Interview: "Kostenführer werden wir nie werden"

Corona bescherte Deutsche Post DHL Group im vergangenen Jahr ein Rekordjahr. Wie ist DHL Global Forwarding, Freight, die Sie als Vorstand verantworten, durch das Jahr 2020 gekommen? Wir haben in 2020 sehr viel gelernt, zum einen mit der Situation umzugehen, zum anderen wo unsere Stärken liegen. Und es war, denke ich, für viele ein echter Motivationsschub, als sie gemerkt haben, dass sie auch so erfolgreich sein können, obwohl das speditionelle Geschäft gerade im zweiten Quartal 2020 sehr komplex war. Was mich besonders freut: trotz der schwierigen Rahmenbedingungen waren wir gegenüber unseren Kunden immer aussagefähig, wann ihre Waren abgehen und wann sie ankommen, auch weil wir den Rollout unseres neuen Transportmanagementsystems selbst in der Pandemie konsequent weiter verfolgt haben. So haben wir für die Seefracht die Implementierung von „Cargowise One“ im zweiten Quartal 2020 abgeschlossen und in der Luftfracht nun im ersten Quartal 2021. Das hat unsere Organisation sehr stolz gemacht. Bei welchem Umsatz und Ebit ist DHL Global Forwarding, Freight in 2020 im Vergleich zu 2019 gelandet? Und wo liegen Sie im jetzt im ersten Quartal 2021? Wir sehen deutliche Effizienzsteigerungen sowohl in der Luft- als auch in der Seefracht. So konnten wir Umsatz und EBIT nicht nur im Jahr 2020 deutlich steigern, sondern sind auch sehr gut in das Jahr 2021 gestartet. In Q1 2021 haben wir einen Umsatz von 4,752 Mrd. Euro erwirtschaftet und damit 26% mehr als in Q1 2019. Das erste Quartal 2020 können Sie nicht zum Vergleich heranziehen, da pandemiebedingt das Jahr außergewöhnlich war. Unser EBIT in Q2021 haben wir sogar auf 216 Mio. Euro gesteigert und liegen damit 116% über dem 1. Quartal in 2019. Gleichwohl hinken Sie in Sachen Profitabilität nach wie vor Wettbewerbern wie DSV hinterher. Auch weil Ihre Sparte ein Komplexitätsproblem hat. Das wäre eine Sichtweise, letztlich sind das aber nur ungenügende Vergleiche, und es gibt unterschiedliche Gründe hierfür. Am Ende des Tages ist es viel wichtiger, was ein Unternehmen selbst in seiner Entwicklung erreicht. Natürlich würden es Finanzanalysten gerne hören, wenn wir ihnen sagen, dass wir in zwei Jahren genauso profitabel arbeiten wollen wie DSV. Das ist aber kein nachhaltiges Ziel! Mir ist es lieber, wenn wir jedes Jahr bei unserer Conversion-Rate besser werden, also dem Verhältnis von EBIT zu Rohertrag und damit gesund wachsen. Natürlich müssen wir auch Komplexität in unseren internen Abläufen reduzieren – ganz im Sinne unserer „Simplify“ Strategie, mit der wir Dinge vereinfachen wollen. Denn wenn wir intern einfacher miteinander arbeiten, wird es auch für unsere Kunden einfacher. Das ist ein Prozess, der Zeit braucht. Mit dem erfolgreichen Abschluss des Rollouts unseres neuen Transportmanagementsystems haben wir hier einen Meilenstein erreicht. Es gibt aber noch genügend Steine, die wir anheben müssen und unter denen sich mitunter Gold verbirgt. In welchen Bereichen sehen Sie da die größten Rationalisierungs-Potenziale, und wie wollen Sie die erschließen? Wir setzen da stark an der technischen Seite an – Stichwort Digitalisierung. Das hat sehr viel mit der Implementierung von Cargowise zu tun, einem System, das im Übrigen auch unsere Mitbewerber einsetzen. Wie gesagt, in der Seefracht haben wir Cargowise in 2020 implementiert, dadurch hat sich der Bruttoertrag deutlich besser entwickelt, wie Sie in unseren Zahlen im ersten Quartal 2021 sehen. Und in der Luftfracht haben wir den Rollout im ersten Quartal 2021 abgeschlossen. Hier werden die Erfolge somit auch bald noch deutlicher sichtbar. Ein weiteres wichtiges Thema ist, dass wir für unsere Kunden die Zusammenarbeit mit uns zunehmend vereinfachen. Entscheidender Hebel ist hier unsere digitale Kundenplattform myDHLi, die wir vor einem Jahr gelauncht haben, die mittlerweile in 62 Ländern im Einsatz ist, und die wir aktuell um neue Funktionalitäten wie die „Save and Edit“-Option und ein Reporting Feature erweitert haben. Dank myDHLi können unsere Kunden ihre Transport-Aufträge sehr bequem direkt auf unserer Plattform buchen. Bislang war das das nur für See- und Luftfrachtsendungen möglich; seit Mai bieten wir dies nun auch im Straßengüterverkehr über DHL Freight an – beginnend mit der Türkei. Unsere Kunden finden auf der Plattform damit nicht nur die passende Transportlösung, sondern können auch transparent ihre Sendungen verwalten, monitoren und bei Bedarf mit Kollegen oder Geschäftspartnern