Praxistest Stralis CNG

Praxistest Stralis CNG Die saubere, sparsame und leise Alternative Mit dem Stralis CNG präsentiert Iveco eine der ersten Serien-Zugmaschinen mit Gasmotor. Ob sich der alternative Kraftstoff rechnet und wie sich der Fahrer umstellen muss, zeigt der VR-Praxistest. Beim Thema Gasmotor im LKW ist Deutschland Entwicklungsland. Während beispielsweise unsere niederländischen Nachbarn Konzepte eines Biogas-Kreislaufs für Verteilerverkehre realisieren und in Spanien schon über 2500 CNG-Laster laufen – davon viele Iveco –, gehört hierzulande ein LKW an der Gaszapfsäule zu den Exoten. Stralis CNG – tausendfach bewährt Das soll sich künftig ändern. Der Econic CNG von Mercedes-Benz bekommt jetzt Konkurrenz vom Stralis CNG. Um die Wirtschaftlichkeit des Gas-Iveco und dessen Praxistauglichkeit zu testen, fuhr die VerkehrsRundschau eine Verteilerkombination mit einachsigem City-Sattel auf einer gemischten Runde mit Autobahnanfahrt, Landstraßenzubringer und anschließender Distribution in der Stadt. Erster Eindruck: Vom „exotischen“ Kraftstoff ist kaum etwas wahrzunehmen! Sehr leise verrichtet der Sechszylinder auf Basis des Cursor 8 seine Arbeit. Typisch für das Ottoprinzip ist, dass es beim Anfahren ein wenig an Kraft fehlt. Um den Motor beim Ampelstart nicht abzuwürgen, sollte der Fahrer etwas mehr Gas geben. ➞ Das Laufgeräusch des CNG-Triebwerks hört sich turbinenartig an und so läuft auch der Motor. Er dreht leichtfüßig hoch, nähert sich beim Beschleunigen zügig der 2000er-Marke und hat so kaum Schwierigkeiten, den auf gut 20 Tonnen ausgeladenen Zug ausreichend flott zu bewegen. Schaltgetriebe statt Automatik Beim Test-LKW weicht Iveco ein Dogma auf, das bislang lautete: An einen Gasmotor gehört ein Automatikgetriebe von Allison. Stattdessen sorgt ein manuelles ZF-Getriebe für Kraftschluss. Der Sprung von 6 auf 16 Gänge bringt nicht nur Positives – hat aber mehr Vor- als Nachteile. Die Drehmomentüberhöhung des Automaten hat zwar Vorteile beim Beschleunigen und der Fahrer muss sich keine Sorgen um zu wenig Anfahrgas machen. Andererseits verraucht im Wandler viel Leistung. So ist der Anzug mit manueller Schaltung nach Überwinden der leichten Anfahrschwäche gut. Und für die verschiedenen Lastprofile im täglichen Einsatz steht auf jeden Fall immer mindestens ein passender Gang zur Verfügung. Trotzdem wünscht man sich einen Kompromiss. Eine AS-Tronic mit 12 Gängen vielleicht wird vorerst leider nicht kommen, weil es nach Aussage der Iveco-Entwickler fast unmöglich ist, schnelle Drehzahlanpassungen für minimale Schaltzeiten beim trägen Gasmotor zu realisieren. Eventuell ein leichtes Neungang-Getriebe? Das hätte ZF im Programm. Ausreichend Fahrstufen, mehr Nutzlast und ein günstigerer Preis sollten gute Argumente sein. Schon jetzt erfüllt der CNG-Sechszylinder die strenge EEV-Norm und hat auch mit Euro 6 keine Probleme. Diese Stärke dürfte ihm im kostensensiblen Verteiler-Segment ab 2013 hohen Zuspruch bescheren. Denn die kleinen Euro-6-Diesel werden künftig mit all ihrer Abgasnachbehandlung sehr teuer werden. Neben den sauberen Abgasen spricht auch noch der niedrige Kraftstoffverbrauch für den mit Erdgas betriebenen Cursor 8. Im typischen Verteilereinsatz genehmigt sich das 