Post aus Memphis

Die EU-Kommission erwartet in den nächsten Tagen Post aus Memphis. Der dort ansässige Express- und Logistik-Konzern FedEx will für 4,4 Milliarden Euro seinen Konkurrenten TNT Express übernehmen. Mit dem größten TNT-Aktionär, der holländischen Post, sind sich die Manager aus Memphis schon einig geworden. Sie ist bereit, ihr 15-Prozent-Paket zu verkaufen. Für die übrigen Anteile bietet FedEx 8 Euro pro Aktie, ein Drittel mehr, als das Papier noch vor Ostern wert war. TNT-Chef Tex Gunning sieht keine Probleme, die Transaktion, wie geplant, bis Anfang 2016 abzuschließen: "Wir haben mit mehreren großen Aktionären gesprochen und dabei viel Zuspruch erhalten." Auch UPS wollte TNT schlucken Verhindern könnte das nur noch die EU-Kommission. Sie muss die Übernahme genehmigen. Das halten viele für eine Formsache, es könnte aber auch anders kommen. Einen ersten Versuch, TNT zu übernehmen, haben die Wettbewerbshüter in Brüssel vor zwei Jahren vereitelt. Damals wollte der amerikanische Paketkonzern UPS die Holländer schlucken. Die Kommission lehnte diesen Plan nach eingehender Prüfung ab, weil UPS und TNT nach ihrer Fusion in 15 Mitgliedstaaten kaum noch Konkurrenz gehabt hätten. Die Bereitschaft von UPS, Tochtergesellschaften von TNT zu verkaufen, konnte den Deal nicht retten, weil es keine Käufer für sie gab. Experten der Branche gehen davon aus, dass FedEx wesentlich größere Chancen hat, Gnade vor den Augen der europäischen Wettbewerbskontrolleure zu finden. Denn der Marktanteil von FedEx in den meisten EU-Staaten ist nur gering. Entscheidend für den Ausgang des Verfahrens in Brüssel wird sein, welche Märkte sich die Kommission ansieht. Das rein nationale Expressgeschäft ist etwas anderes als das grenzüberschreitende, beide sind aber nicht klar voneinander zu trennen. Insgesamt sind die Amerikaner nur mit rund 10 Prozent am europäischen Expressmarkt beteiligt. Zusammen mit TNT wären es gut 20 Prozent. Beim nationalen Geschäft in einzelnen Mitgliedstaaten wäre der Marktanteil des neuen Anbieters noch geringer, weil ein großer Teil der Express- und Kurierdienste von lokalen oder regionalen Anbietern erbracht werden. Sollte es Wettbewerbsprobleme in einzelnen Teilbereichen geben, könnte FedEx der Kommission durch den Verkauf einzelner Beteiligungen entgegenkommen. Ein anderes Problem, an dem die Fusion von UPS und TNT gescheitert ist, kann nicht so leicht ausgeräumt werden. Auf dem europäischen Markt für internationale Express-Paketdienste gibt es nach Ansicht der Kommission nur vier "Integratoren", die über ein "international integriertes Paketzustellnetz im Luft- und Landverkehr" verfügen: DHL, UPS, TNT und FedEx. Die anderen, insbesondere die nationalen Postdienste, wickeln ihre Transporte nur über die Straße ab und erreichen nicht den gleichen Qualitätsstandard (Geschwindigkeit, Pünktlichkeit). Sie üben auf die großen Vier deswegen keinen Wettbewerbsdruck aus. Die Kommission hatte den Zusammenschluss zwischen UPS und TNT auch deswegen verboten, weil die Zahl der "Integratoren" dadurch von vier auf drei zurückgegangen wäre. Allerdings wäre das "integrierte Netz" von FedEx und TNT wesentlich kleiner als das von UPS und TNT gewesen. Bei FedEx hat man das Problem auch schon erkannt und angekündigt, die Fracht-Airline TNT Airways zu verkaufen. Das gibt einen Pluspunkt bei der Prüfung der Fusion durch die EU-Kommission. Es ergibt aber auch betriebswirtschaftlich Sinn, die Flugzeuge von TNT zu verkaufen. Denn FedEx hat selbst ungenutzte Kapazitäten bei der Luftfracht. TNT kann dagegen mit seiner Lkw-Flotte mehr Transporte abwickeln, als seine Manager akquirieren können. Beide Firmen ergänzen sich auch in anderen Bereichen: FedEx ist stark in Amerika, wo TNT kaum