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LNG-Misere: „Uns hört nicht einmal ein Politiker zu“

29.08.2022 08:00 Uhr | Lesezeit: 10 min
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Fürchtet um sein Unternehmen wegen der hohen LNG-Preise: Sven Schindler, Geschäftsführer Team Schindler in Stuhr bei Bremen
© Foto: Team Schindler GmbH & Co. KG

Vor wenigen Jahren lockte die Bundesregierung Transport- und Speditionsunternehmen zum Kauf von LNG-Lkw. Jetzt, wo die LNG-Preise explodieren, lässt sie Politik damit allein – mit massiven Folgen. Ein Interview mit Sven Schindler, Geschäftsführer der Lkw-Spedition Team Schindler.

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Sie sind Geschäftsführer der Lkw-Spedition Team Schindler in Stuhr. Am 12. August haben Sie in Berlin eine Sternfahrt organisiert, um mit anderen Transport- und Speditionsbetrieben gegen die hohen LNG-Preise zu demonstrieren. Wie kam es dazu?

Der Auslöser war letztlich die Mail unseres Tankstellen-Betreibers vom 27. Juli 2022. Darin informierte er uns, dass ein Kilogramm LNG ab sofort 3,299 Euro brutto kostet. 3,299 Euro! Das ist verrückt! Als wir im März 2021 unsere LNG-Lkw gekauft haben, lag der LNG-Preis noch bei 98 Cent netto. Sprich: der Preis ist in knapp eineinhalb Jahren fast um das Vierfache gestiegen. Für unseren Betrieb ist das die Katastrophe! Die Hälfte unserer 14 Lkw fahren ja mit LNG.

Sie führen ja Transporte im Nah- und Fernverkehr durch und haben Sie sich auf Spezialtransporte spezialisiert. Wie wirken sich diese LNG-Teuerungen konkret auf Ihren Betrieb aus?

Das ist massiv. Ein LNG-Lkw fährt bei uns im Schnitt mit Ein-Mann-Besetzung im Fernverkehr jährlich rund 120.000 Kilometer. Das sind monatlich rund 12.000 Kilometer. Dafür verbraucht er im Schnitt 3480 Kilo LNG. Bei Anschaffung unserer LNG-Lkw lagen unsere variablen Kraftstoffkosten bei rund 3410 Euro im Monat – bei einem LNG-Preis von 1,166 Euro brutto pro Kilo. Aktuell liegt er bei 3,959 Euro brutto (Stand 1. August 2022 – die Red.). Sprich: unsere variablen Kraftstoffkosten liegen nun bei 13.777,32 Euro. Pro Lkw sind das 9.719,64 Euro Mehrkosten im Monat – allein durch den hohen LNG-Preis; die höheren Fahrer-, Wartungs- und Reifenkosten sind da noch gar nicht drin.

Können Sie mit Transportbetrieben, die Diesel-Lkw fahren, da noch preislich mithalten?

Nein. Wir sind absolut nicht mehr wettbewerbsfähig. Um unsere Kosten decken zu können, bräuchten wir aktuell für eine Tour von Bremen nach München insgesamt 1650 Euro für rund 765 gefahrene Kilometer. Das bezahlt uns aber natürlich keiner. 900 Euro mehr sind im Markt nicht drin.

Wie kommen Sie auf diese 1650 Euro?

Allein die LNG-Kosten machen da pro Strecke 765 Kilometer, also 884 Euro aus (29 Kilo LNG auf 100 Kilometer multipliziert mit aktuell 3,959 Euro pro Kilo LNG). Dazu kommt, dass ein LNG-Lkw in der Anschaffung rund 36.000 Euro mehr kostet als ein vergleichbarer Diesel-Lkw (Stand März 2021). Auf den gab es zwar theoretisch 12.000 Euro Zuschuss vom Bund Richtlinie über die Förderung von energieeffizienten und/oder CO2-armen schweren Nutzfahrzeugen in Unternehmen des Güterkraftverkehrs, wir erhielten aber letztlich 0,00 Euro, weil der Fördertopf zum Zeitpunkt der Lieferung der Fahrzeuge bereits leer war. Damit nicht genug. Auch der LNG-Wartungsvertrag kostet monatlich 380 Euro bis 420 Euro; für den Diesel bezahlt man dagegen nur 200 Euro bis 220 Euro. Die Kosten für den Fahrer, Reifen, Schäden, Paletten, die Versicherungen, Verwaltungskosten etc. sind da noch nicht drin. Insgesamt müssten wir also 1650 Euro für die Tour von Bremen nach München mit dem LNG-Lkw berechnen.

Und die finanzielle Entlastung durch die Mautbefreiung für LNG-Lkw hilft Ihnen auch nicht?

