Nicht in die Röhre gucken

Gerade in Nordrhein-Westfalen, wo sich traditionell viele Stahlwerke und -speditionen befinden, klagen viele Logistiker über die marode Infrastruktur - und die zahlreichen Baustellen, in denen ihre Fahrzeuge staubedingt viel Zeit verlieren. Während das Tempo auf den Straßen zu wünschen übrig lässt, ist im Stahlmarkt gerade vieles in Bewegung. Die Nachfrage nach Stahl zumindest in Deutschland ist hoch. Doch die Abkühlung der Konjunktur und nicht zuletzt der drohende Handelskrieg könnten dazu führen, dass Stahl und damit auch Transporte nicht mehr so gefragt sind. Hinzu kommen die Konzentration in der Stahlindustrie, der Fahrermangel und die Auswahl des passenden Verkehrsträgers, die die Stahllogistiker beschäftigen. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Stahllogistik www.verkehrsrundschau.de/dossiers Stahlkonjunktur In der Sandwich-SituationNoch machen sich die Strafzölle auf Stahl, die die USA erhoben haben, nicht in der Produktion der Stahlwerke bemerkbar. Zumindest geht das aus den Zahlen hervor, die die Worldsteel Association veröffentlicht hat. Demnach ist die weltweite Stahlproduktion im Mai 2018 um 6,6 Prozent gestiegen im Vergleich zum Vorjahresmonat. In den ersten fünf Monaten steht ein Wachstum von 4,4 Prozent zu Buche.Nicht ganz so gut ist es für den deutschen Stahlmarkt gelaufen. Im Mai betrug das Wachstum gerade einmal 0,4 Prozent im Vergleich zum Mai 2017. Für die ersten fünf Monate kletterte die Produktion gemessen in Tonnen laut den Experten der Worldsteel Association immerhin um 2,6 Prozent.Doch insgesamt ist die Lage der europäischen Stahlindustrie derzeit schwierig. Die Unternehmen haben mit der chinesischen Billigkonkurrenz, fallenden Preisen und steigenden Kosten für Energie und Rohstoffe zu kämpfen. Erschwerend kommt hinzu, dass weltweit hohe Überkapazitäten bestehen. Nach Aussage von Roland Döhrn, Professor am RWI-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen, befindet sich die Stahlindustrie in einer "Sandwich-Situation" zwischen marktmächtigen Rohstofflieferanten und Stahlabnehmern, die zu dem Preisdruck und damit zu der Margenschwäche führen. Der Wissenschaftler beobachtet eine rückläufige Stahlintensität der Wirtschaft: das Wachstum der Stahlproduktion hält mit dem Wirtschaftswachstum eines Landes nicht stand. Deshalb habe es seit jeher viele Fusionen und Übernahmen gegeben. Beispiele sind Arcelor Mittal, der weltgrößte Stahlkonzern, sowie jüngst die Fusion von Thyssenkrupp Steel und Tata Steel (siehe Kasten Seite 22). cd Die Folgen der Strafzölle EU schlägt Schutzklauselnfür den europäischen Stahlmarkt vor Anfangs reagierten die deutsche Politik und auch die Wirtschaftsexperten noch relativ gelassen auf die Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, auf Stahl aus Europa Strafzölle zu erheben. "Die Zölle sind zwar ärgerlich, sie bedeuten aber keine wirkliche Bedrohung für die Branche", sagte der Leiter des Ifo-Zentrums für Außenwirtschaft, Gabriel Felbermayr, noch im März im Interview mit der Verkehrs-Rundschau (siehe VR 12/2018, Seite 8).Damals ging es jedoch nur um Zölle auf europäischen Stahl, und diese Abwehrmaßnahmen betrafen nur bestimmte Stahlsorten. Doch jetzt ist eingetreten, was auch Felbermayr damals als die eigentliche Gefahr sah und als einen"fast teuflisch zu bezeichnenden Plan" beschrieb: dass auch andere Staaten ihre Zölle anheben. Trump hat einen Handelskonflikt mit China angefacht. Anfang Juli 2018 hat er angekündigt, für weitere Produkte im Wert von 200 Milliarden US-Dollar zusätzliche Zölle von zehn Prozent zu erheben, darunter erneut auch für Stahl und Aluminium, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Auch Kanada hat mittlerweile reagiert und als Gegenmaßnahme höhere Zölle auf US-Stahl und -Aluminium beschlossen.In Deutschland zeigen sich die Betroffenen nicht mehr so gelassen wie Felbermayr."Diese Strafzölle bedrohen uns gewaltig", sagte Tobias Aldenhoff, Leiter Außenhandelspolitik bei der Wirtschaftsvereinigung Stahl, auf dem Branchenforum Stahllogistik Mitte April in Dortmund. Denn betroffen von den Strafzöllen sind neben den Stahlkochern in China auch jene in Indien, Russland und der Türkei, die zu den größten Produzenten zählen (siehe Grafik Seite 21)."Dieser Stahl vagabundiert nun auf den Weltmärkten herum", sagte der Stahlexperte. Und mit diesem preisgünstigen Stahl müssen die deutschen Anbieter konkurrieren. Die EU-Kommission hat aufgrund der Umlenkungseffekte Anfang Juli vorläufige Schutzklauselmaßnahmen vorgeschlagen. Der Importdruck auf den Stahlmarkt der EU ist in den ersten vier Monaten 2018 laut der Wirtschaftsvereinigung Stahl deutlich gestiegen und liegt auf das Jahr hochgerechnet bei 47 Millionen Tonnen. Damit drohe der historisch hohe Import des Vorjahres von Stahlprodukten um 16 Prozent deutlich überschritten zu werden. Nach den Vorschlägen der EU sollen Zölle nur greifen, wenn die gewöhnlichen Importmengen überschritten werden. Ungemach könnte auf die Stahlbranche aber auch zukommen, weil Trump mittlerweile damit droht, auch für Autos Zölle zu erheben. Das könnte dann zu Absatzverlusten bei deutschen Automobilbauern führen mit der Folge, dass Daimler & Co. weniger Stahl für ihre Produktion benötigen. cd

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