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KMUs überraschend stark von Lieferkettengesetz betroffen

26.06.2024 14:10 Uhr | Lesezeit: 4 min
Geschäftsmann mit Telefonhörer in der Hand, bedeckt von Papierstapeln
Das Lieferkettengesetz ist zwar ein Sieg für die Menschenrechte, aber auch ein Sieg für die Bürokratie
© Foto: stokkete-stock.adobe.com

Laut einer Umfrage des LBBW Research sind kleine und mittelgroße Unternehmen stärker vom Lieferkettengesetz betroffen, als bisher angenommen. Eigentlich sind sie von der Berichtspflicht befreit.

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Die Zahl der vom Lieferkettengesetz betroffenen Mittelständler dürfte einer Umfrage des LBBW Research zufolge deutlich über den bisherigen Erwartungen liegen. "Fast drei Viertel der befragten Unternehmen sehen sich direkt oder indirekt vom deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz betroffen", stellt Mittelstands-Analyst Andreas da Graça bei der Vorlage der aktuellen Unternehmensbefragung Mittelstandsradar 2024 fest. Kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU), die theoretisch von der Berichtspflicht befreit sind, müssen in der Praxis oftmals trotzdem einen umfassenden Beitrag zur Berichterstattung über die Erfüllung von Sorgfaltspflichten leisten, wenn sie von berichtspflichtigen Geschäftspartnern zur Mithilfe aufgefordert werden. Verweigern sie sich, droht ihnen der Umfrage zufolge womöglich Umständen der Verlust von Aufträgen. Erfahrungen wie diese lassen die weit überwiegende Mehrheit der Unternehmen inzwischen die Bürokratie und ihre Regelungen als ihren größten Gegner ausmachen. "Inzwischen benennt der Mittelstand fast unisono die überregulierenden Behörden als Hauptbelastungsfaktor", erklärt Da Graça.

Sieg für Menschenrechet und Bürokratie

Nach Unternehmensgröße gestaffelt, verpflichten das deutsche und das EU-Lieferkettengesetz (CSDDD) bis 2029 immer mehr Unternehmen zu umfassenden Sorgfaltspflichten. Das ist allerdings nicht nur ein Sieg für die Menschenrechte, sondern auch ein Sieg für die Bürokratie. Denn Unternehmen müssen künftig europaweit dokumentieren, dass von ihnen importierte Produkte aus Drittländern nicht zu Kinderarbeit oder Umweltschäden führen. Die Kontrolle weltweiter Lieferketten und (in)direkter Geschäftspartner ist dabei mit erheblichem bürokratischem Aufwand verbunden. Die Unternehmen aus den Nachbarländern sind durch die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) erst ab 2025 dazu verpflichtet. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hatte deshalb Anfang Juni vorgeschlagen, das deutsche Lieferkettengesetz auszusetzen, bis die europäische Regelung greife.

Großunternehmen bitten kleinere Geschäftspartner zum Rapport

Wie die Umfrageergebnisse des aktuellem Mittelstandsradars der LBBW Research zeigen, dürften von diesem bürokratischen Befreiungsschlag weit mehr Unternehmen profitieren, als bislang vermutet. Eigentlich sind Mittelständler (KMU) mit weniger als 250 Mitarbeitern und weniger als 50 Millionen Euro Jahresumsatz vorerst nicht von der Regelung betroffen. Allerdings müssen berichtspflichtige Großunternehmen ihre kleineren Geschäftspartner in die Risikoanalyse und gegebenenfalls in Präventions- und Abhilfemaßnahmen mit einbeziehen und fordern entsprechende Informationen an. Beim Mittelstandsradar 2024 hielten sich nur ein Viertel der befragten Unternehmen direkt vom Lieferkettengesetz betroffen. Aber 43 Prozent sahen sich wegen geschäftlicher Verflechtungen indirekt konfrontiert.

Indirekte Berichtspflicht

Entziehen können sich diese Unternehmen der indirekten Berichtspflicht nicht. Bereits heute reagieren nach dem Lieferkettengesetz berichtspflichtige Unternehmen dem Mittelstandsradar zufolge auf die neue Gesetzeslage und passen ihre Lieferketten an. Rund die Hälfte der Unternehmen meidet demnach risikoreiche Zulieferer, und jedes dritte Unternehmen möchte auf schwer überprüfbare Zulieferer verzichten. Gleichzeitig planen 29 Prozent der Befragten, sich aus risikoreichen Ländern zurückzuziehen. Für den Analysten liefert das Gesetz damit Fehlanreize. Noch im vergangenen Jahr sei von Unternehmen mit einem starken China-Anteil in ihrem Geschäft gefordert worden, ihre Lieferketten krisensicherer aufzustellen. "Da den Ergebnissen zufolge die Attraktivität von Zulieferern aus dem Ausland sinkt, könnte dies ein schlechtes Signal für die angestrebte Diversifizierung von Lieferketten und Handelsbeziehungen sein. Allerdings sind sich auch noch viele Unternehmen unschlüssig, welche Anpassungsmaßnahmen in Zukunft getroffen werden sollen", betont der Analyst.

Bürokratie inzwischen Belastungsfaktor Nr. 1

Viele deutsche Mittelständler beklagen seit Längerem, dass die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland nicht mehr im Mittelpunkt des politischen Handelns steht. Statt Planungssicherheit und Berechenbarkeit sowie Entlastungen für Unternehmen gebe es eine Überregulierung, wie zum Beispiel bei den ausufernden Berichtspflichten, so die Klage. Das Mittelstandsradar zeigt dabei, wie stark sich Bürokratie und Mittelstand inzwischen entzweit haben. Die weit überwiegende Mehrheit der durch das LBBW Research im April 2024 befragten knapp 300 Unternehmen stuft den hohen bürokratischen Aufwand (84 Prozent) als Hauptbelastungsfaktor ein. An zweiter Stelle stehen die damit stark verwandten hohen regulatorischen Anforderungen (72 Prozent). Erst den dritten Platz teilen sich die Nachfrageschwäche sowie der inzwischen teilweise dramatische Fachkräftemangel mit jeweils 65 Prozent.

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