Jeder handelt auf eigenes Risiko

Transporteure und Spediteure verhandeln seit Monaten mit Kunden über Preisanpassungen wegen der Lkw-Mauterhöhung ab 2019. Der Preisdruck verleitet Firmenchefs mitunter dazu, auch mit Wettbewerbern und Kooperationspartnern über Preisstrategien zu reden. Aus einem Gespräch unter Kollegen wird dann schnell ein Fall für die Kartellbehörden. Sie setzen Absprachen enge Grenzen. So dürfen Unternehmer nur über Informationen zum Markt generell sprechen, nicht aber über individuelle Wettbewerbsstrategien oder gar die Weitergabe von Preiserhöhungen an Kunden. Wer sich zu eng austauscht, überschreitet eine rote Linie, weiß Rechtsanwalt Ivo du Mont. "Vereinbaren Unternehmer, wie sie auf die Mauterhöhung reagieren, ist das eine kartellrechtlich verbotene Absprache", sagt der Anwalt der Kanzlei Kapellmann und Partner. Aussagen zu geplanten Preisanpassungen oder Kunden, die nur eine bestimmte Preiserhöhung akzeptieren, sind tabu. Das Kartellrecht setzt klare Grenzen Nach deutschem und europäischem Kartellrecht sind Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen verboten, die den Wettbewerb spürbar beschränken. Darunter fallen alle Absprachen zwischen Wettbewerbern, die Preise, Quoten, Kunden oder Absatzgebiete betreffen. Tabu ist der Austausch über Höchst- und Mindestpreise, Rabatte, den Zeitpunkt von Preisänderungen sowie Zahlungsbedingungen, Kreditziele, Verzugszinsen oder den Umfang von Garantien. Auch über ihre Kosten oder Methoden der Kostenberechnung dürfen Spediteure sich nicht austauschen. Teilen Wettbewerber Märkte untereinander auf, indem sie sich Gebiete oder Kunden zuweisen oder Absatzquoten vereinbaren, ist dies ein klarer Fall für die Kartellbehörden. Verboten sind darüber hinaus Absprachen über anzubietende Transport- und Logistikleistungen gegenüber bestimmten Kunden oder über die Teilnahme an Ausschreibungen. Kartellrechtlich kritisch sind Absprachen über nicht auf den Preis bezogene Konditionen, zu denen Spediteure Waren oder Dienstleistungen ein- oder verkaufen. Günstigere Konditionen, die ein Branchenverband für seine Mitglieder aushandelt, können dagegen erlaubt sein. Ausnahmen gelten für Kooperationen Bei Kooperationen kleiner und mittelständischer Betriebe - etwa im Stückgutbereich - gibt es Ausnahmen. Das heißt im Umkehrschluss aber nicht, dass alle Absprachen erlaubt sind. "Das Kartellrecht gibt keine klare Antwort, ab wann ein Kartell vorliegt", weiß du Mont. Früher mussten Unternehmen Vereinbarungen, die den Wettbewerb beschränken können, von den Kartellbehörden genehmigen lassen. Heute liegt es an den Unternehmen, zu prüfen, ob ihr Verhalten mit dem Kartellrecht vereinbar ist. Ein schwieriges Unterfangen, denn der Teufel steckt im Detail. "Können Unternehmen beweisen, dass durch die Kooperation Effizienzvorteile entstehen, von denen auch die Kunden profitieren und der Wettbewerb trotzdem funktioniert, ist die Zusammenarbeit erlaubt", erklärt der Kartellexperte. So können Einkaufsgemeinschaften, zum Beispiel eine Kooperation wie Elvis, Mengenvorteile beim Kauf von Lkw, Sprit, IT-Ausstattung und anderen Wirtschaftsgütern in die Waagschale werfen und Rabatte aushandeln. Davon profitieren wiederum Kunden, weil die Partnerunternehmen günstigere Preise anbieten können. Auch eine gemeinsame Lagerhaltung und Logistik sind sinnvolle und anerkannte Kooperationsformen. Selbst die Vermarktung im Verbund ist möglich, wenn die Zusammenarbeit sich auf einen gemeinsamen Vertrieb und die Werbung beschränkt und jeder seinen Preis selbst festlegt. Eine Transport- und Speditionskooperation bringt Vorteile für alle Partner: eine bessere Auslastung und weniger Leerfahrten. Mit einer einheitlichen Software lassen sich Stückgutverkehre besser koordinieren und Lagerkapazitäten gemeinsam effizienter nutzen. Zudem bekommen auch kleine und mittlere Unternehmen die Chance, neue Märkte zu erschließen. "Geht es im Verbund besser als alleine, ist es meist eine erlaubte Kooperation", sagt du Mont. Der Marktanteil ist ein wichtiger Faktor Entscheidend ist zunächst der Marktanteil der