Die verkehrspolitischen Folgen der Niedersachsen-Wahl. Kommentar von Andre Kranke, stellvertretender Chefredakteur der VerkehrsRundschau.
„Ja da schau her" heißt es in Bayern, wenn sich Erstaunliches tut. Und nicht nur in München reiben sich die Politikgrößen die Augen:
Die FDP holt fast zehn Prozent bei der Niedersachsen-Wahl, die Union ist stärkste Fraktion und dennoch langt es für eine rot-grüne Mehrheit. Ein erstaunliches Wahlergebnis mit vielfältigen Folgen, auch für die Verkehrspolitik. Schon jetzt erkennbar: In diesem Jahr wird sich auf Bundesebene endgültig nichts mehr bewegen. Mit dem Sieg in Niedersachen holt sich Rot-Grün auch die Mehrheit im Bundesrat.
Und das hat Auswirkungen: SPD und Grüne werden Gesetzesvorhaben der Bundesregierung nicht nur verhindern, sondern Schwarz-Gelb mit eigenen Gesetzesinitiativen – wie zum Mindestlohn – unter Druck setzen. Der Wahlkampf wird bis zum wahrscheinlichen Wahltag am 22. September deutlich an Schärfe gewinnen.
Niedersachsen verdeutlicht auch: Die Piraten haben auf Bundesebene derzeit keine Chance, die Linken spielen in Westdeutschland keine Rolle mehr und die FDP kann (wenn es CDU-Wähler wollen) mittels Zweitstimmen überleben.
Patt zwischen den beiden Blöcken
Die wichtigste Botschaft aus Hannover lautet aber: Weder Schwarz-Gelb noch Rot-Grün sind in der Lage, bei den Wählerstimmen eine deutliche Mehrheit zu erreichen. Das bedeutet: Sobald eine fünfte Partei in den Bundestag einzieht (und die Linken werden es aufgrund ihrer Stärke im Osten schaffen), entsteht ein Patt zwischen beiden Blöcken. Trotz des jetzt viel beschworenen Lagerwahlkampfes wird deshalb nach dem 22. September vieles denkbar: Schwarz-Rot, Schwarz-Grün oder vielleicht doch Rot-Rot-Grün oder sogar Rot-Gelb-Grün? So manches ist möglich.
Stillstand nach der Wahl
Für die Verkehrspolitik heißt das: Je mehr gegensätzliche Farben am Ende einen Koalitionsvertrag aushandeln müssen, desto vager und unbestimmter werden verkehrspolitische Ziele und Maßnahmen formuliert werden. Es droht Stillstand. Bei dieser Lage hilft der Logistik nur eines: Gelassenheit oder „Schaun mer mal", wie man es in Bayern formulieren würde.
Andre Kranke,
stellvertretender Chefredakteur der VerkehrsRundschau
Dirk Pretorius