Mobilitätspaket im Niemandsland

In Kürze Wie funktioniert das vor über einem Jahr für den gewerblichen Güterverkehr vollständig eingeführte EU-Mobilitäts-paket in der Praxis? Damit hat sich jetzt eine Veranstaltung des Projekts Trace 2 befasst - mit recht ernüchterndem Ergebnis. Schon die Geburt war schwierig, das Gezanke und Gezerre unter den EU- Mitgliedstaaten groß. Und als schließlich im Juli 2020 das sogenannte Mobilitäts-paket I mit seinen neuen Regeln für Lenk- und Ruhezeiten, Kabotage, Entsendung von Fahrern und anderem endlich geschnürt und als EU-Gesetz verabschiedet war, ging der Streit weiter: Immer noch warten gut ein Dutzend Klagen zahlreicher EU-Staaten gegen Teilregelungen des Mobilitätspakets auf ein Urteil beim Europäischen Gerichtshof. Ausgang ungewiss. Probleme mit den Kontrollen Da verwundert es nicht, dass sich nicht alle Staaten damit beeilen, die neuen Regeln auch tatsächlich umzusetzen - geschweige denn zu kontrollieren. Und selbst wenn kontrolliert wird, stellen sich viele Fragen: Was genau soll kontrolliert werden? Wie sind die neuen Vorschriften zu verstehen? Was bedeuten die EU-Texte in der Praxis für Unternehmer, Fahrer - und Kontrolleure? Der EU-Kommission wurde bald bewusst, dass die neuen Gesetze genauer erklärt werden müssen. Regelmäßig erscheinen seitdem Erläuterungen auf den Internetseiten der Kommission zu Fragen wie: Darf ein Lkw-Fahrer sein Fahrzeug während der Ruhezeit auf einem Parkplatz oder an einem Terminal bewegen? Wie sollte eine "Tätigkeitsbescheinigung" aussehen? Wann genau beginnt die Kabotage? Rechtsgültig sind die Antworten allerdings nicht. Das ist auch die Arbeit des Projekts Trace 2 nicht, das sich seit Mai 2022 im Auftrag der EU ebenfalls um die Auslegung der Texte aus dem Mobilitätspaket bemüht. Die Zielgruppe von Trace 2 sind Kontrolleure, die sich um die Einhaltung der Vorschriften kümmern sollen. Überall in der EU sollen diese Kontrolleure die Vorschriften auf die gleiche Weise verstehen und ihre Einhaltung auf die gleiche Art überprüfen. Dazu soll eine Art Handbuch dienen, das die vier Projektpartner von Trace 2 zurzeit erarbeiten. Ein erster Entwurf ist bereits fertig, im April soll die Endfassung vorliegen. "Wir gehen dann sogar noch einen Schritt weiter und werden uns darum kümmern, dass auch die Unternehmen der Straßengütertransportbranche über Berichte und Dokumente, Workshops und Trainings von unserer Arbeit profitieren", verspricht Raluca Marian, Leiterin der Brüsseler EU- Vertretung der International Road Transport Union (IRU). "Beim Thema Mobilitätspaket und seiner Durchsetzung müssen alle auf dem gleichen Stand der Dinge sein", fügt sie als Begründung hinzu. Die IRU ist einer der vier Partner im Projekt Trace 2. Im Rahmen einer Veranstaltung mit dem Titel "Mobilitätspaket I: Wo stehen wir?" gaben sie und ihre Partner jetzt Einblicke in ihre bisherige Arbeit. Schwierige Fälle in der Praxis "Nehmen wir das Beispiel: Ein Kontrolleur stellt bei einer Straßenkontrolle fest, dass ein Lkw-Fahrer seit sechs Wochen seine Ruhezeit nicht mehr in seinem Heimatort verbracht hat", verdeutlichte dabei Hans Drijer, niederländischer Verkehrskontrolleur und Leiter der Trace-2-Arbeitsgruppe "Lenk- und Ruhezeiten", die Probleme an einem konkreten Fall. Normalerweise hätte der Fahrer spätestens nach vier Wochen wieder nach Hause gemusst. Wer trage jetzt die Schuld? Der Fahrer? "Nein", behauptete Drijer. Der Arbeit-geber? Das könne man bei einer Straßenkontrolle nur schwer überprüfen. Deshalb müsse der Sache bei einer Unternehmenskontrolle nachgegangen werden. Beim Arbeitgeber müssten schriftliche Vereinbarungen vorliegen, um eine Ausnahme von der Regel aus dem Mobilitätspaket zu erklären. Ansonsten müsse man von einem Verstoß ausgehen. So wolle Trace 2 das als Handlungsvorgabe empfehlen. Was Dirk Saile, Vertreter des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) in Brüssel, zur Frage veranlasste, ab wann eine solche Unternehmenskontrolle dann angeraten werde. "Wenn der Fahrer fünf Wochen nicht zu Hause war, oder erst, wenn er schon sechs oder acht Monate lang nicht mehr dort war?" Eine klare Antwort bekam Saile nicht. Wodurch eine Grenze von Trace 2 ans Licht kam: Zwar wird das Projekt vieles verdeutlichen, ein gemeinsames Verständnis der Texte ermöglichen und europaweit einheitliche Kontrollmechanismen vorschlagen können. Alles wird aber auch Trace 2 nicht leisten können. Zu wenig Zeit für Umsetzung Grundsätzlich fiel bei der IRU-Veranstaltung auf, dass sich niemand an dem Problem zu stören schien, dass die EU-Regeln zum Teil schon seit zweieinhalb Jahren gelten - erste Vorschriften des Mobilitätspakets traten bereits im August 2020 in Kraft - aber nicht nur nicht richtig angewendet, sondern überhaupt gar nicht richtig verstanden werden. Lediglich Rémy Russotto, Leiter der Trace-2-Arbeitsgruppe "Entsendung von Fahrern", ließ dieses Problem einmal anklingen, als er sagte: "Wir brauchen Zeit. Das klingt zwar etwas sonderbar, denn wir befinden uns schon im Jahr 2023. Aber wir benötigen einfach noch mehr Zeit, damit das alles gut funktioniert." Mehr zum Thema unter #EU-Mobilitätspaket www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag

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