Problemzone Rampe

Mit Zeitfenster-Managementsystemen hat Grieshaber Logistik zwiespältige Erfahrungen gemacht. "Auf dem Papier funktionieren solche Lösungen einwandfrei", sagt Gregor Schnell, Geschäftsführer des oberschwäbischen Speditionsunternehmens in Weingarten. Grund für seine Skepsis: "In der Praxis müssen viele Fahrer weiterhin warten, weil die Rampen von Fahrzeugen anderer Kollegen blockiert werden", berichtet er aus der Praxis. Wer sichergehen wolle, dass er Waren in den gebuchten Zeitfenstern tatsächlich be- und entladen kann, sollte diese möglichst kurzfristig belegen, rät Schnell. "Beim Buchungszeitpunkt sollte der Fahrer absehen, ob er tatsächlich pünktlich eintreffen wird." Wie Schnell denken viele Transport- und Speditionsunternehmer. Immer wieder machen sie die Erfahrung, dass ihre Fahrer trotz gebuchter Zeitfenster warten müssen, weil andere Lkw vorgezogen werden oder deren Ladeprozesse sich länger als erwartet hinziehen. Oft verspäten sich die Fahrer auch wegen Staus und müssen sich in Warteschlangen einreihen. Und wenn keine dringenden Be- und Entladetermine vorliegen, lassen sich manche Verlader Zeit, wenn in den Frachtverträgen Standgelder vereinbart wurden. Immerhin arbeiten vermehrt Warenversender und -empfänger mit den Systemen von Cargoclix, Inform, Transporeon und anderen Anbietern. Vor allem Firmen der Automobilbranche haben während der letzten Jahre in solche Lösungen investiert. Ein Beispiel ist der Zulieferer Dr. Schneider Unternehmensgruppe in Kronach. Seit vier Jahren arbeitet der Hersteller von Belüftungssystemen und anderen Innenraumkomponenten mit der Lkw-Zulaufsteuerung SynchroSupply des Aachener Softwarehauses Inform. Damit kann der Zulieferer nicht nur eintreffende Lkw regulieren, sondern auch ihre Bewegungen auf dem Werksgelände steuern. Jeden Werktag treffen hier bis zu 100 Lkw ein, die meisten kommen zwischen 11 und 13 Uhr. Vor allem wegen dieses Peaks hat Dr. Schneider ein Zeitfenster-Managementsystem eingeführt. "Pförtner und Verladelogistiker hingen dauernd am Telefon, wenn sie eine freie Ladestelle organisierten", erinnert sich Christopher Holzmann, Projektleiter Werklogistik. "Wir hatten keinen Überblick, wo sich welcher Lkw mit welcher Fracht auf dem Gelände befand." Jetzt erhält jeder Transportpartner bei der Buchung von Zeitfenstern eine Nummer. Mit dieser meldet sich der Fahrer nach der Ankunft auf dem Werksgelände bei der Pforte an und erhält eine Rampe zugewiesen. Wenn keine Ladestelle frei ist, wartet er auf einem Parkplatz und wird per SMS benachrichtigt. Beim Wareneingang hat das Unternehmen Dr. Schneider alle Abläufe digitalisiert, beim Warenausgang nimmt die Werkslogistik den Abruf vor. Weil der genaue Beladungszeitpunkt durch interne Prozesse jederzeit aufgehalten werden kann, will der Zulieferer diesen Prozess nicht vollständig automatisieren. Wie viele Automobil-Zulieferer muss auch Dr. Schneider den massiv gestiegenen Anforderungen an die Liefer- und Distributionslogistik der durchgetakteten Wertschöpfungsketten Rechnung tragen. Jedes Bauteil soll möglichst punktgenau abgeholt und zugestellt werden, auf längere Zwischenlagerungen möchte jeder Teilnehmer verzichten. Ohne eine Optimierung der Transportprozesse außerhalb und innerhalb der einzelnen Standorte ist dies nicht möglich. Allein deshalb kommt kaum eine Automobilfirma um ein Zeitfenster-Managementsystem herum. Allerdings wünschen OEM und Lieferanten Lösungen, die den ganzen Anlieferungs- und Abholprozess abbilden. Die Buchung eines Zeitfensters ist aber nur der erste Schritt. Während der Anfahrt sollen die Lkw mit GPS geortet und mögliche Verzögerungen frühzeitig ermittelt werden. Bei Ankunft der Lkw entscheidet das System, ob diese sofort abgefertigt werden oder auf einem Parkplatz warten müssen. Auf Basis von Fahrzeugstatus und Rampenauslastungen ermittelt die Software den optimalen Durchlauf und legt die genaue Reihenfolge für Be- bzw. Entladungen der wartenden Lkw fest. Wenn diese ihren Aufenthalt an der Ladestelle beendet haben, kann die Software abschließend ermitteln, ob freier Laderaum für weitere Ladungsprozesse genutzt werden kann. In den letzten Jahren haben die meisten Entwickler von