Im Verkehrsausschuss des Bundestages fand am Montag, 25. September, eine öffentliche Anhörung zur Novellierung der Lkw-Maut in Deutschland statt. Grundlage ist der Entwurf „eines Dritten Gesetzes zur Änderung mautrechtlicher Vorschriften“, der vorsieht, dass die Lkw-Maut ab 1. Dezember 2023 um eine CO2-Komponente erweitert werden. Ab 1. Juli sollen dann auch Lkw mit über 3,5 bis 7,5 Tonnen technisch zulässiger Gesamtmasse die Maut entrichten müssen. Die Bundesregierung geht dem Entwurf zufolge von Maut-Mehreinnahmen durch die Einführung der Kohlenstoffdioxid-Differenzierung (nur Fahrzeuge ab 7,5 Tonnen berücksichtigt) von 26,61 Milliarden Euro für die Jahre 2024 bis 2027 aus. Im Verkehrsausschuss gab es seitens der Transport- und Logistikverbände unter anderem Kritik am derzeitigen Zeitplan.
So erklärte der Bundesverband Güterverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) in seiner Stellungnahme, man spreche sich zwar grundsätzlich für eine CO2-Mautreform aus, lehne jedoch die konkrete Form der Umsetzung durch den vorliegenden Gesetzentwurf als „sinnlosen Inflationstreiber inmitten einer Wirtschaftskrise ohne jede Lenkungswirkung ausdrücklich ab“.
Mit dem Gesetzentwurf verdopple die Bundesregierung die Lkw-Maut nahezu und belaste Wirtschaft und Gesellschaft mit jährlich etwa 7,62 Milliarden Euro zusätzlich, sagte BGL-Vorstandssprecher Dirk Engelhardt. Gerade für kleine mittelständische Betriebe sei es nicht ohne Weiteres möglich, die Mehrkosten an die Auftraggeber weiterzugeben.
Der BGL plädierte auf eine Verschiebung der CO2-Maut auf den 1. Januar 2025, zumindest aber auf den 1. Januar 2024, um die Anpassung bestehender Verträge für nur einen Monat vor dem Jahreswechsel zu vermeiden. Zudem spricht sich der BGL für die Gleichstellung biogener Kraftstoffe und E-Fuels mit emissionsfreien Fahrzeugen aus und fordert einen Verzicht auf die Differenzierung der Maut in Stoßzeiten.
DSLV: Lenkungswirkung wird verfehlt
Der Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV) bezeichnet in seiner Stellungnahme eine Bepreisung von CO2-Emissionen zwar als „ein ordnungs- und marktwirtschaftlich grundsätzlich geeignetes Lenkungsinstrument“, doch seien die dafür notwendigen Voraussetzungen mit dem geplanten Inkrafttreten des Dritten Gesetzes zur Änderung mautrechtlicher Vorschriften im Straßengüterverkehrssektor „überwiegend nicht erfüllt“.
Bis Ende dieses Jahrzehnts seien „emissionsfreie Fahrzeuge flächendeckend nicht einsetzbar, weil der Aufbau korrespondierender europäischer Ladeinfrastrukturen und vor allem der Energienetze noch Jahre in Anspruch“ nehmen werde, so der DSLV. Die Verlagerungsoptionen auf das System Schiene seien „aufgrund erheblicher infrastruktureller Defizite auf Jahre begrenzt“. Die jetzt vom Bund eingeleiteten, dringend erforderlichen Sanierungsmaßnahmen des Schienennetzes würden in den kommenden Jahren zunächst zu einem zusätzlichen Qualitätseinbruch führen, so dass die Hürden für eine Verkehrsverlagerung tendenziell erhöht würden. Daher werde „die mit der Verdoppelung der bestehenden Mautsätze angedachte Lenkungswirkung zu diesem frühen Einführungszeitpunkt deutlich verfehlt“, schreibt der DSLV.