270 PS starke Triebwerk bei mittlerer Auslastung knapp 21,4 Kilo Gas pro 100 km. Ein im Vergleich herangezogener Diesel-Stralis kommt auf gut 24 Liter. Angesichts von 90 Cent fürs Kilo Gas gegenüber 1,20 beim Diesel schlägt der CNG den Selbstzünder klar – mit 9,50 Euro weniger Kraftstoffkosten pro 100 Kilometer. Relativierend kann man dem Diesel allenfalls zugutehalten, dass er sich etwas souveräner bewegt. Zwar weist das Datenblatt des CNG (eher bescheidene) 1100 Nm schon ab 1000 Touren aus. Faktisch rührt sich aber beim Gastriebwerk unter 1300 Umdrehungen nicht viel. Der Fahrer ist also fleißig mit Schaltarbeit beschäftigt, um seinen Zug flott zu bewegen. Und eine Scheu, den Vierventiler auch mal bis 2000/min zu drehen, sollte er ebenfalls nicht haben. Doch einmal auf Touren rollt der Sattel gut und das hohe Drehzahlniveau macht sich weder bei der Geräuschentwicklung noch beim Verbrauch negativ bemerkbar. Der erste Gesamteindruck ist also positiv. Entsprechend hat sich Iveco noch einiges vorgenommen mit dem CNG-Stralis. Im nächsten Schritt soll eine 330-PS-Version auf Basis des in den Startlöchern stehenden Cursor 9 kommen. Problem ist dabei weniger die Leistungserhöhung. Vielmehr muss man die bei der Verbrennung von Gas höhere Temperatur motorunschädlich in den Griff bekommen. Das Problem des im Test-LKW installierten und sehr träge reagierenden Retarders möchten die Ulmer Ingenieure über eine stärkere Motorbremse lösen – übrigens verzichtet das Testfahrzeug komplett auf diese Art Verzögerungssystem. Auch im Falle einer Auspuffklappenbremse heißt das Ziel: mehr Temperaturbeständigkeit. Für künftige Anwendungen – Iveco denkt an Vierachszüge mit bis zu 38 Tonnen Gesamtgewicht –, erweist sich die bei vielen Kunden beliebte Allison-Automatik erneut als ungeeignet. Die Amerikaner limitieren ihr Getriebe auf 27 Tonnen. Ergo laufen zur Zeit ebenfalls Erprobungen mit manueller ZF-Zahnradbox und 40 Tonnen Zuggesamtgewicht. Einfach tanken – ohne Dieselgeruch Unterm Strich macht der Stralis eine gute Figur und hat sich nicht nur im VR-Test, sondern auch in der Praxis (siehe Kasten unten) bestens bewährt. Ein paar kleine Mankos gibt es noch, die sich aber sicher beseitigen lassen. Etwa das laute, explosionsartige Plopp-Geräusch in der Kabine, wenn das Wastegate-Ventil des Turbos beim Schalten oder Gaswegnehmen abbläst. Man realisiert es umso mehr, als der Stralis sonst leise ist wie ein Oberklasse-PKW. Auch für die Fahrer bedeutet der Umstieg auf den alternativen Kraftstoff letztlich keine große Umgewöhnung. An die etwas andere Motorcharakteristik hat man sich schnell gewöhnt. Und dass man an der CNG-Zapfsäule nie mehr nach Diesel riecht, ist sicher auch kein Nachteil. ❙❚■ Gerhard Grünig Der CNG-Motor im Stralis leistet 270 PS. Der Testzug zeigt eine Verteilerlösung, für die eine Gaszugmaschine prädestiniert scheint Gastanken ist sauberer als Dieseltanken Der Fahrer muss sich kaum umstellen. Der Stralis zeigt sich, mit Ausnahme der fehlenden Motorbremse und einiger Verbrauchsdaten, serienmäßig Der nach dem Otto-Prinzip arbeitende Gasmotor mit maximal 1100 Nm basiert auf dem Cursor 8 In acht Gasflaschen lagern 600 Liter CNG Praxistest Stralis CNG Praxistest Stralis CNG Erst der Test – dann