teilen. Auch die Analyse von etwa Cost per Unit oder Pünktlichkeit entlang aller Transportaufträge klappt mit wenigen Klicks. So nehmen wir Komplexität für unsere Kunden aus ihren Lieferketten und schaffen eine ganze neue Art von Transparenz – alles auf einer Plattform. Auch die Zusammenarbeit mit unseren anderen Divisionen kann hierüber verbessert werden. Was planen Sie da mit den anderen Divisionen, wo sehen Sie da mögliche Synergien? Wir haben in 2020 zum Beispiel begonnen, sehr viel enger mit unseren Express-Kollegen zusammen zu arbeiten, um etwa in der Luftfracht Kapazitäten gemeinsam besser zu nutzen. Unsere Frachterflotte ist ja unter dem Dach unserer Expresssparte. Zudem haben wir mit DHL Freight unsere Post + Paket Kollegen beim Transport und Handling von Sperrgut unterstützt. Unser Konzern strotzt da vor vielen interessanten Ideen. Um erfolgreich zu sein, muss man also nicht Kostenführer sein, man bekommt das Unternehmen auch anders nach vorne. Strategie bei DHL Global Forwarding, Freight ist es also nicht, über Kostenführerschaft im Markt zu punkten? Kostenführer werden wir aufgrund der Struktur unserer gesamten Unternehmensgruppe nie werden. Wir können gar nicht so schlank wie mancher Mitbewerber sein. Wir müssen also über Innovationen, über eine andere Art des Arbeitens, besser werden. Und dafür sind Projekte rund um die Modernisierung der IT-Infrastruktur und digitaler Angebote wie myDHLi, die Erneuerung unserer Transportmanagementsysteme entscheidend. Im Straßengüterverkehr bei DHL Freight werden wir unser neues TMS bis 2024 europaweit ausrollen und damit die bisherigen unterschiedlichen Systeme ablösen. Unsere Sachbearbeiter werden künftig stärker Daten managen als Aufträge. Dafür braucht es aber Systeme, die eine einheitliche Datenbasis liefern, und in diese investieren wir mit Nachdruck. Durch seine Größe hat Deutsche Post DHL Group also mitunter Kostennachteile, andererseits können wir aber auch Projekte aufsetzen, die wir so nur aufgrund unserer Ressourcen und Struktur stemmen können. So haben wir in der Express-Sparte zum Beispiel aktuell ein Blockchain-Projekt mit den Zollbehörden in den Vereinigten Arabischen Emiraten aufgesetzt, das uns helfen wird, Importe dort künftig einfacher abzuwickeln. Und diese Lösung werden wir auch bei DGFF nutzen können. Solche Innovationen helfen uns wettbewerbsfähig zu bleiben und profitabel zu wachsen, vor allem nachhaltig profitabel zu wachsen. Das ist mir wichtig. In welcher der vielen digitalen Innovationen sehen Sie für Ihre Sparte das größte Potenzial? API Schnittstellen sind zwar im Moment ein Buzzwort. Aber hier sehen wir sehr viel Potenzial, weil dies den Datenaustausch mit unseren Kunden deutlich vereinfacht und somit auch die Qualität der Daten deutlich verbessert. Auch das Thema Data-Lakes halte ich für sehr wichtig, für die man – sehr salopp formuliert – unstrukturiert Daten in eine Datenbank werfen kann, die diese dann strukturiert. Da haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht im Bereich Zahlungsabwicklung, sprich welcher Kunde bezahlt zu welchem Zeitpunkt – das hilft bei der Optimierung des Cashflows. Und in welchem alternativen Lkw-Antrieb sehen Sie das größte Zukunftspotenzial? Wir haben da diverse Projekte im Bereich Elektro-Antrieb und Wasserstoff aufgesetzt. Wir verfolgen aktuell fast alles, was es gibt. Wir würden auch gerne noch mehr Lösungen mit Elektroantrieben unterstützen, weil sich mit dieser Antriebsform letztendlich Transportlösungen einfacher umsetzen lassen – auch auf längeren Distanzen. Die Entwicklung der Wasserstoff-Technologie wird wohl noch etwas dauern. Bis wann fordern Sie von Ihren Frachtführern den Einsatz von E-Lkw zwingend? Wir zwingen keinen unserer Frachtführer zum Einsatz einer bestimmten Technologie oder einer Antriebslösung. Wir arbeiten viel mehr mit ihnen zusammen und erproben unterschiedliche Lösungen. Hier hat sich aber im Markt auch herstellerseitig noch keine Technologielösung im Sinne der Serienreife durchgesetzt. Was ist für Sie schlussendlich gefragt das wichtigste Projekt in diesem Jahr 2021? Unsere Mitarbeiter so gut wie möglich durch diese Pandemie zu führen. Das ist wirklich das Wichtigste. Wir sind hier in Deutschland schon genervt, dass wir nicht Essen gehen können. In Brasilien haben unsere Mitarbeiter durch die Pandemie dagegen mit ganz anderen Problemen zu kämpfen. Das Interview führte VerkehrsRundschau-Redakteurin Eva Hassa

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