Klimaneutral bis 2050

Für uns als deutsche Automobil- und Nutzfahrzeugindustrie ist klar: Wir bekennen uns ausdrücklich zu den Pariser Klimazielen und unterstützen das Vorhaben, Europa bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu machen. Hersteller und Zulieferer liefern dazu schon heute einen wichtigen Beitrag, denn sie sorgen dafür, dass Nutzfahrzeuge in all ihren Facetten immer effizienter unterwegs sind - Lkw und ihre Aufbauten, Transporter, Anhänger. Das unterstreicht die Elektromobilität. Alle großen Hersteller haben für die kommenden Jahre batterieelektrische Lkw-Modelle in Serie angekündigt. Dazu kommen weitere Antriebe wie die Brennstoffzelle und alternative Kraftstoffe. Auch im Bereich Digitalisierung sind die Mitgliedsunternehmen des Verbands der Automobilindustrie (VDA) hoch innovativ unterwegs und werden die Logistik noch nachhaltiger machen. Elektromobilität: schneller Hochlauf Bis 2030 hat der schnelle Hochlauf der Elektromobilität klare Priorität. Die EU-Flottengrenzwerte für schwere Nutzfahrzeuge erfordern heute schon eine Reduzierung der durchschnittlichen CO2-Emissionen bei neu zugelassenen Fahrzeugen bis 2030 um 30 Prozent gegenüber 2019/2020. (Hinweis: Als Referenzwert definierte die EU den 1. Juli 2019 bis 30. Juni 2020 - die Redaktion). Eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes von schweren Lkw bis 2030 gemäß diesen Vorgaben ist nur durch die Elektrifizierung eines Teils der Fahrzeugflotte zu erreichen. Zunächst werden E-Lkw vor allem im Verteil- und Regionalverkehr eingesetzt. Stufenweise wird die elektrische Reichweite erhöht und der Einsatz in Fahrzeugen mit höherem zulässigen Gesamtgewicht umgesetzt. Perspektivisch können batterieelektrische Lkw so im Fernverkehr eingesetzt werden. Notwendig: Ausbau Schnellladestationen Doch dafür braucht es die passende Ladeinfrastruktur. Eine aktuelle Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI im Auftrag des VDA zeigt, dass zur Erreichung der geltenden Flottenziele - für eine ausreichende Stromversorgung schwerer Nutzfahrzeuge -Schnellladestandorte im Abstand von rund 50 Kilometern nötig sind. Das entspricht rund 260 Stationen mit mehreren Ladepunkten, also vergleichbar mit herkömmlichen Zapfsäulen. Rund 630 solcher Ladepunkte werden benötigt, um einen E-Lkw-Anteil von fünf Prozent an der Gesamtflotte schwerer Nutzfahrzeuge laden zu können. Für einen Anteil von 15 Prozent sind etwa 1200 Ladepunkte entlang der Autobahnen notwendig. Ziel beim Ausbau der Ladeinfrastruktur muss sein, die Fahrzeuge innerhalb der gesetzlichen Pausenzeit von 45 Minuten zwischen zwei Fahreinsätzen ausreichend zu laden. Daher wurde eine durchschnittliche Wartezeit von maximal fünf Minuten bis zum Freiwerden eines Ladepunkts bei den Berechnungen zugrunde gelegt. Wichtig ist auch, Lademöglichkeiten in den Betriebshöfen zu fördern. Die Experten des Fraunhofer-Instituts gehen in der Studie davon aus, dass etwa die Hälfte des Strombedarfs für E-Lkw an Autobahnen, also an öffentlichen Ladepunkten, gedeckt wird, der Rest auf Betriebshöfen oder an Verladerampen. Bei einer weiteren Verschärfung der EU-Klimaziele muss der Ladeinfrastrukturausbau sogar erheblich mehr an Fahrt aufnehmen als skizziert. Nicht zu vergessen, dass der EU-weite Ausbau der erneuerbaren Energien einschließlich eines Programms zur Gewährleistung wettbewerbsfähiger Preise für Ladestrom forciert werden muss. Ambitionierte Klimaziele verlangen nach den richtigen technischen Lösungen, die wiederum