Logistik-Absolventen

Logistik-Absolventen Akademiker erwünscht Haben Absolventen von Logistik-Studiengängen nach wie vor gute Ein- und Aufstiegschancen? Ein Überangebot an Akademikern auf dem Arbeitsmarkt sehen derzeit nur wenige. Seine Begeisterung für die Logistik hat Julien Nutzeblum schon zu Schulzeiten entdeckt – beim Praktikum in der örtlichen Spedition. „Da saßen Leute neben mir und sprachen von Shanghai und Hongkong – das fand ich richtig gut“, erinnert sich der heute 24-Jährige und lacht. Das Gastspiel in der Exportabteilung bleibt nicht folgenlos: Nutzeblum absolviert nach der Schule eine Ausbildung zum Speditionskaufmann, doch nach zwei Jahren im Beruf spürt er die Grenzen. „Man kann im operativen Geschäft die Dinge nur begrenzt beeinflussen.“ Deshalb entschließt er sich, Wissen nachzutanken: Nutzeblum studiert zwei Jahre Betriebswirtschaft mit der Fachrichtung Verkehr und Logistik an der Deutschen Außenhandels- und Verkehrsakademie, Bremen. Nach dem Abschluss steigt er im April 2012 beim Handelskonzern Lekkerland ein. Hier arbeitet der junge Logistiker an strategischen Projekten, befasst sich etwa mit der optimalen Platzierung der Waren im Lager. Aber haben sich dafür zwei Jahre zusätzliches Lernen gelohnt? Nutzeblum ist davon überzeugt: „In meinem Arbeitsalltag brauche ich die Methodenkompetenz aus dem Studium immer wieder.“ 150 Hochschulen bieten Logistik Logistik studieren liegt im Trend. Das zeigt allein die große Zahl neuer Studiengänge, die in den letzten Jahren landauf und landab entstanden sind: Die Bundesvereinigung Logistik (BVL) schätzt, dass mittlerweile rund 150 Universitäten, Fachhochschulen und Berufsakademien Studiengänge anbieten, die zumindest einen Teil des Curriculums der Logistik widmen. „Pro Jahr verlassen rund 15.000 Absolventen die Hochschulen, die sich intensiv mit Logistik beschäftigt haben“, schätzt Thomas Wimmer, Vorsitzender der BVL-Geschäftsführung. Zum Vergleich: In einer Studie aus dem Jahr 2008 taxierte die TU Berlin die Zahl der Absolventen auf nur 11.600. Das entspricht einem Plus von 20 Prozent in nur fünf Jahren. Aber reicht die gestiegene Zahl der Studierenden aus, um die freien Stellen in der Wirtschaft zu besetzen? „Der Bedarf wird gerade so gedeckt“, meint BVL-Geschäftsführer Wimmer. Er hat ausgerechnet, dass die Schar der Absolventen momentan gerade mal genügt, um die altersbedingten Abgänge in den Betrieben zu ersetzen. Bedenkt man, dass die Gesellschaft weiter altert und der Welthandel gleichzeitig wächst, ist die Schlussfolgerung klar: Logistiker mit akademischer Ausbildung werden noch auf lange Zeit hochbegehrt sein. Aktuell besonders gefragt sind laut BVL vor allem Spezialisten auf drei Gebieten: Experten für schlanke Produktion, Logistiker mit IT-Kompetenz sowie Absolventen, die neben ihrer Muttersprache noch zwei weitere Fremdsprachen beherrschen. Doch auch Generalisten werden nach wie vor gebraucht, also zum Beispiel Betriebswirte oder Wirtschaftsingenieure, die sich mit Supply Chain Management auskennen. „Logistik ist heutzutage eine Querschnittsfunktion wie die IT – sie spielt überall mit herein“, erklärt Wolfgang Bode, Professor an der Hochschule Osnabrück. Sein Haus bietet zum Beispiel Management-Studiengänge mit logistischen Vertiefungen oder Schwerpunkten an, und sogar angehende Juristen werden mit dem Thema vertraut gemacht. „Wer Manager werden will, muss sich mit Logistik auskennen“, ist Bode überzeugt. Er gibt ein Beispiel: In vielen Industrieunternehmen waren Einkauf, Produktion und Lagerhaltung lange Zeit getrennt, jetzt sollen die Funktionen zusammengeführt und optimiert werden. Wer als Manager solche Projekte stemmen wolle, werde ohne fundierte Logistik-Kenntnisse kaum Erfolg haben, so Bode. Zweigeteilter Arbeitsmarkt Grundsätzlich ist der Arbeitsmarkt für Logistiker zweigeteilt: Rund die Hälfte der Jobs entfällt auf die Dienstleister, die andere auf Industrie und Handel. Allein bei der Rewe zum Beispiel sind rund 5700 Mitarbeiter in der operativen Logistik tätig. „Wir haben auf diesen Positionen unglaublich gute Erfahrungen mit dualen Studenten