beteiligten Unternehmen: Beträgt der gemeinsame Einkaufsanteil maximal 15 Prozent des jeweiligen Marktes, ist das kartellrechtlich grundsätzlich unbedenklich. Auch im Weiterverkauf - beim Angebot von Speditionsleistungen - gilt diese Obergrenze. "Das funktioniert in der Praxis", beruhigt der Rechtsanwalt. "Die meisten Kooperationen in der Speditionsbranche erreichen diese Marktmachtschwellen nicht." Dennoch gibt es rote Linien: Mitglieder dürfen sich nicht über Preise und Konditionen austauschen. Selbst im kleinsten Verbund sind Absprachen, beispielsweise wer welche Kunden bedient, verboten. "Trotz der Zusammenarbeit sind keine zusätzlichen Abstimmungen zum Wettbewerbsverhalten erlaubt", betont du Mont. Auch Verbände machen um das Thema besser einen Bogen und achten darauf, dass Spediteure und Frachtführer nicht am Rande einer Tagung zu vertraulich plaudern. Empfehlungen zu Konditionen sollten Verbände strikt vermeiden. Sprechen Branchenvertreter über Geschäftsdetails, deren Kenntnis das Verhalten der Mitbewerber beeinflusst, verstoßen sie gegen das Kartellrecht. Transporteure und Spediteure sollten sich deshalb im Klaren sein, worüber sie reden dürfen und welche Themen tabu sind. Bei Verstößen drohen hohe Geldbußen Leiten die Kartellbehörden Ermittlungen ein, ist es meist zu spät. Bei einem Kartellverstoß drohen den beteiligten Unternehmen und ihren Geschäftsführern hohe Geldbußen. Zudem kann der wirtschaftliche Vorteil abgeschöpft werden, den die Kartellanten erzielt haben. "Die Bußgelder orientieren sich an den Umsätzen und der Zeitspanne, in der sich die Wettbewerber abgestimmt haben", erklärt der Rechtsanwalt. "Sie können sich auf bis zu zehn Prozent des konzernweiten Umsatzes belaufen." Auch Geschäftsführer, die ihre Aufsichtspflicht verletzen, werden zur Kasse gebeten. "Die Bußgelder betragen häufig ein Bruttojahresgehalt", sagt du Mont. Die Aufgabe der Geschäftsführung ist es, Kartellverstöße zu verhindern und Hinweisen auf verbotene Absprachen nachzugehen. Wer konsequent handelt und mit den Behörden zusammenarbeitet, profitiert von der Kronzeugenregelung. Wettbewerbshüter sehen vom Bußgeld ab oder reduzieren es, wenn ein am Kartell beteiligtes Unternehmen auspackt und hilft, den Fall aufzuklären. Firmenchefs sollten dies frühzeitig tun. Laufen die Ermittlungen bereits, gibt es nicht mehr viel Spielraum für Nachlässe. Wettbewerbsverstöße bergen zudem einige Risiken: Verträge werden nichtig, Ansprüche können nicht durchgesetzt werden, Kunden reichen Schadensersatzklagen ein. "Geschäftsführern drohen sogar persönliche Gefängnisstrafen, wenn sie sich zum Beispiel bei Ausschreibungen abgestimmt haben", warnt du Mont. Mehr zum Thema unter Wirtschaftsrecht www.verkehrsrundschau.de/dossiers Kartellrechtliche Fallstricke vermeiden Regeln für das UnternehmenErfahrungsaustausch oder verbotene Absprache? Die Grenzen zwischen zulässiger Kooperation und Kartellrechtsverstoß sind fließend. So ersparen Sie sich Ärger:- Satzung/Kooperationsvertrag: Beschreiben Sie klar, welche Ziele Ihre Kooperation verfolgt, wer ihr angehört und in welchen Bereichen wie zusammengearbeitet wird.- Präambel: Führen Sie darin aus, wo der gemeinsame Vorteil der Kooperation liegt und wie Kunden davon profitieren.- Compliance-Regeln: Legen Sie gemeinsame Spielregeln fest, was miteinander besprochen werden darf und was nicht. Diese Dos and Don'ts helfen Mitarbeitern, sich im Alltagsgeschäft richtig zu verhalten.- Expertencheck: Lassen Sie Verträge und Compliance-Regeln von Experten erstellen und prüfen, ob die Kooperation kartellrechtlich unbedenklich ist.- Schulungen: Holen Sie sich Kartellrechtsexperten ins Haus, die regelmäßig Ihre Mitarbeiter schulen und die roten Linien aufzeigen, die bei der Zusammenarbeit nicht überschritten werden dürfen.- Handeln: Reagieren Sie sofort, wenn Gespräche in eine Richtung laufen, die kartellrechtlich bedenklich sein könnte. Geben Sie Ihren Protest zu Protokoll und beenden Sie das Gespräch mit dem Hinweis auf einen möglichen Kartellverstoß. sah

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