Bratislava. Eigentlich sollte es nur eine neue Regelung für die LKW-Branche werden – doch schließlich entwickelte es sich zu einem Politikum, das das gesamte Land in Atem hält. Die Einführung der Maut für LKW ab 3,5 Tonnen zum Jahreswechsel hat in der Slowakei für erheblichen Wirbel gesorgt. Die Transporteure gingen dabei soweit auf die Barrikaden und blockierten die Straßen, dass sogar Premierminister Robert Fico einschreiten musste. Die Ängste der Unternehmer: Insbesondere die kleineren finanzschwächeren Unternehmen könnten die zusätzlichen finanziellen Lasten nicht tragen, die durch diese Maut entsteht. Außerdem wehrten sie sich gegen die Betriebskosten, die in ihrem Land hoher seien als an Konkurrenzmärkten. „Die Verbrauchssteuer auf Kraftstoffe, die eine der höchsten in Europa ist, wird die Regierung verringern“, sagte am Dienstag ein Sprecher des slowakischen Transportunternehmerverbandes Cesmad Slowakia der „VerkehrsRundschau“. Damit ging die Regierung auf eine Forderung der LKW-Unternehmer ein. „Zusätzlich werden die Straßen der Ersten Kategorie bis Ende Januar erst einmal nicht mit Gebühren belastet“, so der Sprecher weiter. Die Regierung musste in jedem Fall auf die LKW-Fahrer reagieren – zu groß war der Druck, den die Fahrer gemacht hatten. Mindestens 100 LKW blockierten die wichtigsten Straßen in der Hauptstadt Bratislava, in den Städten Koszyce, Poprad und Preszov – und auch einige Autobahnabschnitte wurden von ihnen lahmgelegt. Viel Ärger gab es gerade um die Roznavska Straße – einer der wichtigsten Hauptstraßen in der Hauptstadt. Premier Fico hatte immer wieder betont, gerade diese Verkehrsader sollte freigeräumt werden – andernfalls werde er nicht verhandeln. Die Polizei schickte Ordnungshüter aus der gesamten Region in die Hauptstadt. „Das sieht ja fast so aus wie damals zur kommunistischen Zeit, als die Wende begann“, witzelte eine Frau aus Bratislava. „Uns droht eine Katastrophe“, erklärte der Sprecher der LKW-Vereinigung UNAS, Jaroslav Polacek – einer Organisation, die erst seit Jahresanfang überhaupt existiert und deren Rechtmäßigkeit die Regierung anzweifelt. Damit wollte er auf die schwierige finanzielle Situation vieler Kollegen aufmerksam machen. Viele Firmen hatten nämlich ihre Fahrzeuge per Leasing gekauft und ihre Raten nicht bezahlen können. 1500 Fahrzeuge mussten so im vergangenen Jahr bereits zurückgegeben werden. „Die Einführung der Maut führt bei den jetzigen Krisenzeiten zu einer Anhebung der Transportkosten um 60 Pozent“, so Polacek weiter. Und der Manager befürchtet dadurch, dass die Slowaken durch die Polen, Ungarn und Rumänen vom Markt verdrängt werden. „Die werden dann unsere Plätze einnehmen“, sagte der Unas-Vertreter. Er befürchtet einen Bankrott von 800 slowakischen Unternehmen. Die Stimmung war demnach die ganze Zeit gereizt – ausgelöst wurden die Blockaden jedoch durch organisatorische Probleme: LKW-Fahrer waren an der Grenze zu Tschechien und zu Ungarn auf die Barrikaden gegangen, weil sie zu lange auf den notwendigen Bordcomputer die sogenannte On Board Unit (OBU) warten mussten, der die Gebühren abrechnen soll. Regionale Medien sprachen von anderthalb Tagen Wartezeit. Die LKW sollen für das Befahren von insgesamt 2000 Kilometern Autobahnen, Schnellstraßen und für Straßen der sogenannten Ersten Kategorie eine Maut entrichten. Und nicht nur die Regierung, sondern auch Mautbetreiber Sky Toll bemühte sich, die angespannte Situation zu verbessern. Das Unternehmen führte ab dem 12. Januar auf den Transitwegen das „Ticketing“-System für die Abrechnung ein, um den Mangel an Bordcomputer für die Abrechnung entgegen zu wirken. Dieses Ticketingsystem wird zunächst einmal bis zum 31. März gelten. Auch wenn die Beteiligten alle Anstrengungen zusammen nehmen, um der Lage Herr zu werden: Die Slowakei hat sich bei der Einführung des Mautsystems nicht gerade mit Ruhm bekleckert – anders als der tschechische Nachbar vor drei Jahren. (bec)
Mautstart: Slowakei erlebt Fiasko
LKW-Fahrer errichten Straßenblockanden im ganzen Land: An den Grenzen warten Fahrer bis zu 36 Stunden auf OBU