gemacht“, berichtet Sonja Cremer, Personalentwicklerin beim Handelskonzern. Rewe verfolgt das Ziel, die Einsteiger möglichst schnell zum Teamleiter aufzubauen und später auch in weitere Führungsfunktionen zu bringen. Für Absolventen, die lieber konzeptionell arbeiten wollen, bietet sich eine Position in der strategischen Logistik an. Allerdings sind die Einstiegschancen hier vergleichsweise gering – die Abteilung mit Sitz in Köln zählt nur 15 Mitarbeiter. Auf Augenhöhe verhandeln Nicht nur in Handel und Industrie, sondern auch bei den Logistikdienstleistern sind Akademiker mittlerweile heiß begehrt. Der Grund: Die Komplexität des Geschäfts hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Es geht schon lange nicht mehr nur um Transport oder Lagerung, weltweite Versorgungsketten müssen gemanagt und Outsourcing-Leistungen für die Kunden erbracht werden. „Dafür ist es unerlässlich, die Sprache der Industrie zu sprechen“, sagt Andreas Wegner von der Personalberatung NJP, Hamburg, die Logistikunternehmen dabei unterstützt, Fach- und Führungspositionen zu besetzen. Auch Professor Bode teilt diese Einschätzung: „Erfolgreiche Logistiker haben gemerkt, dass sie mit den Kunden nur auf Augenhöhe verhandeln können, wenn sie über ebenbürtig qualifiziertes Personal verfügen.“ Konkret gesagt: Schickt der Industriekunde einen Master an den Verhandlungstisch, muss auch auf der Seite des Dienstleisters einer sitzen. Direkt von der Uni in die Führungsetage geht es allerdings nicht. Gerade bei den großen Logistikfirmen müssen Absolventen zunächst ein Traineeprogramm durchlaufen. Bei der BLG Logistics Group etwa dauert es zwei Jahre, in denen die Einsteiger in Projektmanagement und Kommunikation geschult werden sowie die verschiedenen Bereiche des Unternehmens kennenlernen. „Es geht darum, ein Gefühl für die Praxis zu bekommen. Dinge wie den Umgang mit Betriebsräten oder älteren Mitarbeitern lernt man nicht im Studium“, begründet Angelo Caragiuli, Personalentwickler bei dem Bremer Kontraktlogistik-Spezialisten. Für die Trainees ist die zusätzliche Zeit gut investiert: Sie arbeiten danach oft als Projektmanager für neue Geschäftsfelder oder kümmern sich als Manager of Operations (MOP) um einen bestimmten logistischen Prozess, zum Beispiel um die Lieferung von Autoteilen zu den Werken eines Kunden in den USA. Alle zwei Jahre nimmt BLG zehn bis zwölf neue Absolventen in das Programm auf, darunter sind häufig Wirtschaftsingenieure mit logistischem Schwerpunkt. Akademiker ab Teamleiter-Ebene Aber muss es wirklich immer das Studium sein? Anscheinend schon. Beim Internetkaufhaus Amazon zum Beispiel gilt mittlerweile die Regel, dass alle Mitarbeiter ab Teamleitungsebene einen Hochschulabschluss vorweisen können – sicher eine Position, in der früher keine akademischen Weihen erwartet worden wären. Aber Tatsache ist auch, dass die Akademisierung fast ausschließlich bei den Großen stattfindet. „Im Mittelstand ist das oft noch kein Thema“, beobachtet Personalberater Wegner. Die logische Schlussfolgerung aus seiner Sicht: Wer als Absolvent Karriere machen will, sollte bei einem Großkonzern starten. „In kleinen, inhabergeführten Unternehmen besteht die Gefahr, dass Sie auf einer Position stecken bleiben.“ Die besten Aufstiegschancen gebe es nach wie vor bei den bekannten Namen der Branche, so Wegner. Seine eigene Arbeit für die Marktführer bestätigt das: „Alle Kandidaten, die wir für Führungspositionen vermitteln, haben ein Studium mit logistischer Ausrichtung absolviert.“ Überangebot an Logistik-Absolventen Aber sind die Einstiegschancen wirklich für alle Absolventen so gut? Es gibt auch Gegenstimmen: Im Interview mit der VerkehrsRundschau vertrat der Personalberater Uwe Borowy unlängst die Meinung, dass es aktuell ein leichtes Überangebot in der akademischen Logistikausbildung gibt. Einige Praktiker bestätigen diese Aussage in der Tendenz. „An der Quantität der Absolventen mangelt es nicht“, findet Personalexperte Caragiuli vom Automobillogistiker BLG. Seiner Ansicht nach ist man bei der Akademisierung der Logistik in den letzten Jahren ein wenig über das Ziel hinausgeschossen. Die zunehmende Zahl von Studienabbrechern, die anschließend eine Ausbildung beginnen, zeige das, so Caragiuli. „Es gibt eher einen Engpass bei den gehobenen Facharbeitern.