Köln: Kreditversicherer Atradius stellt in Zeiten der Corona-Pandemie im Firmengeschäft zunehmend Betrugsversuche fest. So habe das Unternehmen in Deutschland eine höhere Anzahl von verdächtigen Bestellungen bei Metallunternehmen festgestellt als noch vor der Krise. Im Auslandsgeschäft sei vor allem der so genannte Identitätsbetrug auf dem Vormarsch, konstatieren die Experten für Zahlungsausfallrisiken. Vor diesem Hintergrund rät Atradius Lieferanten und Dienstleistern, ihre Betrugsprüfungsprozesse weiter auszuarbeiten und diese auch dann einzuhalten, wenn die Restriktionen der Pandemie vollständig auslaufen.
„Die vollkommen neue Situation im März vergangenen Jahres hat auch den Aktionsradius der Betrüger zunächst stark eingeschränkt. Bis zum Sommer 2020 haben wir einen deutlichen Rückgang von betrugsverdächtigen Anfragen gehabt“, sagt Michael Karrenberg, Regional Director Risk Services Germany, Central, North, East Europe & Russia/CIS von Atradius. „Mittlerweile ist die Frequenz von auffälligen Geschäften aber wieder auf Vorkrisenniveau. In Deutschland fällt uns derzeit täglich mindestens ein Abnehmer mit einer potenziell verdächtigen Bestellung auf. In solchen Fällen informiere Atradius, so Karrenberg, umgehend seine Kunden.
Liquiditätsengpässe durch betrügerische Auftraggeber
„Unternehmen sollten jetzt ihre Due-Dilligence-Maßnahmen sorgfältig aufstellen, so dass sie auch dann funktionieren, wenn am Ende der Pandemie ein wirtschaftlicher Nachholeffekt einsetzt und die Aufträge sprunghaft ansteigen“, rät der Experte. „Sonst könnte auf die Euphorie schnell Ernüchterung folgen, wenn das eigene Unternehmen in Liquiditätsengpässe gerät, weil es einen betrügerischen Auftraggeber zu spät identifiziert hat.“
Deutschland: Mehr sonderbare Kupferbestellungen
Die Daten von Atradius zeigen, dass Betrugsversuche besonders oft vom Ruhrgebiet und vom Großraum Berlin aus initiiert werden. Häufigste Betrugsform ist immer noch der sogenannte Stoßbetrug: Kriminelle bestellen dabei Ware auf Rechnung, ohne die Absicht, diese jemals zu bezahlen. Fragen die Lieferanten einige Zeit nach Auslieferung dann nach dem Zahlungseingang, sind die Strippenzieher bereits verschwunden.
Am häufigsten von diesem Betrugsmuster betroffen ist immer noch der Lebensmittelbereich, insbesondere Händler von hochwertigem Fleisch und Fisch. Zuletzt gab es aber auch vermehrt Betrugsversuche im IT-Bereich, bei Baumaterialien sowie bei Metallen. „Seit Sommer vergangenen Jahres haben sich die verdächtigen Bestellungen bei hochwertigen Metallen wie zum Beispiel Kupfer gemehrt“, sagt Michael Karrenberg.
„Lieferanten und Dienstleister sollten generell vorsichtig sein, wenn ein noch unbekannter Kunde zuletzt häufiger die Anschrift gewechselt hat oder aus einer Branche bestellt wird, für die die eigene Ware eigentlich überhaupt nicht geeignet ist. Verdächtig ist es auch, wenn ein Abnehmer innerhalb kürzester Zeit viele Bestellungen bei verschiedenen Lieferanten aufgibt. Letzteres können wir als Kreditversicherer häufig sehr gut und schnell erkennen.“
Identitätsbetrug steigt auch im Ausland erheblich
Im Ausland beobachtet der Kreditversicherer ebenfalls eine starke Zunahme von sogenannten Identitätsbetrugsversuchen. Hierbei werden zum Beispiel Firmenkontaktdaten in einem E-Mail-Abbinder sowie Mail-Adressen gefälscht. Mit dieser falschen Identität geben sich die Betrüger zum Beispiel als Mitarbeiter von großen Handelskonzernen aus und tätigen Bestellungen in deren Namen. Nach der Auslieferung der Waren erlischt dann der Kontakt.
Auffallend oft hat Atradius Identitätsbetrugsmaschen zuletzt in Großbritannien beobachtet. Die potenzielle Schadensumme ist dabei erheblich gestiegen. Spielten sich die Identitätsbetrugsbestellungen vor rund zehn Jahren noch im Bereich von rund 10.000 Euro ab, hat sich diese Summe kontinuierlich erhöht und kann mittlerweile auch im mittleren sechsstelligen Eurobereich liegen.
„Der Identitätsbetrug hat während Corona mit am stärksten zugenommen. Gerade ausländische Lieferanten sind häufig Ziel der Betrüger, da sie sprachliche Auffälligkeiten in E-Mails in vielen Fällen nicht sofort erkennen. Am meisten betroffen sind mittelständische Lieferanten im Handelsbereich, das Betrugsmuster verbreitet sich aber auch in der IT-Branche oder im Baubereich immer mehr. Wir empfehlen Lieferanten daher, neue Kunden oder aber Bestellungen immer direkt zu kontaktieren und ihre Echtheit zu überprüfen.“
In den Niederlanden werden ehemalige Unternehmen von Betrügern oft „reanimiert“ beziehungsweise deren Namen genutzt. Häufig betroffen ist der Handel mit Lebensmitteln und sonstigen Gütern sowie Produkte der Baubranche. In Belgien ist – ähnlich wie in Deutschland – der Stoßbetrug weit verbreitet. Lieferanten sollten Abnehmer bei häufigen Adressänderungen beziehungsweise Umzügen sowie Änderungen im Management nochmals prüfen lassen. (eh)