Interview: „Eine Riesenchance für die Logistik“

Im Herbst letzten Jahres wurde die Initiative Power of Logistics gegründet, um Stakeholder aus der Logistik- und Logistikimmobilienbranche mit dem Ziel zusammenzubringen, gemeinsam das Thema Energiewende anzugehen. Wie viele Mitglieder haben Sie bis dato ins Boot holen können? Aktuell wird die Initiative von über 40 Mitgliederunternehmen des BVL-Themenkreises Logistikimmobilien unterstützt. Dazu gehören Immobilienentwickler und Investoren ebenso wie Logistikunternehmen und Dienstleister. Power of Logistics hat sich in kurzer Zeit einen Namen in der Immobilienbranche machen können und wurde auch von anderen Initiativen wie etwa der Logix bereitwillig aufgenommen. Das Interesse an unserer Kick-off-Veranstaltung im Februar dieses Jahres war riesig. Die Botschaft an Industrie und Logistik lautet dabei: Seht die Energiewende nicht als Problem, sondern als Chance, um einen dezentralen Ansatz der Energieversorgung voranzutreiben. Wie ist die Initiative organisatorisch aufgestellt? Power of Logistics ist eine Initiative des BVL Themenkreises Logistikimmobilien, der ein rein ehrenamtliches Unterfangen ist und der sich finanziert durch zwei Sponsoren, namentlich LIP Invest und die Technologie-Beratung P3 Group. Richard Schneider, Geschäftsführer fabrikon, und Tilo Nahrath, Geschäftsführer RE.source Projects, bringen als Sprecher ihre Expertise ein. Vor dem Hintergrund, dass uns nur geringe Mittel zur Verfügung stehen, bin ich umso zufriedener, dass wir schon so viele Mitstreiter gewinnen konnten. Die Kernidee lautet: Logistikimmobilien als Nahversorger. Um welche Technologien geht es da konkret? Der etablierteste Treiber ist natürlich die PV-Anlage auf dem Dach. Hinzukommen Blockheizkraftwerke, Windkraftanlagen, Geothermie. Wir sind gerade dabei, uns vom Logistikimmobilienberater zum Energieberater zu entwickeln (lacht). Das alles ist für uns als Logistikimmobilienwirtschaft auch ein Stück weit Neuland. Es wird eine Mammutaufgabe, in das Zusammenspiel von gesetzlichen Rahmenbedingungen, Förderung, Strompreisen und vielen anderen Faktoren Transparenz zu bringen. Wie sieht ihre Arbeit hier konkret aus? Wir befassen uns in zwei Arbeitsgruppen mit zwei Schwerpunkten: Der erste lautet Transparenz der Energieverbräuche. Die Grundlage für jedes Energiemanagement ist schließlich zu wissen, in welchen Bereichen zu welchem Zeitpunkt Energie verbraucht wird. Erst wenn das gegeben ist, können maßgeschneiderte Handlungsempfehlungen, wann und zu welchen Konditionen man Strom einkauft, selbst erzeugt oder speichert, entwickelt werden. Um eine Datengrundlage zu schaffen, werden derzeit in einem Pilotprojekt verschiedene Immobilientypen – etwa bei Geis oder Zufall – auf ihre Verbräuche hin untersucht. Wir kategorisieren die Immobilien nach Gebäudezustand und Nutzungsart: Ob alte Bestandsimmobilien oder Neubauten, Stückgutumschlaghalle, Kontraktlogistikhalle oder temperaturgeführte Immobilie - wir wollen ein Nebenkosten-Benchmarking für die verschiedensten Immobilientypen schaffen. Erste Ergebnisse werden auf dem BVL-Kongress im Oktober vorgestellt. Nach zwölf Monaten Pilottest denken wir, dass die Datenlage so gut ist, dass daraus eine Datenbank folgen kann. Technologiepartner ist dabei