Mercedes-Benz Arocs 2651 K 6x4: Digital am Bau

In Kürze Das Arocs-Programm reicht von 18 bis 41 Tonnen Gesamtgewicht und überzeugt durch seine Vielfalt. Allein bei den Fahrerhäusern hat die Kundschaft die Wahl aus sieben verschiedenen Kabinen. Ähnlich umfangreich fällt das Motorenangebot aus. Es startet beim 7,7 Liter kleinen und 238 PS starken OM 936 und geht hinauf zum 15,6 Liter großen OM 473 mit 625 PS. Einen Mercedes-Kipper durften wir lange nicht mehr über unsere Bau-Testrunde bewegen, weshalb wir bei diesem Testfahrzeug-Angebot aus Wörth spontan zugegriffen haben. Der brandneue Arocs-Dreiachskipper mit 510 PS ist gerade erst vom Band gerollt, deshalb dürfen wir den Kraftstoffverbrauch nicht messen. Verständlich, denn ohne eingelaufene Aggregate wären keine passablen Werte zu erzielen. Aber auch so gibt es viel zu entdecken und zu erfahren. Denn digitaler rollt kein Wettbewerber auf den Bau, schließlich hat Mercedes-Benz den Arocs längst mit den technischen Errungenschaften seines Straßenkollegen Actros aufgewertet. Aber wie bewährt sich die digitale Technik im harten Baueinsatz? Zur Klärung dieser Frage geht hier kein weichgespülter Straßenroller an den Start, sondern ein robuster Dreiachser. Der kann sich mit mittelhoher Bauart und zwei angetriebenen Außenplaneten-Achsen in Deponien und Baugruben wagen, mit 510 PS Motorleistung nimmt er es locker auch mit 40 Tonnen auf. Oder mit den technisch zulässigen 80 Tonnen Zuggesamt-gewicht, gerne auch mit mehr - technisch wären nämlich bis zu 120 Tonnen Zug-gesamtgewicht drin, lässt Daimler verlauten. Damit mutiert der kobaltblau lackierte Arocs-Dreiachser zum veritablen Schwerlasttransporter, der vor einen Tieflader gespannt auch schwere Baumaschinen transferiert. Konventionelle Spiegel statt Kameras Was beim Testkandidaten verwundert: Der Arocs 2651 K 6x4 tritt noch mit klassischen Außenspiegeln an. Rudern die Bauspezialisten von Daimler in Sachen Mirror-Cam etwa zurück? "Es ging wohl bei der Konfiguration um einen Kundenwunsch", erklärt der begleitende Werksfahrer, "und nicht um eine technischstrategische Entscheidung." Schade, wir hätten das neue Spiegelersatzsystem gern im Baueinsatz getestet. Aber ganz ehrlich: Die Mercedes-Spiegel sind prima, die Mirror-Cams schnell vergessen. Überhaupt freunden wir uns mit dem mittellangen Arocs-Fahrerhaus sofort wieder an. Im Mittelpunkt steht natürlich der Arbeitsplatz hinterm Volant, der genügend Platz und Verstellmöglichkeiten bietet; und gute Übersicht nach vorn und zur Seite, trotz des hohen Hauses. Nur schade, dass sich das Lenkrad nicht so steil stellen lässt, wie man es von den Skandinaviern kennt. Angenehm ist der 170 Millimeter niedrige Motortunnel, der allerdings einen hohen, vierstufigen Einstieg ins Fahrerhaus zur Folge hat. Warum es bei Daimler noch kein Bordsteinfenster in der rechten Tür gibt, kann uns auch der werksseitige Instruktor nicht erklären. Denn da befindet ein Teil des toten Winkels, und einen elektronischen Abbiegeassistenten hat der Arocs nicht an Bord. Technische Daten Motor Sechszylinder-Reihenmotor (OM 471 LA), Common-Rail-Einspritzung, Turbolader, Ladeluftkühlung, vier Ventile pro Zylinder; Euro 6e mit SCR-Kat, AGR und DPF; Hubraum: 12.800 cm³, Leistung: 510 PS (375 kW) bei 1600/min; max. Drehmoment: 2500 Nm bei 1100/min Getriebe Powershift 3; automatisiertes Schaltgetriebe (Daimler G 330-12), 12 Vorwärtsgänge, 4 Rückwärtsgänge, HA-Übersetzung Testfahrz.: i = 4,333 Fahrwerk vorn: gerade 7,5-t-Starrachse mit Zweiblatt-Parabelfedern; Stabi; hinten: Außenplaneten-Hinterachsen mit Durchtrieb; Dreiblatt-Parabelfedern für techn. zul. Achslast 2 x 10 t; schaltbare Längs- und Quersperren; Scheibenbremsen rundum Maße & Gewichte Länge x Breite x Höhe: 7505 x 2548 x 3653 mm, Radstand: 3300/1350 mm; Rahmenhöhe HA unbeladen: 1075 mm; Böschungs-/Rampenwinkel: 25 °/25°; zul. GG: 26.000 kg; Leergewicht: 12.500 kg (Tanks: 290 l Diesel, 60 l AdBlue), Testgewicht inkl. Tandemanhänger: 40.400 kg Aufbau Meiller-Dreiseitenkipper, Muldenmaße: 4900 x 2380 x 800 mm; Bordmatik links 12,5 Tonnen bringt das dreiachsige Testfahrzeug auf die Waage. Nicht immer intuitive