Lkw-Fahrermangel: Wo ist der Kracher?

Letzte Woche in Berlin, Sitzungssaal E.600 im Paul-Löbe-Haus. Der Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestags tagt. Thema: der Fahrermangel - mal wieder. Verkehrspolitiker aller im Bundestag vertretenen Parteien befragen die geladenen Experten - Unternehmer sowie Verbandsvertreter aus dem Straßengüter- und -personenverkehr - zum Fahrermangel und vor allem zu den Möglichkeiten, wie sich dieser Mangel beheben lässt. Und auch, so viel kann man verraten, wenn nicht viel Neues in dem Saal zu hören war - zumindest nicht für die Experten -, so wurde zumindest offensichtlich, welche gravierenden Folgen das Thema hat/noch haben wird, wie schwer sich Lösungen für das Problem finden lassen und als Konsequenz daraus, wie dringend jetzt endlich Maßnahmen ergriffen werden müssen. Denn laut Jens Pawlowski fehlen bereits jetzt 60.000 bis 80.000 Lkw-Fahrer in Deutschland. "Es ist fünf vor zwölf", sagte dann auch der Leiter der Berliner Repräsentanz des BGL (Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung). Man ist geneigt, ihn angesichts dieser Zahlen zu korrigieren und zu sagen: Es ist bereits fünf nach zwölf. Die Versorgung ist gefährdet Beunruhigend ist vor allem, dass der Zeiger unaufhörlich weitermarschiert, wie Pawlowski deutlich machte: "Ein Drittel der Fahrer ist schon jetzt älter als 55 Jahre." 30.000 Fahrer scheiden jährlich aus, nur 15.000 kommen nach, weshalb das Problem des Fahrermangels Jahr für Jahr an Schärfe zunimmt. Viele Betriebe müssten Aufträge wegen fehlender Fahrer ablehnen. "Dann haben wir ein großes Problem bei der Versorgung der Gesellschaft und Wirtschaft mit Waren", sagte der BGL-Vertreter. Also was kann man dagegen tun? Diese Frage stellten die Politiker den geladenen Experten. Die Antworten waren so vielfältig wie die Ursachen des Fahrermangels. Uta Alborn, Personalchefin bei der Spedition August Alborn, beklagte den schlechten Ruf, den der Beruf des Lkw-Fahrers hätte. Die Spedition würde gerne jedes Jahr ein bis zwei Fahrer ausbilden, bekomme aber keine oder kaum Bewerbungen. Deswegen müsse man dringend am Image des Berufskraftfahrers arbeiten. Mehrere der Experten mahnten Veränderungen bei der Ausbildung an. Eine Hürde sei das Wohnortprinzip. Dazu nannte Ilja Nothnagel, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des DIHK (Deutscher Industrieund Handelskammertag), ein Beispiel: So würde einem Albaner, der in seinem Heimatland seinen Wohnort hat und in Kroatien seinen Lkw-Führerschein macht, diese Fahrerlaubnis in der EU nicht anerkannt. Er sprach sich für ein EU-einheitliches Vorgehen bei der Anerkennung von Führerscheinen aus Drittstaaten aus. Frank Huster, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Spedition und Logistik (DSLV), sah in der Rekrutierung ausländischer Fahrer zwar eine Möglichkeit, den Fahrermangel einzudämmen. Aber er wies darauf hin, dass der Fahrermangel europaweit ein Problem sei: "In Rumänien fehlen 70.000 Fahrer, in Polen genauso viele wie in Deutschland. In anderen Ländern sieht es nicht besser aus. Daher möchte ich davor warnen, zu hohe Erwartungen in die Anwerbung ausländischer Fahrer zu setzen." Huster glaubt nicht, dass damit der Trend umgekehrt werden könne. Unter jungen Menschen nicht angesagt Und Huster macht auf ein Problem aufmerksam, das womöglich eine der größten Hürden bei der Anwerbung des Nachwuchses ist: "Bestimmte Berufe sind bei jungen Menschen schlichtweg nicht mehr angesagt. Sie wollen regelmäßige Arbeitszeiten, Homeoffice, Work-Life-Balance: Da passt das Berufsbild des Kraftfahrers nicht hinein." Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses und Moderator der Veranstaltung, Udo Schiefner (SPD), hielt fest, dass es viele kleine Mosaiksteinchen gäbe, aber ein Patentrezept habe er auch nicht. "Wo bleibt der große Kracher?", fragte er in die Runde. Da waren sich die Experten einig: Den Königsweg gibt es nicht. Henning Rehbaum von der CDU sagte daher: "Die eine große Maßnahme gibt es nicht. Dann müssen es viele kleine sein." Mehr zum Thema finden Sie unter #Fahrermangel www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze 60.000 bis 80.000 Lkw-Fahrer fehlen alleine in Deutschland. Aber auch in anderen Staaten Europas grassiert der Fahrermangel. In der Politik hat man das Problem erkannt. Doch zeigte eine Anhörung im Verkehrsausschuss des Bundestages, dass man von Lösungen noch weit entfernt ist. Kommentar Zum zweiten Mal innerhalb eines halben Jahres hat sich der Verkehrsausschuss des Bundestages mit dem Fahrermangel befasst. Außer vielen Worten ist dabei nichts herumgekommen. Gefordert sind angesichts der sich verschärfenden Lage jetzt Taten. Zum Beispiel eine (wissenschaftlich untermauerte) Analyse, welche Maßnahme wie viel Potenzial in sich trägt, den Fahrermangel zu beheben. Ja, das ist schwierig zu berechnen. Aber nur, weil etwas schwierig ist, kann man sich davor ja nicht drücken. Lamentiert wurde genug. Und klagen ist einfach. Handeln ist jetzt angesagt und konkrete Beschlüsse.Michael Cordes, stellvertretender Chefredakteur

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