Hingegen sieht der Verband Netzwerk Europäischer Eisenbahnen / „Die Güterbahnen“ (NEE/Die Güterbahnen) im Gesetzesentwurf der Bundesregierung „eine bedeutende und überfällige Weiterentwicklung der Anlastung von Wegekosten und vor allem der Internalisierung von Umweltkosten im Straßen(güter)verkehr, mit der die Erreichung der gesetzlichen Ziele zur Senkung der klimarelevanten Emissionen aus dem Straßengüterverkehr unterstützt“ werde. Eine „spürbar erhöhte Maut“ unterstütze indirekt die immer wieder diskutierten Ziele einer höheren Auslastung im Straßengüterverkehr/Vermeidung von Leerfahrten sowie die Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe und „kurzer Wege“. Daher sollte das Gesetz „zügig beschlossen und noch in diesem Jahr in Kraft gesetzt werden, um Planungssicherheit für alle Beteiligten zu schaffen“, so die Güterbahnen.
Zeitrahmen ist zu früh angesetzt
Der Bundesverband Logistik & Verkehr-pro (BLV-pro) brachte in seiner Stellungnahme seine „dezidierte Ablehnung gegenüber dem Gesetzesentwurf zum Dritten Gesetz zur Änderung mautrechtlicher Vorschriften“ zum Ausdruck. Der Gesetzentwurf werde „nicht nur die bereits steigende Inflation weiter befeuern, sondern auch erhebliche wirtschaftliche Belastungen für Unternehmen im Güterkraftverkehrssektor mit sich bringen“, so der Verband.
„Unsere Bedenken liegen insbesondere in der fehlenden Eignung des vorgeschlagenen CO2-basierten Mautsystems als Lenkungsinstrument. Die angestrebte CO2-Bepreisung ist grundsätzlich unterstützenswert, aber sie erfordert realistische Alternativen für Unternehmen, ausreichende finanzielle Ressourcen für den Übergang zu emissionsfreien Technologien und einen angemessenen Planungsvorlauf für betriebliche Anpassungen“, heißt es in der Stellungnahme.
All diese Voraussetzungen sieht BLV-pro als „gegenwärtig nicht erfüllt“ an. Vor allem sei der geplante Zeitrahmen für die Einführung der CO2-Maut „zu früh angesetzt“, da emissionsfreie Fahrzeuge bis zum Ende des Jahrzehnts flächendeckend nicht verfügbar sein werden.
Thomas Hansche, stellvertretender Vorsitzender des Bundesverbandes Logistik & Verkehr-pro, forderte eine Verschiebung des Inkrafttretens der CO2-basierten Maut bis zum 1. Januar 2030 sowie die Gleichstellung biogener Kraftstoffe und E-Fuels mit emissionsfreien Fahrzeugen.
BIEK: Kostensteigerungen von vier Prozent erwartet
Die Mehrkosten in Höhe von 28 Milliarden Euro bis zum Jahr 2027 müssten im ersten Schritt in jedem Fall von den Transportunternehmern getragen werden, sagte Carsten Hansen, Leiter Grundsatzfragen und Innenstadtlogistik beim Bundesverband Paket und Expresslogistik (BIEK). In der Folge werde es aber eine Umlage auf die Verbraucher geben müssen.
„Das ist ganz sicher.“ Gleichwohl sei das gerade in der Paketbranche nicht so einfach. Gerade im Online-Handel gebe es große Handelsunternehmen, die mit dem Transport nichts verdienen müssten.
Wenn nun die Bundesregierung in der Gesetzesbegründung von einer Transportkostensteigerung von lediglich 0,1 Prozentpunkten ausgehe, sei das sehr schädlich für die Bemühungen der Branche, kostengerechte Preise durchzusetzen. Beim BIEK, wie auch bei anderen Verbänden, gehe man von Kostensteigerungen in Höhe von vier statt 0,1 Prozent aus, sagte Hansen.
Diskussion um HVO, Bio-CNG und Bio-LNG
Frank Huster, Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV), kritisierte zudem die „einseitige technologische Festlegung auf batterieelektrische und brennstoffzellenelektrische Antriebe sowie Wasserstoffmotoren“. Der Einsatz fortschrittlicher biogener Kraftstoffe und E-Fuels in Verbrennungsmotoren, der schnell und ohne technischen Umrüstaufwand CO2-Reduktionserfolge um bis zu 90 Prozent im Straßengüterverkehr realisieren könne, bleibe indes unberücksichtigt.