Bedienung Dafür ist der Instrumententräger digitalisiert - mit einem Zentraldisplay, dem man verschiedene Ansichten und Informationen entlocken kann. Und ein großes Display rechts daneben, das die meisten Fahrzeugfunktionen per Touchscreen bedienbar macht, was nicht immer intuitiv klappt. Ob man den Spurwächter während der Fahrt am Touchscreen einwandfrei und gefahrlos abschalten kann, da sind wir uns beispielsweise nicht so sicher. Aber im Stand den Nebenabtrieb aktivieren, das klappt vorzüglich. Und man muss immerhin nicht in den Menüs blättern, um beispielsweise den Schaukelmodus zu finden. Der OM 471-Reihensechszylinder startet mit lautem Gebell, erst angemessen temperiert wird er leiser. Ein Leisetreter ist er gewiss nicht, weder außen noch innen. Unser erster Weg führt auf die Waage, wo sich der Dreiachser eher robust als besonders nutzlaststark zeigt. Der Mercedes-Benz wiegt leer - vollgetankt mit 290 Litern Diesel und robustem Meiller-Dreiseitenkipper samt Bordmatik - 12,5 Tonnen, nur eine Tonne weniger als so mancher Vierachser. Bei Leerfahrt lässt der Arocs schon spüren, dass er hart im Nehmen ist. Da macht sich bemerkbar, dass auch das Fahrerhaus stahlgefedert ist. Nur gut, dass der Fahrersitz ein wenig die Härte nimmt, überhaupt gefällt uns das teure, weil vollklimatisierte Sitz-möbel ausnehmend gut. Mit aufblasbaren Wangen finden Arocs-Pilotinnen und -Piloten aller Größen und Breiten den wichtigen Seitenhalt - gerade auf Geländepassagen, wo man tüchtig durchgeschüttelt wird. An Traktion mangelt es nicht. Dank zweier angetriebener AP-Achsen und der mittel-hohen Bauweise überrollt der Dreiachser mühelos mittelhohe Kieskegel oder Steine, die sich immer wieder mal in den Weg stellen. Wenn er sich mit voller Leistung aus einer Baugrube schiebt, ist er in seinem Element. Jedenfalls, wenn der Getriebe-wählschalter auf "manuell" gestellt wird, die Powershift-Automatik macht uns hier weniger Freude. Immer wieder wechselt sie die Gänge, dann bleibt die Fuhre fast stehen, selbst im "Offroad"-Modus. Da freut man sich, dass der OM 471 gut bei Kräften ist und bis tief in die Drehzahlniederungen in die Bresche springt. Wir bleiben in der Grubenauffahrt jedenfalls nicht stecken und jetzt wollen wir es wissen: Kommen wir auf lockerem Untergrund noch los? Mit der elektronischen Feststellbremse (und manuellem Getriebemodus!) ziehen wir mit Längssperre und reichlich Motorgetöse den Hügel hoch. Auch bergab gibt sich der Arocs-Kipper keine Blöße, die Hochleistungs-Motorbremse hat den beladenen Lastzug jederzeit im Griff. Allerdings wird es dann laut unterhalb der Kabine, da gehen manche Wettbewerber deutlich pfleglicher zu Werke. Beladen federt der Arocs bekömmlicher. Auf welligen Straßen fällt auf, dass der Dreiachser nicht stoisch geradeaus fährt. Ob es an den Michelin-Reifen (X Multi) liegt? Ein wenig mag auch der kurze 3300er-Radstand Schuld tragen. Ebenfalls nicht von seiner besten Seite zeigt sich das Powershift-Getriebe im Straßeneinsatz. Es schaltet mehr, als es müsste, jeder Schaltvorgang ist von Zugkraftverlusten begleitet. Das kann der leistungsstarke Reihensechszylinder auch nicht ausgleichen, leistungsgleiche Wettbewerber schlagen sich auf Deponien und den oberbayerischen Landstraßen unserer Teststrecke besser. Robuste Blattfedern an den Triebachsen Ob es an der Konfiguration des Fahrzeugs liegt? Mit Luftfederung anstelle der 10-Tonnen-Blattfedern an den Antriebsachsen fährt der Arocs komfortabler, so viel ist sicher. Bauartbedingt schiebt er im Gelände über die Vorderräder, eine elektronische Lenkbremse, wie sie der Münchener Wettbewerber MAN anbietet, könnte Abhilfe schaffen. In Sachen Digitalisierung ist der Mercedes einsame Spitze, von den Instrumenten im Cockpit, Lenk- und Regensensor bis zum GPS-Tempomaten und dem umfassenden Sicherheitspaket. Aber das Powershift-Getriebe kann keine Glanzpunkte mehr setzen, weder auf der Straße noch im Gelände. Und die Geräuschkulisse des Antriebs ist nicht mehr zeitgemäß. Mehr zum Thema finden Sie unter #Baufahrzeuge www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag

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