London erhebt seit 2003 eine Stadtmaut

London erhebt seit 2003 eine Stadtmaut Ein Gespenst verliert den Schrecken Mittlerweile ist die Kontroverse um eine Citymaut in Deutschland angekommen. In Städten wie Hamburg, Köln oder München gibt es erste Diskussionen – Vorbilder sind London oder Stockholm. Seit Ende August steht das Thema in Hamburg auf der Tagesordnung: die Einführung einer Citymaut. Unter dem Motto „Entspannt mobil das Klima schützen“ hat die Grün-Alternative Liste (GAL) mit ihrem Antrag in der Hamburger Bürgerschaft für Diskussionen gesorgt – in Wirtschaft und Politik. Einige Verbände schlagen Alarm und warnen vor den Auswirkungen einer Stadtmaut auf die örtliche Wirtschaft und den Gütertransport. „Eine Citymaut würde zu Verlagerungseffekten hin zu Standorten außerhalb der Städte führen“, betont Olaf Roik vom Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE). „Vom Schaden für den Wirtschaftsstandort Stadt ganz zu schweigen.“ Auch der Deutsche Städtetag hält eine Stadtmaut für ein ungeeignetes Instrument zur Verkehrslenkung. Unabhängig von den entstandenen Kontroversen will die Hamburger Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt nun den Antrag prüfen und die Erfahrungen anderer Städte auswerten. Dabei wird das Hauptaugenmerk wohl auf den europäischen Metropolen liegen, die eine Maut bereits eingeführt haben: London und Stockholm. Das Verkehrsaufkommen geht zurück In London gilt seit Februar 2003 eine Citymaut. Die so genannte London Congestion Charge wird von Montag bis Freitag zwischen 7:00 und 18:00 Uhr fällig und beträgt acht Pfund (11,80 Euro) pro Tag. Für zahlreiche Fahrzeuge gelten Ausnahmeregelungen und Ermäßigungen – von Linienbussen über Elektroautos bis hin zu den Anwohnern. Die Auswirkungen sind dennoch enorm: Das Verkehrsaufkommen ist um 15 Prozent zurückgegangen. Auch gibt es in dem 20 Quadratkilometer großen Gebiet zwischen Tower Bridge und Hydepark ein Drittel weniger Staus und fünfzehn Prozent weniger Unfälle, berichtet die Betreibergesellschaft „Transport for London“. An den durchschnittlich 200.000 Fahrern, die die Gebühr täglich zahlen, verdiene London rund 150 Millionen Euro im Jahr, die in den öffentlichen Nahverkehr investiert würden. Von Anfang an kritisierten Interessenverbände des Güterverkehrs, dass sie nicht wie die Autofahrer die Wahl hätten, auf öffentliche Verkehrsmittel als Alternative umzusteigen. Tatsächlich hat die „Congestion Charge“ wenig am Verkehrsvolumen von Last- und Lieferwagen in London geändert. Eine Umfrage der „Freight Transport Association” (FTA) ergab, dass 85 Prozent ihrer Mitglieder die Fahrten ins Zentrum nicht reduziert haben. Umweltschutz und Mauterhebung Ab Februar 2008 steht nun eine Veränderung der Mauterhebung ins Haus. So plant der Londoner Bürgermeister Ken Livingstone, die Maut noch mehr an den Umweltschutz zu koppeln. Eine Niedrigemissionszone LEZ („Low Emission Zone“) für den Großraum London soll am 4. Februar 2008 in Kraft treten. Die LEZ macht für Last- und Lieferwagen mit dem höchsten Verschmutzungsgrad die Einhaltung spezifischer Emissionsstandards erforderlich, damit diese ohne Zahlung einer Tagesgebühr innerhalb der Zone fahren dürfen. Ansonsten müssen sie eine Tagesmaut von bis zu 200 Pfund (rund 295 Euro) zahlen. Zunächst gilt die LEZ für dieselgetriebene LKW über 12 Tonnen – ab Juli 2008 gilt sie außerdem für alle LKW über 3,5 Tonnen sowie für Busse. Ab Oktober 2010 werden auch Großtransporter und Minibusse betroffen sein. Auf der anderen Seite reduziert sich die normale Mautgebühr für umweltfreundliche Euro-5-LKW von acht auf sechs Pfund. „Ungeachtet unserer Ansicht, dass alle kommerziellen Fahrzeuge keine Maut bezahlen sollten, begrüßen wir die Vorschläge“, kommentiert der verkehrspolitische Sprecher der FTA, Gordon Telling. „Wir glauben, dass diese ein wirklicher Anreiz für die Frachtunternehmer sind, in neue, umweltfreundliche Fahrzeuge zu investieren.