Monster-Truck oder Öko-Laster?

Die Allianz pro Schiene heizt den Streit um den Lang-Lkw neu an. "Die Behauptung, dass der Riesen-Lkw ein Beitrag zum Umweltschutz im Güterverkehr sein könne, ist widerlegt", war sich Verbandsgeschäftsführer Dirk Flege sicher. Er präsentierte eine Studie seines Vorstandskollegen Herbert Sonntag, der zufolge sich bei einer Zulassung von überlangen Lastkraftwagen deren Zahl auf Deutschlands Straßen noch einmal deutlich erhöhen würde. Durch die Zulassung von "Riesen-Lkw" und der damit einhergehenden Nachfrage nach dem neuen Transportmittel würden 7,6 Prozent des Schienengüterverkehrs auf die Straße verlagert, betonte Sonntag, Verkehrswissenschaftler an der Technischen Hochschule Wildau. Dies bedeute eine Zusatzbelastung von mehr als 7000 täglichen Lkw-Fahrten auf der Straße. Sonntag machte insbesondere auf den indirekten Preiseffekt aufmerksam, durch den Güterzüge in den unwirtschaftlichen Bereich gerieten. Da der Lang-Lkw Transporte finanziell günstiger anbieten könne als die Schiene, würden manche Züge unter "eine kritische Auslastungsschwelle" fallen - mit der Folge, dass Züge eingestellt und sich Transporte nicht nur auf verbleibende Züge, sondern auch auf die Straße verlagerten. "Die Hoffnung vieler Politiker, durch den Einsatz von längeren Lkw die Zahl der Lastwagen auf den Straßen zu vermindern, wird sich nicht erfüllen". Falscher Lang-Lkw parkte in Berlin Doch im Kampf gegen den "Gigaliner" beließ es die Allianz pro Schiene nicht bei einem wissenschaftlichem Gutachten, die im Berliner Regierungsviertel eher selten für Aufregung sorgen. 24 Stunden später protestierte die Allianz mit Verbänden vor dem Brandenburger Tor gegen die flächendeckende Zulassung von rund 25,25 Meter langen Lkw. "Wir präsentieren das Ungetüm zum Anfassen", hieß es in der Pressemitteilung des Schienenverbandes. Kleiner Schönheitsfehler: Der "Monster-Truck" war ein normaler Lkw mit einem dahinter gestellten Anhänger. Wichtige Sicherheitseinrichtungen wie Kameras waren nicht zu sehen. Aus der Allianz hieß es dazu, Lang-Lkw seien in Berlin nicht zugelassen. Deshalb habe man sich mit einem normalen Sattelzug mit Anhänger beholfen. Immerhin war es Flege gelungen, Martin Burkert, den Vorsitzenden des Bundestagsverkehrsausschusses, für eine Teilnahme an der Demonstration zu gewinnen. "Wir wollen, dass mehr Güter auf die Schiene kommen. Der Lang-Lkw bewirkt das Gegenteil", sagte der überzeugte Bahnanhänger. Die zusätzliche Beanspruchung von heute schon überlasteten Brücken und Straßen sei höchst problematisch, sagte der SPD-Politiker gegenüber der VerkehrsRundschau. Ein steigendes Sicherheitsrisiko im Straßenverkehr müsse vermieden werden. Etwas diplomatischer formuliert es Burkerts Parteifreund Sören Bartol. "Wer über eine Zulassung des Lang-Lkw in Deutschland nachdenkt, muss gleichzeitig auch für eine Stärkung des Schienengüterverkehrs sorgen". Dobrindt will den Regelbetrieb Der Koalitionspartner CDU/CSU gab sich unbeeindruckt von Gutachten und Demonstration. Bislang laufe der Feldversuch "sehr erfolgreich", stellte das Bundesverkehrsministerium fest. Zwei Lang-Lkw könnten drei reguläre Lkw ersetzen. Das spare bis zu 25 Prozent Sprit und entlaste die Straße wie Umwelt. "Verlagerungseffekte von der Schiene auf die Straße sind nicht eingetreten". Ressortchef Alexander Dobrindt (CSU) hatte Ende Juli bei der Ausweitung des noch bis Ende 2016 laufenden Probebetriebs klar Position bezogen. "Mein Ziel ist es, nach Abschluss des Feldversuchs mit den Lang-Lkw in den Regelbetrieb zu gehen". Was wiederum die Allianz pro Schiene verärgert hatte, da der Feldversuch noch nicht abgeschlossen ist. Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer verwies auf "massive Sicherheitsprobleme der Monster-Lkw" in Kreisverkehren oder an engen Kreuzungen. Der Linken-Verkehrspolitiker Herbert Behrens sagte: "Schwerer Güterverkehr gehört auf die Schiene oder Binnenschiffe". In der SPD und auch bei den Grünen gibt es aber unterschiedliche Einschätzungen des Lang-Lkw. So hat die grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg auf Drängen der heimischen Autoindustrie drei Autobahnabschnitte freigegeben, dazu Bundesstraßen und Nebenstrecken, die zur Belieferung von Werken benötigt werden. "Wir sind ja schließlich offen und Argumenten zugänglich", begründete Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) die Kehrtwende. "Die Einführung überlanger Lkw steht diesem Ziel entgegen", heißt es dagegen im Koalitionsvertrag von Grünen und SPD zu dem Ziel, mehr Güter auf die Schiene zu bringen. Das rot-grün regierte Nordrhein-Westfalen lässt eine 17,80 Meter lange Kurzvariante der Lang-Lkw ins Land, sperrt sich aber gegen die ganz langen Laster. DSLV: Studie ignoriert Kosten Die Güterkraftverkehrsverbände und auch der Verband der Automobilindustrie (VDA) unterstützen Dobrindts Position mit Nachdruck. Begleitet "von der gewohnt diffamierenden Polemik" habe die Bahnlobbyorganisation den Lang-Lkw als "Schreckensvision für Deutschland" dargestellt, heißt es in einem Rundschreiben des Deutschen Speditions- und Logistikverbands (DSLV). "Die Studie ignoriert bewusst die Kosteneffekte der Ausweitung der Lkw-Maut auf weitere 1100 Kilometer Bundesstraßen sowie auf leichte Nutzfahrzeuge", kritisierte DSLV-Hauptgeschäftsführer Frank Huster. Er verweist seinerseits auf eine vom Verband in Auftrag gegebene Studie, die allein für die Stückgutlogistik einen Kostenanstieg pro Sendung zwischen einem und 2,6 Prozent ausweise. Der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) verwies auf den Zwischenbericht der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), in dem eine "geringe Anzahl an identifizierbaren Risiken" und eine Kraftstoff- und CO2-Ersparnis im Feldversuch von 15 bis 25 Prozent festgestellt worden sei. Eine Verkehrsverlagerung von der Bahn auf die Straße sei nicht zu erwarten, da auch der Lang-Lkw auf 40 Tonnen beschränkt sei und sich nur für großvolumige oder leichte Güter wie Dämmstoffe oder Möbel eigne. "Der Transport solcher Güter ist bislang, auch für Nicht-Verkehrsexperten nachvollziehbar, keineswegs eine Domäne der Bahn". Der VDA argumentiert, Straßen und Brücken würden weniger beansprucht, weil sich das Gesamtgewicht auf mehr Achsen verteile. Mit der Deutschen Bahn sei bereits vor fünf Jahren vereinbart worden, gemeinsame Konzepte zu suchen, die mehr Effizienz im Straßenverkehr brächten und durch kombinierten Transport auch den Schienenverkehr förderten. -- Jörg Kürschner, VR-Korrespondent in Berlin Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Lang-Lkw www.verkehrsrundschau.de/dossiers Der Feldversuch Seit Anfang 2012 läuft der Feldversuch zu den großen Lkw, der sich inzwischen auf ein Streckennetz von gut 10.000 Kilometern in zwölf Bundesländern erstreckt. Meist werden die einzelnen Strecken auf Wunsch der ansässigen Unternehmen angemeldet. Bislang beteiligen sich 45 Unternehmen mit 119 Lang-Lkws an dem Test, der Ende 2016 ausläuft. Die Fahrzeuge dürfen bis zu 44 Tonnen (Vor- und Nachlauf beim Kombinierten Verkehr) schwer sein und 25,25 Meter messen - 6,50 Meter mehr als sonst zulässig.jök Kommentar Gefährlich und teuer "Umweltschädlich, gefährlich und teuer" - so die Botschaft der Lang-Lkw-Gegner. Eine Meinung, die nicht durch Fakten belegt wird. Die prognostizierte Verlagerung weg von der Bahn deckt sich nicht mit dem Feldversuch-Zwischenbericht und erscheint auch praxisfern. Die zugelassenen Lang-Lkw sind für großvolumige und leichte Güter geeignet, die im Bahnverkehr eine geringe Rolle spielen. Und selbst wenn Transporte von der Schiene auf die Straße wandern sollten, wäre dies kein Argument. Effizienzgewinne dürfen nicht verhindert werden, um Verkehrsmittel zu protegieren. Ansonsten müsste der Staat ja auch alle Spritsparmaßnahmen untersagen, um die Bahn zu schützen. Effizienzsteigerungen sind der Motor unserer Wirtschaft. Besser ist es, wenn der Staat monetär am Effizienzgewinn beteiligt wird und diese Finanzmittel nutzt, die Leistungsfähigkeit und damit auch die Effizienz anderer Verkehrsmittel wie der Bahn zu verbessern. Umweltschädlich, gefährlich und teuer wird es nur, wenn Effizienzsteigerungen aus ideologischen Gründen verboten werden.Kontakt: andre.kranke@springer.comAndre Kranke, stellv. Chefredakteur

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