Kim Kohlmeyer von Transport & Environment Deutschland sieht den Einsatz solcher sogenannter „erneuerbaren Kraftstoffe“ als nicht mit dem EU-Recht vereinbar an. Von ihrem Einsatz sei aber auch aus anderen Gründen dringend abzuraten.
Erneuerbare Kraftstoffe, einschließlich fortschrittlicher Biokraftstoffe und strombasierter Kraftstoffe, würden auf absehbare Zeit knapp und teuer bleiben „und aufgrund von Nachhaltigkeitsaspekten nicht zur Verringerung der Emissionen beitragen“. Gleichzeitig würde eine Einbeziehung aus Sicht Kohlmeyers ihre dringend benötigte Verfügbarkeit für Sektoren wie die Schifffahrt, den Luftverkehr und die chemische Industrie erheblich beschränken. „Da, wo es möglich ist, muss elektrifiziert werden“, sagte sie.
Uni Jena: Kurzfristig wohl keine Anreiz- und Klimawirkung erreichbar
Professor Matthias Knauff vom Lehrstuhl für Öffentliches Recht an der Friedrich-Schiller-Universität Jena bezweifelte, ob die mit dem Gesetz verfolgte Anreizwirkung kurzfristig erreicht werden kann. Eine Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene setze entsprechende Transportkapazitäten, der Einsatz emissionsfreier und damit klimafreundlicher Lkw deren Marktverfügbarkeit voraus.
„Beides ist derzeit nur sehr eingeschränkt gegeben, so dass die klimapolitisch gewünschte Vermeidung höherer Mautkosten zumindest in naher Zukunft auf tatsächliche Grenzen stößt“, so Knauff.
Damit erweise sich die Einführung einer CO2-Komponente zum aktuellen Zeitpunkt als „bloße Verteuerung des Gütertransports auf der Straße ohne Klimaschutzwirkungen“. Dies gelte umso mehr, als deren vorgesehene Höhe „erheblich und nicht europarechtlich bedingt ist“.
Güterbahnen sehen Verlagerungspotenzial, aber limitierender Faktor Infrastruktur
NEE-Vertreter Peter Westenberger sieht die Güterbahnen sehr wohl in der Lage, mehr Güterverkehr abzuwickeln. „Wir haben Verlagerungspotenzial“, sagte er.
Schon in den vergangenen Jahren sei der Schienengüterverkehr prozentual stärker gewachsen als der Straßengüterverkehr. Seit 2010 habe es ein Wachstum von 29 Prozent gegeben, „obwohl immer gesagt wurde, die Eisenbahn kann gar nicht mehr fahren“.
Westenberger sagte weiter, ein Marktanteil von 35 Prozent bis 2030 sei möglich. Heute liege der Marktanteil bei 20 Prozent. Eine solche Steigerung würde sich auch auf den Autobahnen in Form eines geringeren Anteils von Lkw bemerkbar machen, sagte er. Der limitierende Faktor für mehr und schnelleren Schienengüterverkehr sei die Infrastruktur. Daher müsse die dies betreffende Finanzierung deutlich verbessert werden.
TollCollect: Ausweitung der Maut auf 2,5 Tonnen technisch machbar
Der Vorsitzende der Geschäftsführung des mit der Mauterhebung beauftragten Unternehmens Toll Collect, Gerhard Schulz, äußerte sich auf Nachfrage zur Möglichkeit, auch für Fahrzeuge ab 2,5 Tonnen Maut zu erheben. Die wesentliche Herausforderung für die Ausweitung sei die Beschaffung und Bereitstellung der On-Board-Units, der Lesegeräte. Mehr als eine Million solcher Geräte würden benötigt, sagte Schulz. Nach Einschätzung von Toll Collect sei die Ausweitung der Maut auf Fahrzeuge ab 2,5 Tonnen innerhalb von 24 Monaten „technisch und fachlich möglich“.