“ Verbände sind sich uneins Ein anderer großer Berufsverband, die „Road Haulage Association“ (RHA), ist anderer Ansicht. „Von Anbeginn waren wir die Einzigen, die beständig gegen die Einführung der Niedrigemissionszone kämpften“, sagt der RHA-Vorsitzende Roger King. „Nun zeichnen sich die vollen Kosten und geringen Vorteile dieses Plans ab. Ein verantwortungsbewusster Bürgermeister würde das ganze Unternehmen abblasen.“ Daran denkt die Stadt London wohl ebenso wenig wie Großbritanniens zweitgrößte Stadt Manchester, die nach dem Vorbild der Metropole auch eine „Congestion Charge“ einführen will. Mauteinführung in Stockholm Europaweit ist das Thema Stadtmaut auf der politischen Agenda. Erst Anfang August ist die Stockholmer Citymaut nach langem Hin und Her endgültig zur Dauereinrichtung geworden. Wer zwischen 6.30 und 18.29 Uhr in die schwedische Hauptstadt rollt oder aus ihr hinaus, muss zwischen 10 und 20 Kronen (1,10 bis 2,10 Euro) Wegezoll entrichten, gestaffelt nach Tageszeit. Am teuersten ist es in den Stoßzeiten. Allerdings muss jeder Fahrer nur maximal 60 Kronen (6,50 Euro) am Tag berappen. Kaum jemand ist von der Stockholmer Maut ausgenommen – selbst Transportunternehmen oder Taxifirmen bekommen keine Mengenrabatte. Bengt Ericcson, Eigentümer des Stockholmer Transportunternehmens NFB Transportsystem AB, ein Mittelständler mit rund 90 Angestellten, begrüßt trotzdem die Maut: „Unsere Fahrer berichten regelmäßig von stressfreieren Straßenbedingungen, weniger Staus und schnellerer Auftragsdurchführung. Das ist gut für die Umwelt und gut für mein Unternehmen.“ Die Stadtmaut polarisierte die Stockholmer wie kein anderes Thema. Nach einer siebenmonatigen Testphase im vergangenen Jahr hatten die Hauptstadtbewohner mit knapper Mehrheit im Volksentscheid eine permanente Einführung beschlossen. Bis zu 30 Prozent weniger Verkehr und deutlich leichteres Vorankommen überzeugten vor allem die anfangs kritischen Berufsfahrer. Bessere Luft und weniger Stau Die schwedische Regierung beschloss daraufhin die Einführung der Maut, obwohl sie noch im Wahlkampf vergangenes Jahr versprochen hatte, diese zu kippen. Vor allem die überwiegend positiven Erfahrungen in der Testphase überzeugten die bürgerlichen Politiker: bessere Luft und weniger Stau. Die anfangs besonders kritischen Transporteure schwärmten nach dem Test von herrlichen Straßenbedingungen. Der Verkehr reduzierte sich um bis zu ein Viertel. Laut Umweltamt sank zudem der Kohlendioxidausstoß in der Innenstadt deutlich. Im Güterverkehr wird um jeden Cent gefeilscht, doch Schwedens Transporteure wälzen großteils die Mautkosten nicht auf ihre Auftraggeber ab (siehe Interview). Unternehmer Ericcson bestätigt die Angaben des schwedischen Transportindustrieverbandes: „Insgesamt fallen die zusätzlichen Kosten von maximal 60 Kronen nicht so ins Gewicht. Deshalb haben wir sie nicht auf unsere Kunden übertragen. Eigentlich ist die Maut ökonomisch sogar von Vorteil: Weil wir durch die deutlich verbesserten Straßenbedingungen Aufträge schneller und pünktlicher ausführen, können wir mehr Aufträge annehmen und verdienen letztlich etwas mehr.“ Deutsche Politik diskutiert kontrovers Die Beispiele zeigen: Die Einführung einer Maut kann für die Städte aus verkehrs-, umwelt- und fiskalpolitischer Sicht durchaus interessant sein. Kein Wunder, dass in deutschen Großstädten erste Stimmen laut werden, die eine Mautimplementierung fordern. Ob München, Köln oder Hamburg – in allen Städten liegen Anträge auf dem Tisch, die kontrovers diskutiert werden. In Köln fordern die Grünen, die Citymaut als „ernsthafte Option zur Reduzierung des Autoverkehrs in der Innenstadt“ zu untersuchen. Gleiches gilt für Hamburg und München. So möchte die Grün-Alternative Liste (GAL) in Hamburg die Stadtmaut geprüft wissen – mit einer Differenzierung nach