München. Das Ifo Institut hat sich gegen eine allgemeine Rückverlagerung von Produktion nach Deutschland und gegen staatliche Eingriffe in Lieferketten ausgesprochen. Vielmehr sollten die Bezugsquellen der deutschen Wirtschaft international vielfältiger werden. Deshalb müssten der EU-Binnenmarkt und die Welthandelsorganisation gestärkt werden. Das geht hervor aus einem Aufsatz von Lisandra Flach, Ifo-Bereichsleiterin Außenwirtschaft, der im Ifo Schnelldienst am Freitag vorab veröffentlicht wurde.
Deutsche Volkswirtschaft profitiert von offenen Weltmärkten
Die deutsche Volkswirtschaft profitiere wie kaum eine andere von offenen Weltmärkten, schreibt Flach. Die deutschen Brutto-Exporte enthielten einen Anteil von 21 Prozent an ausländischer Wertschöpfung. Bei China seien es nur 17 Prozent, bei den USA 9 Prozent. Auch werde knapp über 30 Prozent der deutschen Wertschöpfung ins Ausland exportiert, für die deutsche Industrie liege dieser Wert sogar bei rund 60 Prozent.Dabei entfalle allein auf die Nachfrage anderer EU-Länder 20 Prozent der gesamten industriellen Wertschöpfung in Deutschland, 9 Prozent auf die USA und 6 Prozent auf China. Der Rest der Welt schlage mit 25 Prozent zu Buche.
Rückverlagerung führt zu enormen Einkommensverlusten
Eine allgemeine Rückverlagerung von Lieferketten würde zu enormen Einkommensverlusten führen, ergänzt Flach. Daher sollte der Staat sich mit Eingriffen in die Gestaltung von Lieferketten grundsätzlich zurückhalten. Eingriffe sollten auf Basis von klaren Kriterien vorgenommen werden und rechtskonform mit den Regeln der Welthandelsorganisation sein. Strategische Freihandelsabkommen wie das zwischen der EU und Mercosur böten die Möglichkeit, Handelskosten zu verringern und die Abhängigkeiten von einzelnen Ländern zu verringern. Der Aufbau von strategischen Reserven auf nationaler oder europäischer Ebene oder Verträge mit Unternehmen über entsprechende Reservekapazitäten könnten zudem kostengünstige Wege darstellen, Versorgungssicherheit zu gewährleisten.
Der EU komme eine bedeutsame Rolle zu: 67 Prozent der importierten Waren, die aus fünf oder weniger Zuliefererländern bezogen würden, stammten aus anderen EU-Staaten. Daher gelte es, den gemeinsamen EU-Binnenmarkt zu stärken. Vor allem bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen sei das Integrationspotential längst nicht ausgeschöpft. Häufig stünden mangelnde Harmonisierung, Defizite bei der Umsetzung von EU-Recht oder bürokratische Hürden einer wirtschaftlichen Integration im Weg. Ein besonderes Augenmerk sollte zudem auf die Schaffung eines vollständig integrierten europäischen Marktes für digitale Leistungen gelegt werden. (eh)