Doch, schon. Zumindest anfangs. Wenn der LNG-Preis bei rund einem Euro pro Kilo geblieben wäre, hätten sich unsere Mehrkosten für die Anschaffung eines LNG-Lkws und den Wartungsvertrag, durch die Maut-Befreiung voraussichtlich innerhalb von vier Jahren amortisiert. Wie gesagt, die derzeit massiven LNG-Preise machen das zunichte. Am 31. Dezember 2023 läuft die Mautbefreiung aus. Dann ist der LNG-Antrieb endgültig tot.

Warum legen Sie Ihre LNG-Lkw jetzt nicht einfach still, solange LNG so teuer ist?

Das machen in der Tat einige Unternehmer, zumal Iveco angeboten hat, in dieser Zeit die Wartungsverträge auszusetzen. Unterm Strich steht aber das Fahrzeug dann auf dem Hof. Was ist, wenn zum Beispiel ein Sturm aufzieht? Den Schaden, der dann eventuell an Fahrzeugen entsteht, bezahlen wir dann wieder selbst, denn das Fahrzeug ist nicht mehr versichert. Außerdem wird LNG bei stehenden Fahrzeugen wieder gasförmig. Spätestens nach vier Wochen also, ist dann der Tank komplett leer. Das verbleibende Gas entweicht durch die Entlüftung der Tanks. Einen LNG-Lkw tankt man nicht einfach mal eben wieder mit einem Kanister auf, wie beim Diesel. Dafür muss extra eine Firma in unseren Betrieb kommen. Das kostet dann richtig viel Geld. Außerdem müssen die monatlichen Raten an die Bank ja trotzdem weiterbezahlt werden. Unterm Strich hilft, denke ich, das Stilllegen von Lkw also nicht.

Und ein Verkauf der LNG-Fahrzeuge, zum Beispiel in andere Länder, lohnt auch nicht?

In der aktuellen Situation lehnt ein Händler entweder gleich ab, oder er bezahlt das nicht. Ein Kollege, der unlängst seinen LNG-Lkw mit 700.000 Kilometer Laufleistung verkaufen wollte, hätte dafür 7500 Euro erhalten. So viel kosten allein die Reifen des Fahrzeugs.

Warum haben Sie sich seinerzeit überhaupt für den Kauf eines LNG-Lkws entschieden?

Klingt pathetisch, aber genauso ist es. Wir haben einen kleinen Sohn. Wir wollten, dass auch er unseren Planeten in Jahrzehnten noch bewohnen kann.  Also unser Beitrag zum Klimaschutz. Das war der Hintergrund für unsere Entscheidung. Zumal wir, wie ich schon sagte, nach vier Jahren bei einer schwarzen Null gelandet wären. Stattdessen werden wir von unserer Regierung im Regen stehen gelassen. Dass wir mit dem LNG-Lkw jährlich 44 Tonnen weniger CO2 ausstoßen als mit einem Diesel-Lkw interessiert offenbar keinen mehr.

Honorieren Ihnen Ihre Kunden zumindest Ihr LNG-Engagement finanziell?

Am Anfang waren die Auftraggeber davon begeistert und haben nachgefragt, ob sie damit werben dürfen. Stichwort Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Als die LNG-Preise aber stiegen, meinten sie nur, dass es unsere eigene Entscheidung gewesen sei, einen LNG-Lkw zu kaufen. Plötzlich haben sich alle weggeduckt. Nicht einmal einen LNG-Floater haben sie von uns akzeptieren wollen. Ich kenne wirklich nur einen einzigen Spediteur, dessen Kunde den LNG-Floater akzeptiert, aber auch nur noch bis zum 1. September 2022.

Was sagen eigentlich Ihre Branchenkollegen, die auch LNG-Lkw einsetzen, zu dieser ganzen Misere?

Die sind zum Teil noch viel verzweifelter als ich. Da ich Spezialtransporte fahre, bekomme ich einen höheren Kilometerpreis als ein Unternehmer, der beispielsweise klassische A-B-Transporte durchführt. Denen steht das Wasser bereits schon über dem Hals. Die sind so verzweifelt, dass sie mit dem Gedanken spielen, ihren LNG-Lkw über die Standheizung in Brand zu stecken. Die Not ist riesig. Ich kenne einen Unternehmer, der hat aus Verzweiflung geweint, weil er nicht mehr weiter weiß. Andere sind nur wütend. Die Unternehmer verlieren im Moment alles, was sie über Jahrzehnte aufgebaut haben, Haus und Hof!

Wie haben bislang die Politiker reagiert, mit denen Sie zu dem Thema gesprochen haben?

Wir haben seit Anfang des Jahres vielfach versucht, mit der Politik in den Dialog zu treten – auch gemeinsam mit dem BGL, um sie auf die Probleme der Transportunternehmen durch die hohen LNG-Preise hinzuweisen. Leider kam bislang nichts, außer dem Versprechen den Sachverhalt zu prüfen. Weder von Bundesverkehrsminister Volker Wissing, Staatssekretär Oliver Luksic noch von Bundesfinanzminister Christian Lindner.