Tageszeit, zurückgelegter Strecke, CO2-Ausstoß und Gewicht des Fahrzeuges. In allen Städten regt sich jedoch Widerstand – nicht selten mit dem Hinweis auf eine Verteuerung der Transportkosten. Im Zentrum der Argumentation der Mautbefürworter steht häufig die Prognose, dass eine durch die Straßengebühr hervorgerufene Verringerung der Verkehrsströme die Feinstaubbelastung in den Städten sinken lassen könnte. Sven Thanheiser, umweltpolitischer Sprecher der SPD im Münchner Rathaus, will davon jedoch nichts wissen: „Eine Citymaut würde in München nur zu marginalen Verringerungen der Fahrzeugströme führen. Gleichzeitig würde eine heftige ideologische Debatte tatsächlich wirksame Maßnahmenpakete dramatisch erschweren.“ Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) fordert den Gesetzgeber auf, „den Kommunen zu ermöglichen, eine Citymaut zu erheben“. Dennoch erwartet Michael Müller, Referent für Verkehrspolitik beim VCD, keinen Schnellschuss: „Das Thema ist sehr emotional besetzt und daher werden die Kommunen so schnell keine Citymaut einführen.“ In Hamburg wird die Idee immerhin vom Senat geprüft. „Wir befinden uns noch im Abwägungsprozess“, so die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt gegenüber der VerkehrsRundschau. Ob dabei etwas Konkretes herauskommt, darf zumindest bezweifelt werden, zu groß erscheinen Befürchtungen der Politik, bei einer Einführung Bürger und Wirtschaft gegen sich aufzubringen. Keine fiskalischen Stadtmauern Generell ließen sich die im Ausland vorhandenen Modelle nicht so einfach übertragen, betont HDE-Experte Roik. Die gewachsenen wirtschaftlichen und geografischen Strukturen seien völlig unterschiedlich. „Eine Citymaut geht in die falsche Richtung, indem sie alleine auf Verkehrsverteuerung setzt“, so Roik. Der HDE fordert die Politik dazu auf, anstelle von Verkehrsbeschränkungen die Infrastruktur zu verbessern. Gerade in der Nahversorgung gebe es keine Alternative zum LKW. Dies bestätigt Dagmar Wäscher, Vorsitzende des Bundesverbandes der Transportunternehmen (BVT): „Ob sich zukünftige Konzepte wie die Citybelieferung mit Straßenbahnen verbunden mit einem kleinteiligen Weitertransport in umweltfreundlichen Fahrzeugen durchsetzen können, bleibt abzuwarten.“ Deshalb lehnt der BVT „fiskalische Stadtmauern und neue Wegezölle an den Stadträndern ab“. Eine Citymaut würde die angespannte Situation der Transportunternehmer, gerade im Nahverkehr, weiter verschärfen. Dies sieht VCD-Experte Müller differenzierter: Die Mautsätze spielten auf das Ladungsgewicht bezogen kaum eine Rolle. Gerade der Wirtschaftsverkehr würde profitieren, „da die Zeitgewinne die Mautkosten mehr als aufwiegen“, so Müller. ❙❚■ A. Anwar, H. Bebber, S. Bollig und T. Rauser Stadtmaut: ARgumente Pro und Contra Zwischen Kostensteigerung und erhöhter Produktivität Die Diskussion um eine Citymaut wird kontrovers geführt. Die VerkehrsRundschau präsentiert – ohne Wertung – eine Übersicht der Argumente der Befürworter und Gegner. Pro Contra Internet: Ein Interview mit dem VCD-Experten Michael Müller zu den Vor- und Nachteilen der Citymaut finden Sie unter www.verkehrsrundschau.de Erfahrung Während sich Politik und Wirtschaft im nordital-ienischen Mailand über die Umsetzung einer Stadtmaut streiten, funktioniert diese in Bologna seit einem Jahr reibungslos. Wer nicht in der Innenstadt wohnt und gemeldet ist, muss zahlen. Fünf Euro kostet der Eintritt für einen Tag, unabhängig vom Fahrzeugtyp. Man kann auch eine Art Abo für zwölf Euro kaufen, die zum viermaligen Eintritt im Monat berechtigt. Geschäftsleute haben Sonderkonditionen für das Entladen der Waren, müssen dafür aber eine sehr kurze Parkdauer an ausgewählten Plätzen in Kauf nehmen. rp Italien probt die Citymaut Mehrere Großstädte haben bereits Mautpläne ausgearbeitet. Freie Fahrt nur gegen Geld: Ob im Umkreis der Münchner Frauenkirche ... Freie Straßen für