VR: Eine Transportkette ist nur so sicher wie das schwächste Glied. Ist der LKW-Transport von Luftfrachtsendungen die Schwachstelle?
Detlef Warburg: Das ist er in jedem Fall. Als Luftfracht deklarierte Ware, die im LKW unterwegs ist, stellt den Bereich dar, der am wenigsten zu kontrollieren ist. Ein Fahrzeug, das mit einer Ein-Mann-Besatzung unterwegs ist – und das ist so in 99 Prozent der Fälle – kann nicht kontrolliert werden. Das ist eine völlig andere Situation als man sie im Lager hat, wo es Zugangsbeschränkungen und -kontrollen gibt, wo Sie Videoüberwachung haben und die Kontrolle durch Kollegen.
Man könnte die Fahrzeuge mit Ortungssystemen ausstatten …
Wir haben unsere LKW mit Telematik ausgestattet, schon um Diebstähle zu vermeiden. Aber der Einbau von Telematiksystemen ist für den Transport von Luftfracht keineswegs vorgeschrieben. Es ist noch nicht einmal geregelt, dass es sich um Kofferfahrzeuge handeln muss. Es reicht ein einfacher Planenauflieger, der dann allerdings mit einer Zollschnur gesichert werden muss. Trotzdem ist das eine Scheinsicherheit, denn das eigentliche Problem ist der Fahrer.
Das müssen Sie erklären ...
Die Statistiken bei Diebstählen zeigen leider, dass es häufig die Fahrer selbst sind, die für den Schwund verantwortlich sind. Sie haben jederzeit direkten Zugriff auf die Ware und sind alleine unterwegs. Wir sprechen von vielleicht 50.000 Fahrern in Europa, die Luftfracht trucken. Es wäre ein Leichtes, eine Bombe einzuschmuggeln, wenn man es darauf anlegte. Allein mein Unternehmen fährt täglich 700 Sendungen mit 1500 bis 2000 Paletten durch Europa. Es würde überhaupt nicht auffallen, wenn es eine Manipulation an einer Palette mit 50 Kartons darauf gäbe. So ehrlich muss man sein.
Dann ist die ganze Idee von einer sicheren Lieferkette in der Luftfracht also eine Illusion?
Es handelt sich um eine scheinbare Sicherheit, die aus den genannten Gründen de facto so nicht existiert – nicht existieren kann. Die Luftfracht müsste dort sicher gemacht werden, wo sie abgeflogen wird und nicht 100 Kilometer vom Airport entfernt, um sie dann noch mal in den LKW zu packen. Dieses eher zentralisierte Modell funktioniert doch auch in anderen Ländern.
Immerhin zeichnen die Trucking-Unternehmen gegenüber ihrem Auftraggeber eine Transporteurserklärung – geschieht das wider besseren Wissens?
Die größeren Transportunternehmen in der Branche sind selbst Reglementierter Beauftragter, als solcher muss man keine Transporteurserklärung unterzeichnen. Aber viele Unternehmen vergeben einen Großteil der Transporte an Subunternehmer, die dann eine solche Erklärung unterschreiben. Ich schätze, dass 80 Prozent dieser Subunternehmer gar nicht genau wissen, was sie unterschreiben, wenn Sie mit ihrem Lieferwagen – und das ist für viele Sendungen bis 500 Kilogramm der Standard – unterwegs sind. Ich schätze, dass 70 Prozent der Luftfrachtsendungen in dieser Weise über die Straße transportiert werden.
Warum ändert man das System nicht?
Mit Blick auf die Umstellung der Regularien im vergangenen Jahr haben viele Reglementierte Beauftragte sehr viel Geld in Sicherheitstechnik investiert. Außerdem hat sich eine ganze Industrie von Schulungsanbietern und Beratern etabliert – diese Gruppen haben gar kein Interesse daran, die Situation zu verändern.
Das Interview führte VR-Redakteur Dietmar Winkler.
Hintergrund
LKW wird Teil der sicheren Lieferkette in der Luftfracht, wenn beispielsweise als sicher eingestufte Sendungen zum Flughafen getruckt werden. Seit 29. April 2013 gilt Luftfracht nur dann als sicher, wenn sie von einem behördlich zugelassenen Bekannten Versender stammt oder vor Verladung ins Flugzeug einer Sicherheitskontrolle unterzogen wurde. Das erledigt in der Regel ein als Reglementierter Beauftragter zugelassener Dienstleister.