präsent ist. FedEx macht Gewinne, deren Kaufkraft durch den Verfall des Euro verstärkt wird, TNT schreibt rote Zahlen. FedEx hat die einmalige Chance, in Europa in die gleiche Liga wie die Marktführer DHL (Deutsche Post) und UPS aufzusteigen. Dafür müssen viele Rechnungen der Manager in den USA und den Niederlanden aufgehen. Sie setzen darauf, dass FedEx mit seiner Marktmacht für eine bessere Auslastung der Kapazitäten auch von TNT sorgt. Niedrigere Kosten für das Paketgeschäft seien die größte Chance der Fusion, sagt FedEx-Finanzchef Alan Graf: "Ich bin zuversichtlich, dass wir Kostenvorteile in allen Bereichen erzielen." Gute Möglichkeiten dafür bieten die großen Hubs, über die beide Unternehmen verfügen. Der wichtigste Umschlagplatz für TNT ist der Flughafen von Lüttich. Das weitgehend automatisierte Verteil-Zentrum könnte wesentlich mehr Sendungen abwickeln, was zu niedrigeren Stückkosten führen würde. Ob der fusionierte Konzern das notwendige Wachstum realisieren könne, sei "eine spannende Frage", sagt der Vorsitzende des Bundesverbandes Kurier-Express-Postdienste (BDKep), Andreas Schumann. In Deutschland sei TNT vor allem stark im Firmengeschäft (B2B). Das größte Wachstumspotenzial habe jedoch das Geschäft mit Privatkunden (B2C), in dem in den nächsten zehn Jahren eine Verdoppelung der Umsätze erwartet werde. Das Express-Geschäft werde immer schwieriger, weil vergleichbare Standards inzwischen auch von normalen Paketdiensten erreicht würden. USA: FedEx macht UPS Konkurrenz Zuversichtlicher ist Horst Manner-Romberg von der Unternehmensberatung MRU, der in der B2C-Schwäche des fusionierten Konzerns kein Problem sieht. Zusammen mit FedEx könne TNT seine Stärken im B2B-Geschäft besser ausspielen, weil sich die TNT-Kunden für den internationalen Versand keinen anderen Anbieter suchen müssten. FedEx erreiche wichtige Kunden von TNT wie die Autoindustrie und könne auf dem US-Markt mit UPS gleichziehen. In Memphis spekuliert man außerdem auf zwei Entwicklungen, die nicht gesichert sind: das Anziehen der Konjunktur und den Abschluss eines transatlantischen Freihandelsabkommens (TTIP). Von beiden würde ein fusionierter Konzern aus FedEx und TNT profitieren. Das setzt allerdings auch zusätzliche Investitionen voraus. In dieser Phase sieht die Deutsche Post ihre Chance. Die Fusionsverhandlungen und das Zusammenwachsen der beiden Konkurrenten böten DHL zumindest vorübergehend "neue Möglichkeiten", sagt Konzernchef Frank Appel. Langfristig könnte der Post allerdings ein gefährlicher Wettbewerber auf einem ihrer lukrativsten Märkte heranwachsen. Fast 1,3 Milliarden Euro verdiente die Post im letzten Jahr mit dem Expressgeschäft. Die Umsatzrendite von mehr als zehn Prozent könnte unter Druck geraten, wenn sich FedEx und TNT in ein paar Jahren zusammengerauft haben. -- An der Spitze von TNT TNT-CEO Luis Willem Gunning Luis Willem "Tex" Gunning (64) steht seit zwei Jahren an der Spitze von TNT Express. Er übernahm das Kurierunternehmen nach der missglückten Übernahme durch UPS, konnte es aber nicht wieder in die Gewinnzone zurückführen. Vor seiner Karriere bei TNT saß Gunning im Vorstand des Chemiekonzerns AkzoNobel. Seit 2010 ist Gunning außerdem Mitglied im Aufsichtsrat von TNT. tw Der Kopf von Fedex FedEx-Chef Frederick Smith Der Selfmademan Frederick Wallace Smith, Jahrgang 1944, gründete seine Transportfirma Fedex 1971, nachdem er aus dem Vietnamkrieg zurückgekehrt war. Sein Startkapital bestand aus 11 Millionen US-Dollar aus dem väterlichen Erbe und seinen in Vietnam erworbenen Kenntnissen der militärischen Logistik. Smith steht seit der Gründung an der Spitze des Unternehmens und gilt in den USA als Unternehmerlegende. tw

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