die Indienststellung von fünf CNG-Stralis Als einer der ersten Anwender hat sich der Distributions-Spezialist Meyer Logistik für den Stralis CNG entschieden. Was anfangs als Flottentest geplant war, hat sich inzwischen zur wirtschaftlichen Alternative entwickelt – Meyer hat alle fünf Fahrzeuge (vier 4x2-Sattelzugmaschinen sowie einen 6x2-Solo-LKW) nach einem rund einjährigen Test gekauft und in den Fuhrpark integriert. Dazu Fuhrparkleiter Detlef Fürst: „Unsere Erfahrungen mit den Erdgasfahrzeugen waren durch die Bank positiv. Wir setzen die Zugmaschinen im Verteilerverkehr in Berlin ein. Mit 250 bis 300 Kilometer Reichweite klappt das gut. Der Solo-LKW fährt auch auf größeren Relationen. Der Fahrer hat eine geeignete Tankstelle auf der Strecke. Damit ist auch dieser Einsatz problemlos.“ Mit der Leistung des Gasmotors ist Fürst soweit zufrieden. Bei maximal 26 Tonnen Gesamtgewicht wären 270 PS ausreichend. Mit den Fahrern und deren Akzeptanz gab‘s keine Probleme, meint Fürst: „Der CNG ist im Vergleich zum Dieselmotor beim Anfahren etwas träge. Daran muss sich der Fahrer gewöhnen. Wenn der LKW aber rollt, gibt es kaum Unterschiede zum Diesel.“ Als positive Rückmeldung erhält Fürst von seinen Chauffeuren, dass der CNG-Motor angenehm leise läuft und das Tanken einfacher und vor allem sauberer als beim Nachfüllen von Diesel geht. Stichwort Verbrauch: Fürst hat den Gaskonsum seiner fünf Fahrzeuge akribisch notiert und mit dem Dieselverbrauch ähnlicher Fahrzeuge im gleichen Einsatz verglichen. Dabei schneiden die CNG-LKW viel besser ab. Einsatzabhängig sind Einsparungen um 20 Prozent festzustellen. Damit liegen die Betriebskosten deutlich unter denen konventioneller Fahrzeuge. Selbst bei einem höheren Einstandspreis amortisiert sich der CNG-Einsatz nach verhältnismäßig kurzer Zeit. „Und das wird noch besser, wenn Euro 6 kommt und die Diesel-LKW deutlich teurer und schwerer werden. Und Euro 6 schafft der CNG theoretisch schon heute.“ gg Den 6x2 setzt Meyer auf der Langstrecke ein, die Sattelzüge laufen in Berlin im Verteilereinsatz Erdgasfahrzeuge im praxiseinsatz Iveco Cursor 8 F2G; wassergek. Sechszylinder-Reihenmotor, Otto-Prinzip, Singleturbo, LLK; Bohrung x Hub (mm): 115 x 125; Hubraum (l): 7,79; sequenzielle Multipoint-Einspritzung; Leistung PS (kW): 270 (200) bei 1730-2000/min; max. Drehmoment (Nm): 1100 bei 1100-1735/min; EEV/3-Wege-Kat/Lambdareg. Ecosplit ZF 16 S 1620 TD, man. 16-Ganggetriebe (Range-/Splitgruppe); Spreizung: 16,41-1,00; hydromechanisch bet. Kupplung: ZF Sachs MFZ 430 HA: Hypoidachse; Übersetzung: i=3,70; Vierbalg-Luftfederung, Stabilisator; VA: Faustachse; Einblatt-Parabelfederung mit Drehstabstabilisator Zweikreis-Druckluftbremsanlage, innenbelüftete Scheibenbremsen; keine Motorbremse; ZF-Intarder Radstand (mm): 3800; Gewicht (Testfahrzeug): 6785 kg; Gasvolumen: vier Tanks à 70 l und vier Tanks à 80 l (ges.: ca. 100 kg CNG); Testgewicht: 21.000 kg Auf gemischter Verteilerrunde (40% BAB, 40% Landstraße, 20% Stadt): 21,38 kg/100 km Noch kein offizieller Listenpreis festgelegt niedrige Kraftstoffkosten, sehr leise eingeschränkte Leistung, keine wirkungsvolle Motorbremse, kein optimales Getriebe Technische Daten

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