auf die richtigen Rahmenbedingungen angewiesen sind. Diese müssen nun schnell geschaffen werden - das gilt insbesondere für die Ladeinfrastruktur. Wasserstoff, CNG, LNG und E-Fuels Weiteres Potenzial für den Schwerlastverkehr sieht der VDA im Wasserstoff. Er lässt sich CO2-neutral aus erneuerbaren Energien erzeugen und ist in großen Mengen speicherbar. Wasserstoff kann im Nutzfahrzeug in einer Brennstoffzelle als Kraftstoff zur lokalen Stromerzeugung genutzt werden. Zudem wird daran geforscht, die Nutzung von Wasserstoff im Verbrennungsmotor zu ermöglichen. Wasserstoff-Lkw eignen sich potenziell für lange Distanzen, kontinuierlichen Mehrschichtbetrieb, hohe Nutzlastsensitivität und zeichnen sich durch eine kurze Tankzeit aus. Damit sind sie ähnlich flexibel und haben ein vergleichbares Leistungsprofil wie konventionelle Diesel-Lkw; doch dafür braucht es eine ausreichende Tankinfrastruktur, zumindest entlang der Logistikrouten. Eine schon am Markt verfügbare Option sind Gas-Lkw, die mit CNG oder LNG betrieben werden. Die dafür nötige Infrastruktur ist vorhanden und wird ausgebaut. Diese Fahrzeuge stellen, zumindest für eine längere Übergangszeit und bis zum Markthochlauf anderer Antriebsarten, eine Alternative zu Diesel-Lkw dar. Die Beimischung von Biomethan oder synthetischem Methan (PtG) bietet zudem die Perspektive eines CO2-armen beziehungsweise CO2-freien Betriebs. Auch wenn der Einsatz von Erdgas in Nutzfahrzeugen im Vergleich zu dieselbetriebenen Fahrzeugen gewisse CO2-Vorteile mit sich bringen kann, lassen sich nur durch die Nutzung erneuerbarer Gase die längerfristigen Klimaschutzziele durch Einsatz von Gasfahrzeugen erreichen. Auch E-Fuels sind eine vielversprechende Option, die Lkw perspektivisch klimaneutral macht. E-Fuels sind Kraftstoffe, die mittels erneuerbaren Stroms aus Wasser und CO2 produziert werden. Ihre Vorteile liegen etwa darin, dass bestehende Fahrzeuge inklusive der vorhandenen Infrastruktur genutzt werden können. So kann im Bestand massiv CO2 reduziert werden - ein wichtiger Aspekt, um die anspruchsvollen Klimaschutzziele im Verkehr zu erreichen. Auch eine Beimischung zu konventionellen Kraftstoffen (zum Beispiel zu Gas) ist möglich. So können diese - je nach Beimischungsgrad - (fast) klimaneutral gemacht werden. Aufgrund bislang fehlender wirtschaftlicher und politischer Rahmenbedingungen existieren in Europa noch keine Anlagen zur Produktion großer Mengen an E-Fuels. Wichtig wären jetzt Anreize, damit in die Produktion von CO2-neutralen Kraftstoffen investiert wird und E-Fuels eine wirtschaftliche Alternative werden. Auf absehbare Zeit wird der Betrieb von Lkw mit innovativen Antrieben und Kraftstoffen kostenintensiver sein als mit herkömmlichen Antrieben. Um diese Kosten zu reduzieren, müssen Förderprogramme aufgesetzt werden, die Anreize für den Kauf alternativer Technologien schaffen und die "Total Cost of Ownership" gegenüber dem Diesel-Lkw senken. Dazu eignen sich etwa die Förderung von Investitionen in entsprechende Fahrzeuge, eine CO2-bezogene Staffelung der Lkw-Maut oder steuerliche Maßnahmen. Zudem braucht es einen raschen und bedarfsgerechten Ausbau der Lade- und Tankinfrastruktur. Wichtig hier ist, dass Lkw an eine solche Infrastruktur andere Ansprüche haben als Pkw. Potenziale: Aerodynamik und Lang-Lkw Auch der Anhänger bietet Potenziale, den CO2-Ausstoß des Lastzugs insgesamt zu reduzieren. So können Maßnahmen zur Verbesserung der Aerodynamik, etwa Seiten-, Unterboden- oder