Erholen sich Wirtschaft und Güterverkehr endlich?

Pünktlich zur Fußball-Europameisterschaft gibt es vorsichtigen Grund zu mehr Optimismus in der deutschen Wirtschaft. "Es entsteht gerade neue Hoffnung", betonte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser bei der Präsentation der Ifo-Konjunkturprognose für 2024 am 20. Juni. "Die deutsche Wirtschaft arbeitet sich langsam aus der Krise." So dürfte das zweite Halbjahr 2024 deutlich besser ausfallen als das erste. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) könnte laut der Prognose in diesem Jahr um 0,4 Prozent wachsen. Im März war das Ifo Institut noch von 0,2 Prozent BIP-Wachstum ausgegangen. Außerdem dürfte die Inflationsrate, die in 2023 noch bei 5,9 Prozent lag, in diesem Jahr auf 2,2 Prozent zurückgehen. Mehr Zuversicht in der Logistik Hoffnungsvoller zeigt sich auch die Logistikwirtschaft, wie die Zahlen des Logistik-Indikators zeigen, die die Bundesvereinigung Logistik (BVL) jeweils am Ende des Quartals präsentiert - basierend auf Umfragen des Ifo-Instituts in der Logistikwirtschaft. Demnach hat sich das Geschäftsklima im zweiten Quartal im Vergleich zum ersten Quartal verbessert. Der Index legte da um 2,6 auf jetzt 85,6 Punkte zu. "Die Zahlen für das zweite Quartal 2024 zeigen endlich wieder ein positiveres Bild", freut sich Professor Thomas Wimmer, Vorsitzender des Vorstandes der BVL. Wimmer sieht damit bereits eine Trendwende in der deutschen Logistikwirtschaft. Zwar liegen alle Indikatoren immer noch klar unter 90 und damit im negativen Bereich, wie die Grafik unten zeigt. Doch haben sich Lage, Geschäftsklima und die Erwartungen in der Logistikwirtschaft deutlich verbessert. Talfahrt ist gestoppt Auch im Güterverkehr sind die Aussichten 2024 in Deutschland etwas besser als im Vorjahr, in der langjährigen Betrachtung aber immer noch unterdurchschnittlich. Das zeigt die "Gleitende Mittelfristprognose für den Güter- und Personenverkehr Winter 2023/2024", die Intraplan Consult im Auftrag des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr erstellt hat. Sie gibt einen Überblick über die voraussichtliche Entwicklung des Güterverkehrs bis 2027 - basierend auf dem Datenstand 28. Februar 2024. Veröffentlicht wurde die Prognose vom Bundesamt für Logistik und Mobilität (BALM) indes erst Ende Mai 2024. Demnach wird der Güterverkehr in Deutschland in diesem Jahr "bei der gesamtmodalen Transportleistung bei minus 0,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr herauskommen, also bei 665 Milliarden (Mrd.) Tonnenkilometer - das ist im Prinzip eine rote Null", nennt Intraplan-Verkehrsconsult Ralf Ratzenberger Zahlen. "Und das Transportaufkommen dürfte in 2024 um 0,7 Prozent auf rund vier Mrd. Tonnen zurückgehen. Die Talfahrt ist also gestoppt. Die Wirtschaft sinkt nicht weiter." Noch sei das für 2024 prognostizierte Wirtschaftswachstum mit einem BIP von plus 0,2 Prozent (Stand der Mittelfristprognose war Ende Februar - die Redaktion) zu gering, um wirkliches Wachstum im Güterverkehr auszulösen, erklärt Ratzenberger. "Gleichwohl ist die Entwicklung in diesem Jahr deutlich besser als im Vorjahr." Denn da sei die gesamtmodale Transportleistung um 6,3 Prozent (Aufkommen) und fünf Prozent (Leistung) zurückgegangen, insbesondere aufgrund der schwachen Zahlen von Kohle, Stahl, Öl und Bau. Der zweitstärkste Rückgang überhaupt seit der Wiedervereinigung, so der Verkehrs-Consultant. "Mittelfristig dagegen, bis 2027, geht es bei Transportleistung und Transportaufkommen wieder aufwärts - wenngleich aber nur moderat." Dazu später mehr. Schwache Bauwirtschaft bremst Die größten Zuwächse sind in diesem Jahr vor allem im Kombinierten Verkehr (Aufkommen: 0,7 Prozent, Leistung: 1,1 Prozent) zu erwarten sowie für Transporte von Fahrzeugen, Metallerzeugnissen und Holz. Bei den Kohletransporten zeichnet sich indes ein starker Rückgang ab, was laut der Studie die Zunahme vollständig ausgleicht mit der Folge, dass das Aufkommen im Schienengüterverkehr 2024 wohl exakt auf dem Vorjahresniveau bleiben wird und die Leistung moderat um 0,5 Prozent zulegen wird. So gesehen profitiert in diesem Jahr der Schienengüterverkehr von der