“ Es liegt nicht am Arbeitsmarkt Andere Marktkenner widersprechen der These vom akademischen Überangebot. „Es gibt keine Logistiker-Schwemme“, betont Personalberater Wegner aus Hamburg, und Professor Bode von der Hochschule Osnabrück sekundiert: „Mir sagen die Unternehmen aus der Region, dass sie sogar noch mehr Absolventen aufnehmen könnten.“ Sollte ein Kandidat Probleme bei der Jobsuche haben, läge dies eher an der individuellen Persönlichkeit als am Arbeitsmarkt. Dieser Ansicht ist auch BVL-Geschäftsführer Wimmer. Wenn ein Absolvent keinen Job fände, dann häufig, weil er oder sie während des Studiums zu wenig praktische Erfahrungen gesammelt habe. Wimmer, der an der Universität Bremen als Honorarprofessor tätig ist, rät deshalb dringend dazu, schon während des Studiums so viel Zeit wie möglich in den Betrieben zu verbringen. „Logistik ist eine praxisorientierte Wissenschaft!“ Diese Einschätzung teilt auch Personalentwicklerin Cremer von Rewe: „Praktika sind unheimlich wichtig.“ Sie müssten nicht unbedingt in der Branche des angepeilten Arbeitgebers absolviert werden. Vor allem wichtig sei, dass der Studierende Einblick in das Operative gewänne, so Cremer. „Es muss einfach bekannt sein, wie ein Lager funktioniert.“ ❙❚■ Constantin Gillies, freier Journalist Interview „Dringender Personalbedarf“ Personalvorstand Thomas Schulz zum Bedarf an Hochschul- absolventen beim Logistikdienstleister DB Schenker. Wie groß ist der Bedarf an Hochschulabsolventen bei DB Schenker pro Jahr? Thomas Schulz: Allein in Deutschland beginnen 50 bis 60 Personen pro Jahr unser Traineeprogramm, darunter sind Studierende der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten wie auch Ingenieure oder Physiker, wobei unser Interesse an Absolventen mit logistischem Schwerpunkt besonders groß ist. Für DB Schenker insgesamt liegt der Rekrutierungsbedarf sicher im dreistelligen Bereich. Gibt der Arbeitsmarkt das her? In Deutschland haben wir noch genug Be-werber, international sieht das anders aus. Logistische Studiengänge wie bei uns gibt es in vielen Ländern nicht. Warum muss Logistik überhaupt studiert werden? Das Geschäft ist komplexer geworden und die Qualität des Personals auf Kundenseite her-vorragend. Wir brauchen Mitarbeiter, die sich auf Augenhöhe bewegen können. Bevorzugt DB Schenker Absolventen bestimmter Hochschulen? Nein, wir arbeiten mit vielen Hochschulen zusammen, etwa mit der TU Darmstadt oder Berlin, aber auch mit den ehemaligen Berufsakademien, exemplarisch könnte man hier die Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, die EUFH Köln oder die Hochschule Mannheim nennen. Mittlerweile gibt es 150 akademische An-gebote rund um die Logistik. Ist das viel-leicht ein bisschen viel? Das glaube ich nicht. Es gibt immer noch einen Nachholbedarf in der akademischen Landschaft. Kaum ein Geschäft wächst so rasant wie die Logistik, daraus entsteht ein dringender Personalbedarf, den wir abdecken müssen. Wichtig aus unserer Sicht ist, dass die Qualität der Lehre stimmt. cg Einstiegsgehälter in der Logistik Akademiker, bis 2 Jahre Berufserfahrung Die Einstiegsgehälter für Akademiker im Bereich Logistik variieren stark. Während große Unternehmen in der Regel ein Jahresgehalt zwischen 35.442 und 48.083 Euro zahlen, müssen sich Berufseinsteiger bei kleinen Betrieben mit 30.036 bis 38.854 Euro zufrieden geben. ak unteres Quartil, 25 Prozent verdienen weniger als … 50% verdienen mehr, 50% verdienen weniger als … oberes Quartil, 25 Prozent verdienen mehr als … nach Firmengröße Q1 Median Q3 klein (1000 Mitarbeiter) 35.442 € 41.822 € 48.083 € nach Funktion Q1 Median Q3 Einkauf 29.529 € 39.191 € 53.495 € Materialwirtschaft, Logistik 35.180 € 39.719 € 47.652 € Controlling 34.257 € 38.039 € 43.421 € Personalreferent 34.214 € 36.035 € 38.738 € Marketing 20.730 € 30.000 € 35.626 € Vertrieb 30.904 € 39.950 € 44.446 € Quelle: www.personalmarkt.de