Stirnwandverkleidung oder Heckklappen, die CO2-Emissionen senken. Leichtbau oder die Verbesserung des Rollwiderstands durch Leichtlaufreifen oder eine Nachlauflenkachse sind weitere Möglichkeiten. Die Politik sollte überlegen, wie sie - etwa durch ein gesondertes Förderprogramm - helfen kann, diese Potenziale zu heben. Auch das Thema Maße und Gewichte sollte sich die Politik nochmals anschauen. So ist es nicht nachvollziehbar, warum noch immer kein grenzüberschreitender Einsatz des Lang-Lkw möglich ist, obwohl zwei Lang-Lkw drei konventionelle Lastzüge ersetzen können. Hier bleiben Möglichkeiten zur Senkung des CO2-Ausstoßes ungenutzt. Generell sollte geprüft werden, wie die bestehenden Regelungen zu Maßen und Gewichten angepasst und überarbeitet werden können, um weitere CO2-Minderungspotenziale zu erschließen. Weniger CO2 dank Digitalisierung Weiteres CO2-Einsparpotenzial bieten Digitalisierung, Automatisierung und Vernetzung. Durch Instrumente wie das "Local Vehicle Network" (LVN), das sich noch in der Entwicklung befindet, wird der Warentransport weiter optimiert. Ziel des LVN ist der zentrale Zugriff auf alle Daten der Fahrzeugkombinationen (Zugfahrzeug und Anhänger/Auflieger). Es handelt sich um eine Erweiterung bestehender Truck-Trailer-Kommunikationsstandards. Dabei werden die Daten des Anhängers (etwa Kühltemperatur, Türstatus, Ladungssicherung) über WLAN an das Zugfahrzeug übermittelt. Durch die zentrale Abrufbarkeit der Daten wird eine weitere Automatisierung unterstützt. Zusätzliche wichtige Logistikinstrumente sind Dispositions-Apps. In Kombination mit Navigationssoftware sorgen sie für effizientes und vernetztes Auftragsmanagement. Weiteres digitales Hilfsmittel ist die Lkw-Telematik. Sie erlaubt die permanente Ortung des Fahrzeugs/Trailers. Das führt zu einer besseren Fahrzeugdisposition und höheren Fahrzeugauslastung. Für die Logistik sind das entscheidende Kriterien, weil sich so Fahrten effizienter gestalten lassen. Auch eine Telematik-gestützte permanente Reifendrucküberwachung kann CO2-Einsparung ermöglichen. So führt ein 20 Prozent zu niedriger Reifendruck zu zwei Prozent mehr Kraftstoffverbrauch und CO2-Ausstoß. Mit der "Predictive Powertrain Control" - durch sie kann eine an die Topografie angepasste Fahrweise in die Schaltautomatik integriert werden - sind bis zu fünf Prozent Kraftstoffersparnis möglich. In Zukunft wird es weitere innovative digitale Lösungen geben. Ob effiziente Logistikanwendungen, Lkw-Telematik oder vernetzte und automatisierte Fahrfunktionen - auch bei der Digitalisierung gilt: Die Infrastruktur ermöglicht Innovationen. Wichtige Grundvoraussetzungen sind deshalb eine flächendeckende, dynamische Mobilfunkfunkversorgung und die Abdeckung aller Hauptverkehrswege und urbanen Räume mit 5G bis 2025. Hier gibt es noch Nachholbedarf. 1200 Ladepunkte entlang der Autobahnen bräuchte es in Deutschland für 15 Prozent Anteil schwerer E-Lkw Autorin - Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA) Hildegard Müller ist studierte Diplomkauffrau. 1995 bis 2008 (Tätigkeit ruhte ab 2005) war sie Abteilungsdirektorin Dresdner Bank und 2002 bis 2008 Bundestagsabgeordnete. 2005 bis 2008 war Müller Staatsministerin bei Bundeskanzlerin Angela Merkel. 2008 wurde sie Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft. 2016 bis 2019 war sie COO Grid & Infrastructure bei Innogy. Seit 2020 ist Müller Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA).

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