deutlichen Lkw-Maut-Erhöhung seit Dezember 2023 offenbar kaum, während im Straßengüterverkehr das Aufkommen (minus 0,8 Prozent) und die Leistung (minus 0,3 Prozent) vergleichsweise wenig sinken. Bremsend wirke sich da vor allem im Nahverkehr, sagt Ratzenberger, die schwächelnde Bauwirtschaft aus. Positiv ist: Die Binnenschifffahrt wird laut Studie in diesem Jahr die Talsohle erreichen, wenngleich auf einem schwachen Niveau mit minus 0,3 Prozent bei Aufkommen und einer stagnierenden Transportleistung. Damit stünde dieser Verkehrsträger aber besser da als der Straßengüterverkehr, sagt Ratzenberger. Was insbesondere daran liege, dass sich die Binnenschifffahrt mit minus 6,3 Prozent Transportleistung und minus 6,5 Prozent Aufkommen 2023 aufgrund diverser Sondereffekte wie weniger Kohletransporte extrem schwach entwickelt habe. Durchmischter Ausblick bis 2027 Das klingt grundsätzlich positiv: Vergleicht man diese Prognosen indes mit den Werten aus den Vorjahren, vor allem mit der Zeit vor der Corona-Pandemie, sind die Zahlen dennoch ernüchternd. Zudem werden die Einbrüche der Jahre 2022 und 2023 mit dem Anstieg bis 2027 nur ausgeglichen, sodass die Leistung des gesamtmodalen Güterverkehrs bis zum Jahr 2027 gerade das Vorkrisenniveau erreichen wird, urteilt Ratzenberger. Das Aufkommen liegt sogar mit einem Rückgang um 7,4 Prozent noch spürbar da-runter. Immerhin: von 2025 bis zum Jahr 2027 rechnet die vorliegende Mittelfristpro-gnose bei allen Verkehrsträgern (ausgenommen Binnenschiff und Rohrleitungen) beim Aufkommen mit jährlichen Zuwächsen. Im Straßengüterverkehr liegt der jährliche Zuwachs bei plus 1,1 Prozent pro Jahr, im Eisenbahnverkehr bei plus 0,5 Prozent und beim Kombinierten Verkehr bei plus 2,3 Prozent. Als Grund für den Anstieg wird vor allem die insgesamt verbesserte gesamtwirtschaftliche Lage genannt, vor allem die bessere Bauproduktion, die deutlich zulegen dürfte. Gleichzeitig dürfte die Transportleistung pro Jahr um 1,9 Prozent steigen. Wachstumstreiber sind beim Kombinierten Verkehr laut Ratzenberger insbesondere die Gesamtwirtschaft und Fahrzeugtransporte. Gleichzeitig zeichnen sich aber Rückgänge bei Kohle, Erzen und Metallen ab. In der Binnenschifffahrt dürften die Kohletransporte in den Jahren 2025 bis 2027 jährlich sogar um acht Prozent abnehmen, so Ratzenberger. Immerhin: Baukonjunktur und Stahlproduktion sollen sich den Prognosen zufolge erholen. So gesehen sei bis 2027, sagt der Experte, in der Binnenschifffahrt ein Aufkommensminus von jährlich 0,3 Prozent zu erwarten und bei der Transportleistung ein jährliches leichtes Plus von 0,2 Prozent. Warum legt die Schiene trotz hoher Lkw-Maut nicht zu? Sie haben für das Bundesverkehrsministerium die Gleitende Mittelfristprognose Winter 2023/2024 erstellt. Demnach profitiert der Schienengüterverkehr null von der drastischen Mauterhöhung in 2023. Warum? Fakt ist, dass durch die Lkw-Maut-Erhöhung die auf den mautpflichtigen Kilometer bezogenen Gesamtkosten eines schweren Lkw um rund acht Prozent verteuert wurden. Vielen Lkw-Speditionen ist es aber offenbar nicht gelungen, diese Mehrkosten an die Auftraggeber durchzureichen. Was an der Einkaufsmacht großer Verlader liegt, aber auch am Wettbewerbsdruck durch osteuropäische Anbieter. Diese bezahlen auch die Maut, sind aber deutlich billiger, sodass ihre Marktanteilsgewinne den Kostenanstieg im gesamten Lkw-Verkehr dämpfen. Der Straßengüterverkehr wurde also trotz höherer Maut nicht so teuer, dass die Schiene davon profitiert hat. Zudem hatte der Schienengüterverkehr in 2023 und 2024 auch Kostensteigerungen zu verkraften. Die Kostenunterschiede zwischen Straße und Schiene änderten sich also trotz der deutlichen Mauterhöhung nicht so fundamental, dass dies zur Verlagerung geführt hätte. Kommt dieser Shift bis 2027? Der Split zwischen Straße und Schiene verändert sich bis 2027 letztlich kaum. Denn bei beiden liegen expansive und dämpfende Effekte vor, die sich insgesamt weitgehend ausgleichen. Der KV entwickelt sich indes etwas überpropor-tional. Gründe, die den Marktanteil der Bahnen spürbar erhöhen würden, sind nicht zu erkennen.

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