Güterverkehr Stefan Back, Vorsitzender des schwedischen Transportindustrieverbandes TF, betont die positiven Auswirkungen einer Stadtmaut für den Güterverkehr. Herr Back, wie steht Ihr Verband zur Citymaut in Stockholm? Back: Seit der sehr positiven Erfahrungen aus der sechsmonatigen Testphase sind wir grundsätzlich für die Maut. Die Straßen sind freier geworden und geben so dem Berufsverkehr bessere Möglichkeiten voranzukommen. Auch die Chauffeure berichten von besseren Arbeitsbedingungen auf den Straßen. Aber kostet das Ihre Mitglieder nicht viel Geld? Gütertransporte sind nicht ausgenommen. Die Kosten von maximal 60 Kronen pro Fahrzeug am Tag sind für die Unternehmen eher unbedeutend. Dadurch dass die Straßen freier sind, ist die Produktivität bei Transporten höher. Das einzige Problem ist die Umgehungsstraße über Essingen, die ist seit der Mauteinführung voller geworden. Es sollen zwar nun auch mit dem Geld der Mauteinnahmen neue Umgehungsstraßen gebaut werden, aber das dauert Jahre. Und grundsätzlich verstehen wir nicht, dass der kommerzielle Personenverkehr in Bussen, etwa Touristenbusse, von der Maut befreit ist, aber der Güterverkehr nicht. Das ist nicht konsequent. Haben Ihre Transportunternehmen wegen der Maut ihre Preise erhöht? Nein, eine solche Entwicklung kann ich im Großen nicht ausmachen. Es könnte sogar sein, dass einige ihre Preise senken werden, falls die Transportproduktivität durch leerere Straßen und schnelleres Vorankommen so ansteigt, dass es sich ökonomisch rechnet. Trägt die Stadtmaut dazu bei, dass im Großraum Stockholm eine Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene stattfindet? Nein, ganz sicher nicht. Zum einen sind die Kosten nicht so hoch, dass eine so umfangreiche Umstrukturierung notwendig wäre. Zum anderen bietet die Stockholmer City nicht die Infrastruktur, um mehr Transporte über den Schienenverkehr abzuwickeln. Da gibt es abenteuerliche Vorschläge, wie beispielsweise das U-Bahnnetz für Gütertransporte zu benutzen, aber U-Bahnstationen sind problematisch, wenn es darum geht, schwere Güter zu transportieren. Aber solche Diskussionen in Schweden werden derzeit unabhängig von der Maut geführt. aa Interview Stefan Back vertritt die Interessen der schwedischen Transportunternehmer ...rund um den Hamburger Michel... ... oder im Schatten des Kölner Doms – die Citymaut ist in vielen Städten ein Diskussionsthema. Transportkosten sinken Jörg Lühmann, Sprecher im Verkehrsressort der Grün-Alternativen Liste (GAL) der Hamburgischen Bürgerschaft, befürwortet die Stadmaut-Einführung. Ist die Einführung einer Citymaut in Hamburg sinnvoll? Lühmann: Die positiven Erfahrungen aus London und Stockholm haben gezeigt, dass mit einer Citymaut der Straßenverkehr um bis zu 25 Prozent reduziert werden konnte, wodurch die Belastungen durch Lärm und Abgase gemindert wurden und durch die CO2-Reduktion auch ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet wurde. Welche Vorteile erhoffen Sie sich? Mit einer Citymaut kann eine spürbare Reduktion der KFZ-Verkehrsmengen und deutliche Reduktionen der umweltschädlichen Emissionen erreicht werden, wenn eine Citymaut-Zone so groß bemessen wird, dass Ausweichverkehre vermieden werden. Bei einer Differenzierung der Mauterhebung nach Tageszeiten kann der Verkehrsfluss aller Verkehrsteilnehmer verbessert werden. Durch die Maut erhöhen sich die Transportkosten – könnten Preise für Waren und Dienstleistungen ansteigen? Die Erfahrungen zeigen, dass durch verbesserten, also stetigeren Verkehrsfluss, gerade für gewerbliche Verkehre Zeitvorteile erreicht werden konnten. Damit sinken Transport-, Lade- und Entladezeiten und -kosten, sodass sich die Maut gerade für diese Verkehre als Vorteil erweist. tr Mautkontroverse: Produktivitätszuwachs durch weniger Verkehr versus höhere Transportkosten Interview

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