Nur Matthias Gastel vom Bündnis 90/Die Grünen äußerte sich in einem Videocall zu dem Thema. Er vertritt seit 2013 den Wahlkreis Nürtingen/Filder im Bundestag und steht für eine ökologische und soziale Verkehrswende. Er sagte da wörtlich: „Ich muss Ihnen dazu sagen, wir haben als Grüne eindringlich in der letzten Legislaturperiode bei Einführung der Förderung davor gewarnt, diese Förderung für LNG-Lkw zu machen, weil wir nicht die Umweltvorteile sehen, die dieses gerechtfertigt hätten.“ Aus meiner Sicht steht das aber im krassen Widerspruch zu aktueller LNG-Politik der Bundesregierung.

Wieso?

Aktuell wird zum Beispiel für mindestens 636 Millionen Euro ein schwimmendes LNG-Terminal in Wilhelmshaven errichtet. Außerdem kauft der Bund weltweit LNG, das per Schiff rund um die Welt befördert wird. Dafür sieht die Politik nun die Notwendigkeit. Da stellt sich die Frage, warum LNG hierfür nun benötigt wird und sich nicht jeder eine Ölheizung in sein Haus stellt, ganz einfach, weil LNG bei der Verbrennung deutlich weniger CO2 freisetzt als Erdöl und Kohle und damit deutlich umweltschonender ist als Erdöl. Für die LNG-Lkw gilt das aber offenbar nicht.

Was sollte die Politik jetzt tun, um Ihnen zu helfen?

Eine Option könnte sein, den LNG-Preis an den Tankstellen an den Dieselpreis zu koppeln. LNG wäre dann so teuer wie Diesel. Hier bräuchten wir keinen LNG-Floater. Die Differenz Diesel-LNG könnte aus dem Fördertopf, der für Unternehmen zur Verfügung steht, die durch die Energiekrise in Schieflage geraten sind oder durch die Mehreinnahmen bei der Mineralölsteuer, die seit Anfang des Jahres kräftig gesprudelt sind, finanziert werden. Hier bräuchten wir auch nur bis voraussichtlich zweites Quartal 2024 eine staatliche Unterstützung, denn dann ist voraussichtlich Bio-LNG in großen Mengen verfügbar. Die Industrie plant hier bereits auf Hochtouren.

Eine andere wäre aber auch eine Art Abwrackprämie für LNG-Lkw, wie sie ein Transportunternehmer aus NRW vorgeschlagen hat. Bezahlt werden könnte diese ebenfalls aus dem Fördertopf, der für Unternehmen zur Verfügung steht, die durch die Energiekrise in Schieflage geraten sind. Und ermitteln ließe sich die Abwrackprämie auf Basis der Kilometer-Laufleistung des Lkw, seinen Restbuchwert und die Höhe seines Anschaffungspreises. Und die Bundesregierung könnte die LNG-Fahrzeuge dann abwracken. Zumal sie diese Fahrzeuge sowieso nicht mehr wünscht, wie ich aus verschiedenen Telefonaten mit der Politik weiß. Das hat der BGL auch der Regierung so vorgeschlagen. Und zunächst hielten sie das auch für eine gute Idee, lehnten sie dann aber doch ab.

Warum wurde dieser Vorschlag von der Politik abgelehnt?

Wenn sie dem Vorschlag zugestimmt hätte, hätte die Politik den Kauf von LNG-Fahrzeugen bezuschusst, die Lkw-Maut-Befreiung für LNG-Lkw beim europäischen Gerichtshof eingeklagt und würde jetzt noch das Abwracken der LNG-Lkw mit einer Prämie subventionieren. Das lässt sich keinem Wähler vermitteln. Deshalb hat die Bundesregierung den Vorschlag abgelehnt.

Fühlen Sie sich von der Politik da allein gelassen?

Ja, das ist so. Wir haben als Unternehmer in eine umweltschonende Technologie investiert, die als Brückentechnologie gilt. Damals, als ich unsere LNG-Fahrzeuge kaufte, gab es bundesweit 90 LNG-Tankstellen. Wir sind riesige Umwege gefahren, damit wir unsere Lkw tanken konnten. Trotzdem haben wir es gemacht – weil wir damit unseren Beitrag für Klimaschutz leisten wollten. Wir wurden durch Subventionen und Mautersparnis, zum Kauf der neuen Technologie durch die damalige Regierung, gelockt. Jetzt hört uns nicht einmal ein Politiker zu. Ja, ich fühle mich von der Politik im Moment allein gelassen und verraten. Mein Vertrauen in die aktuelle Politik ist unter dem Nullpunkt angekommen.

Das Interview führte VerkehrsRundschau-Redakteurin Eva Hassa

 

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