistelligem Umsatzwachstum erwartet. Hauptgrund sind gestiegene Kosten, besonders beim Personal und beim Treibstoff. Immerhin teilt auch Waberer´s die ungarische Lust auf neue Technologien: Als erstes europäisches TSL-Unternehmen will man elektrische Lkw von Tesla im Langstreckentransport testen. Mittelfristig sind Investitionen nötig Ein wenig kleiner ist die im Jahr 1990 gegründete Trans-Sped mit 16 Niederlassungen im Land und fast 800 Mitarbeitern, 230 eigenen und 250 zu Subunternehmern .. gehörenden Lkw. Modernisierung wird auch hier großgeschrieben. Geschäftsführer Zsolt Fülöp: "Wir müssen die Bereiche IT, Robotisierung und Digitalisierung weiterentwickeln. Das erfordert Investitionen, aber mittelfristig wird es profitabel sein." Auch die Spedition Révész Group will im laufenden Jahr wachsen und nimmt 400 DAF-Lkw in Betrieb. Hier unterstützt der Staat: Premier Orbán erschien persönlich zur Eröffnung eines 52.000 Quadratmeter großen, umgerechnet rund 28 Millionen Euro teuren neuen Logistikzentrums von Révész. Die Regierung half nicht nur bei der Finanzierung, sondern Orbán bekannte patriotisch, ungarische Firmen stünden immer noch "unseren Herzen näher" als ausländische Unternehmen, die man allerdings auch brauche. Größtes Problem für Ungarn, wie für alle Länder Mittelosteuropas, ist der stark spürbare Mangel an Lkw-Fahrern, der sich von Monat zu Monat noch verschlimmert. Die Regierung hat das erkannt: Im Frühsommer wurde ein Programm aufgelegt, dass umgerechnet etwas über drei Millionen Euro auf den Tisch legt, um die Ausbildung von 1200 Lkw- und Busfahrern zu unterstützen. Fahrerausbildung wird gefördert Bereits seit Ende 2015 wird die BKF-Ausbildung subventioniert. Laut Ministerium wurden bisher 3600 Fahrer ausgebildet, die zu 94 Prozent von ungarischen Unternehmen eingestellt wurden - eine wichtige Tatsache im von Vaterlandsliebe geprägten Ungarn. Richtig viel verdienen kann man in der Branche allerdings nicht: Das Portal vg.hu schätzt, dass Fahrer in der Transportbranche dieses Jahr auf umgerechnet gut 700 Euro Durchschnittsgehalt kommen werden. Noch dazurechnen muss man Spesen und Boni, etwa Essens- und Übernachtungszulagen. Einige erreichen rund 1000 Euro - in etwa der Durchschnittslohn aller ungarischen Branchen. Solidarisch gegen das Mobilitätspaket Beim Kampf um das EU-Mobilitätspaket, das äußerst kritisch gesehen wird, tut sich Ungarn mit einigen Nachbarn zusammen, etwa mit den sogenannten Visegrád-Staaten Slowakei, Tschechien und Polen. Auch die Verbände der ungarischen, polnischen und bulgarischen Straßentransporteure gaben eine gemeinsame Erklärung heraus, in der sie vor den Folgen der EU-Pläne warnen. Neben dem Mindestlohn gibt es dabei weitere neuralgische Punkte. "Die Anforderung an Lkw-Fahrer, alle drei Wochen für eine verpflichtende Ruhepause nach Hause zurückkehren zu müssen, ist eine Verletzung des Rechts auf freie Bewegung innerhalb der EU", heißt es da. Die Unsicherheit ist also groß. Einstweilen lassen die Speditionen aber keine Nervosität aufblitzen. Die Auftragslage stimmt, das Straßennetz kann sich sehen lassen und Konkurrenz vom seit Jahren dahindümpelnden Schienentransport ist in absehbarer Zeit ohnehin nicht zu erwarten. Und Deutschland ist nach wie vor der wichtigste Wirtschaftspartner mit 27 Prozent Anteil am Außenhandel. Wären nicht die gestiegenen Kosten und der Personalmangel - es wäre fast zu schön. O+ Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Ungarn www.verkehrsrundschau.de/dossiers Die Serie Osteuropa Was kann das Transportgewerbe unserer osteuropäischen Nachbarn, wo gibt es Chancen und Risiken? Unsere Serie im Überblick- Teil 1: Polen (VR 31-32)- Teil 2: Tschechien (VR 33-34)- Teil 3: Ungarn (VR 35)- Teil 4: Bulgarien (VR 36)- Teil 5: Rumänien (VR 37)- Teil 6: Baltikum (VR 38) Chancen und Risiken in Ungarn Mehr Lkw-Transporte, aber Bezahlung der Fahrer bereitet SorgenChancen:- Gute Infrastruktur, alle Landesteile sind inzwischen per Autobahn zu erreichen- Konjunktur zieht weiter an, Transport & Logistik wichtige Branche, der politisch große Bedeutung gegeben wird- Straßentransport legt Jahr für Jahr zu, während der Schienentransport stagniert und die Binnenwasserwege zurückfallen. Seehäfen gibt es keineRisiken:- Wie überall in der Region Mittelosteuropa ist der Mangel an Fahrern eklatant - schnelle Lösungen sind hier nicht abzusehen, auch wenn die Regierung ein Programm zur Ausbildung von Fahrern finanziert- Auch die Transportwirtschaft ist in Ungarn immer mehr unter staatlichem Einfluss. Die Regierung sucht ständig nach Möglichkeiten, stärkere Kontrolle auszuüben. Wer sich damit arrangieren kann, erhält aber auch gute Unterstützung- Das EU-Mobilitätspaket bedroht aus ungarischer Sicht den Markt, besonders wegen Mindestlohn-Regelungen, vor allem in D und FR. Durch deutlich höhere Personalkosten für die Speditionen würde der einheimische Markt geschwächt und einer seiner größten Vorteile beraubtmk

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