Zeitfenster-Managementsystemen ihre Lösungen um neue Tools erweitert. "Wir streben eine Dynamisierung mit Echtzeitinformationen an", sagt Thomas Einsiedler, Chief Product Officer von Transporeon in Ulm. "Im Mittelpunkt steht die Ermittlung der 'Estimated Time of Arrival' (ETA), also der voraussichtlichen Ankunftszeit." Regelmäßige Statusmeldungen während der Tour sollen den Verlader über mögliche Verzögerungen von Anlieferungen und Abholungen informieren; über Verspätungen weiß er so schon früh Bescheid und kann Gegenmaßnahmen einleiten. Wartezeiten lassen sich nicht verhindern Die Transporeon-Experten räumen ein, dass solche Tools auch auf Initiative der Automobilindustrie entwickelt und mit branchenüblichen VDA-Schnittstellen realisiert wurden. Was Dr.-Schneider-Logistiker Holzmann bestätigt. "Wenn wir die ETA von verspäteten Lkw kennen, können wir andere Ladevorgänge vorziehen." Vor allem Stückguttransporteure, die nur einzelne Paletten abladen wollen, profitieren davon. Auch Cargoclix, Freiburg, hat sein Zeitfenster-Managementsystem Slot um ein Modul zur Ermittlung der ETA erweitert und arbeitet dabei mit dem Software-Unternehmen PTV und der Frachtenbörse TimoCom zusammen. PTV ist für die Berechnung der Verspätungen zuständig, TimoCom stellt Telematikdaten, die über Schnittstellen übermittelt wurden, zur Verfügung. Außerdem wirbt Cargoclix mit der "automatisierten Verkettung" von Zeitfensterbuchungen. "Wenn während einer Tour gleichzeitig mehrere Anlieferungsoder Abholungstermine gebucht werden, werden diese Vorgänge bei der Anmeldung an der Pforte automatisch auf den gleichen Zeitpunkt gesetzt", sagt Cargoclix-Gründer Victor Meier (siehe Kasten Seite 25). Gerade bei diesem Vorgang haben Automobilfirmen noch Wünsche offen. "Wir streben ein eigenständiges Check-in der Fahrer bei Ankunft auf dem Werksgelände an", sagt Holzmann. Die Pforte des Zulieferers würde so weiter entlastet. Grundsätzlich verhindern solche Lösungen Wartezeiten für viele Fahrer nicht - gerade in der Automobilindustrie. Das räumen die Entwickler von Zeitfenster-Managementsystemen ein. Was tun, wenn gleichzeitig Lkw eintreffen, die Komponenten mit unterschiedlicher Dringlichkeit anliefern? In solchen Fällen wird jedes System die Entladung von zeitunkritischen Sendungen auf die lange Bank schieben. Lösung muss im Alltag funktionieren "Unsere Lösung fängt nicht alles auf", sagt Zdravka Ley, Marketingleiterin von Inform. Die Lösungen des Unternehmens werden von BMW, Daimler, VW und anderen OEM eingesetzt. Den Schlüssel für die pünktliche Abfertigung von Anlieferungen und Abholungen habe jeder Anwender selbst in der Hand, meint Ley. "Die Planung der Liefertermine ist nur der erste Schritt auf dem Weg zur effizienten Hoflogistik. Die Anwender müssen sicherstellen, dass ihre Lösungen auch im Tagesgeschäft funktionieren." Mehr zum Thema im Dossier Automobillogistik www.verkehrsrundschau.de/dossiers In Kürze Immer wieder haben Lkw- Fahrer das Problem, ihre Waren termingerecht abzuliefern. Nach wie vor liegt das an den zum Teil unzumutbaren Zuständen an der Be- und Entladerampe vieler Industrie- und Handelsunternehmen. "Auch die Logistikdienstleister profitieren" Von Zeitfenster-Managementsystemen profitieren immer auch die Logistikdienstleister, versichert Victor Meier, Geschäftsführer des IT-Unternehmens Cargoclix in Freiburg. "Trotz des Ärgers über überhöhte Buchungsgebühren und starre Belegungsregeln wünscht sich kein Dienstleister die chaotischen Verhältnisse an der Rampe vor der Einführung zurück", fasst er eigene Umfragen zusammen.Allerdings räumt Meier Anwendungsfehler aller Art ein."Viele Verlader fallen mit ungünstigen Öffnungszeiten auf oder haben zu wenig Personal und Rampen", weiß er."Andere berechnen die Abfertigungsdauer falsch oder sorgen mit hohen Buchungspreisen für Ärger."Aber auch Spediteure und Frachtführer können laut Meier zur Entspannung beitragen:"Informieren Sie von sich aus die Rampenbetreiber über sich abzeichnende Verspätungen", empfiehlt er."Kalkulieren Sie selbst die voraussichtliche Ankunftszeit Ihres Lkw, also die ETA, wenn Ihr Geschäftspartner nicht über ein entsprechendes Tool verfügt." bot

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