Die Euro-Krise spitzt sich zu – und die Aussichten scheinen immer bedrohlicher. Welche Szenarien möglich sind, wie sich Unternehmen darauf vorbereiten können und was der Staat nun tun sollte, sagt Karlheinz Schmidt, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) im VerkehrsRundschau-Interview.
Herr Schmidt, wie geht es weiter in der Euro-Krise – und was bedeutet das für die Logistikbranche?
Egal, welches Szenario Sie sich für Europa anschauen, alle gehen in Richtung Minus. Die entscheidende Frage ist aber eine andere: Können wir noch aus dem Euro aussteigen, ohne dass wir uns das Genick brechen? Eine Option wäre ja der Austritt Deutschlands aus dem Euro – und hier sagen seriöse Berechnungen, dass uns das um die 15 Prozent unserer Exporte kosten wird. Wir Deutsche sind ja durch den Euro, der weicher ist, als es unserer Wirtschaftskraft entspricht, stark begünstigt. Der Einbruch der Gesamtwirtschaft würde bei dem erwarteten Exporteinbruch um die sieben Prozent liegen, also nochmals um einiges schlimmer, als es die letzte Krise schon war.
Was kann ein Transportunternehmer denn tun, um die Folgen eines solchen Einbruchs abzufedern?
Kurzfristig kann man sich auf einen solchen Super-Gau nicht vorbereiten. Unter anderem, weil diese Katastrophe ja in kürzester Zeit auf die Krise aus dem Jahr 2009 folgen würde. Mittelfristig kann man jedoch etwas tun: Jeder Unternehmer muss seine Kapazitäten flexibel planen. Das heißt, er sollte nicht ohne konkrete Marktperspektiven in Zusatzkapazitäten investieren. Er muss jederzeit mit einem herben Rückschlag der Wirtschaft rechnen. Wer jetzt planlos expandiert oder mit Blick auf die Spotmärkte investiert, der kann mit großer Sicherheit damit rechnen, dass er bei der nächsten Krise untergepflügt wird.
Also etwa bei der Finanzierung der LKW: Mieten statt kaufen?
Ja, zum Beispiel: Und beim Leasing so kurze Zeiträume wie möglich, was bringt mir ein Vierjahres-Vertrag, wenn ich dann im Abschwung die Leasing-Raten an der Backe habe? Der Trend ist ja eindeutig: Selbst wenn es keine Katastrophe gibt, geht es weiter in den Keller. Mitte letzten Jahres begann der Abwärtstrend, seit Anfang des Jahres geht es stärker ins Minus. Gut beraten waren alle Transportunternehmer, die nicht übermäßig in neue Zusatzkapazitäten investiert haben, sondern die Chance genutzt haben, ihr Geschäft zu konsolidieren.
Was meinen Sie konkret mit Konsolidierung?
Ein neues Preis-Leistungsverständnis. Also den „Krempel“ liegen lassen und stehen bleiben, wo Landungsangebote derart unseriös sind, dass man nur Geld verbrennt. Das ist die einzige Strategie, sich auf schlechtere Zeiten vorzubereiten. Nach dem Motto: Lieber kleiner, dafür aber gesund aufgestellt.
Wie sollte Ihrer Meinung nach die Politik reagieren, um das schlimmste von der Branche abzuwenden?
Interessant ist ja: Der amerikanische Währungsraum ist, gerade was die Schulden geht, deutlich unsolider als der europäische. Dennoch steht Europa im Fokus der Spekulation. Der Grund liegt auf der Hand: Die Amerikaner haben wie alle Währungsräume auf der Welt mit Ausnahme des Euro den Vorteil, dass die Staaten nicht pleite gehen können, weil die Zentralbanken nicht wirklich unabhängig arbeiten. Wer Dollar verleiht, bekommt auch Dollar zurück - im Notfall wird halt neu gedruckt. Das einzige Risiko für globale Investoren besteht außer für den Euro in der Abwertung bestimmter Währungsblöcke untereinander. Im Euro-Raum kommt als Risikofaktor hinzu, dass es nach wie vor denkbar ist, dass einzelne Staaten ausscheiden und man das verliehene Geld in einer anderen (neuen, abgewerteten) Währung zurückbekommt. Hier brauchen wir eigentlich Waffengleichheit, und die Politik muss handeln. Euro-Länder dürfen aus Investorensicht nicht mehr pleite gehen können. Zu kleine Rettungsschirme und Trippelschritte helfen nicht weiter, internationale Spekulation gegen den Euro abzuwenden.
Das bedeutet aber doch: Die EZB sollte Staatsanleihen kaufen.
Das ist die einzige Lösung, die Investoren derzeit beruhigt. In der Frage der Unabhängigkeit der Zentralbank wird man sich bewegen müssen, vor allem auf Seiten der Deutschen. Es geht um Sicherheit für die Anleger, ohne die das Problem nicht gelöst werden kann. Wenn durch eine solches Vorgehen wieder Ruhe statt Panik an den Finanzmärkten herrschen würde, dann dürfte man sich auch schnell wieder von Europa abwenden und den größten Schuldenmacher, die USA, in den Fokus der Investorenrisiken rücken. Wenn die Kapitalanleger auf diese Weise beruhigt sind, könnte der Euroraum krisenfester umgebaut werden. Dazu gehört letztendlich auch die Option, einzelne Länder, die mit einer zu harten Währung in Existenznöte gebracht werden, gehen zu lassen.
Für die Branche wäre das also aus Ihrer Sicht das mildeste Szenario?
Das wäre das mildeste Szenario, weil das Scheitern des Euro viel zu teuer werden würde. Deutschland wäre von einem solchen Euro-Crash wohl am härtesten betroffen. Wir müssen uns im Klaren darüber sein, dass wir bei einem Zusammenbruch des Euro-Raumes in bestimmten Szenarien auf bis zu acht Millionen Arbeitslose in Deutschland kämen. Das könnten wir uns sicher nicht leisten und wäre um einigest teurer als den Euro zu stabilisieren.
Wenn die Zentralbank nach Belieben neue Banknoten druckt, dann wächst aber doch die Gefahr einer Inflation…
Das gilt nicht automatisch. Ein Inflationsrisiko gibt es nur, wenn die Märkte schneller wachsen als das Produktionspotenzial. In Europa gibt es Stand heute aber genug freie Kapazitäten. Erst wenn die Kapazitäten in den wichtigen Industrienationen an die Auslastungsgrenze gelangen, müsste die Zentralbank das Geld wieder einkassieren, da sonst große Inflationsgefahren drohen. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg. Erstmal müssen wir es schaffen, dass wir in den Südländern einen Mittelweg zwischen Konsolidierung und Wachstum finden. Die Wirtschaft in diesen Ländern darf nicht durch zu restriktive Sparmaßnahmen stranguliert werden, weil dies Europa in eine tiefe Rezession stürzen würde. Strukturreformen sind unabdingbar. Sparen bei den Staatsausgaben ist wichtig und notwendig, aber keine Lösung, die EU auf einen Wachstumspfad zu führen.
Interview: Tobias Rauser, Chef vom Dienst
Ausführliche Informationen zur Euro-Krise und zu den Auswirkungen für die Transport- und Logistikbranche finden Sie in der kommenden Ausgabe der VerkehrsRundschau 33-34/2012, die am 18. August erscheint (tr).
Frank Fuchs