die P3 Group, die sich um die Datenbereitstellung kümmern wird. Worum kümmert sich die zweite Arbeitsgruppe? Die Arbeitsgruppe Energieerzeugung beschäftigt sich mit der Etablierung zweier Baustandards: PV-Ready und PV-Add-on. Bislang hat man gebaut und dann geschaut, dass ein externer Betreiber eine PV-Anlage aufs Dach setzt, das man dann verpachtet. Dabei ist es viel effizienter, gleich beim Bau die Versorgungsschächte und Leitungen mit zu planen, so dass der auf dem Dach erzeugte Strom ohne nachträgliche Baumaßnahmen im Verteilerkasten landet. Das nennen wir PV-Ready. Das erleichtert dem Nutzer nicht nur, den erzeugten Strom selbst zu nutzen, sondern auch ins kommunale Netz einzuspeisen. Mal davon abgesehen spart es einen Haufen Geld. PV-Add-on betrifft dann Bestandsimmobilien? Ja, genau. Wir haben in Deutschland schätzungsweise 400 Millionen Quadratmeter Dachflächen und davon sind schätzungsweise gerade einmal rund zehn Prozent mit PV-Anlagen ausgerüstet. Es ist also noch riesiges Potenzial da. Nutzer von Bestandsimmobilien wissen aber oft nicht, was sie genau tun müssen, um eine PV-Anlage aufs Dach zu bekommen. Der Standard PV-Add-on soll – analog einer Schnittstellenbeschreibung – definieren, was bei einer Gebäudeertüchtigung notwendig ist. Jeder Stakeholder, sei es Nutzer oder Investor, ist herzlich willkommen, bei der Definition dieses Standards mitzuwirken. Die meisten Neubauten schmücken sich heutzutage mit Nachhaltigkeitssiegeln – aber wie energieeffizient wird aktuell tatsächlich gebaut? Wenn es um das sinnvolle Verbauen von nachhaltigen Baustoffen und wirklich innovativer, verbrauchssenkender Gebäudetechnik geht, besteht tatsächlich Verbesserungsbedarf. Heute ist es so, dass der Entwickler zum Generalunternehmer geht, dieser ein Komplettangebot für den Entwickler erstellt, welches letzterer wiederum dem Kunden feilbietet. Alle wollen dabei Geld verdienen, auf die Innovationskraft der verbauten Komponenten wird noch zu wenig geschaut. Die Erzeugung von regenerativer Energie ist das eine – aber wie kann man überschüssigen Strom denn monetarisieren? Die Rahmenbedingungen sind noch viel zu kompliziert. Natürlich kann man den Strom theoretisch gesehen ins öffentliche Netz einspeisen. Oft fehlen jedoch noch die nötigen Netzkapazitäten sowie Antworten auf Fragestellungen, unter welche Bedingungen ich ihn beispielsweise an die Nachbarn verkaufen kann. Oder unter welchen Voraussetzungen ein externer E-Lkw an meiner Ladesäule Strom tanken kann? Hier gibt es Reformbedarf und es muss klare Spielregeln geben. Im Gewerbegebiet sehen die Rahmenbedingungen etwas besser aus. Das Baurecht für die Erzeugung einer nachhaltigen Energieversorgung ist in der Regel gegeben, vor allem aber gibt es dort auch Abnehmer. Überschüssiger Strom geht für kleines Geld ins öffentliche Netz oder eben für etwas mehr an Verbraucher in der Nachbarschaft. Und hier kommen die Kommunen ins Spiel: Jede Kommune hat die Auflage, einen gewissen Prozentsatz ihres Energieverbrauchs nachhaltig zu produzieren. Viele sind aber zu klamm, sich selbst darum zu kümmern. Wenn den grünen Strom dann der Gewerbepark liefern kann, ist das nicht nur eine Riesenchance für die Logistik. Ein weiterer Nebeneffekt ist, dass im Rahmen einer kommunalen Erschließung Fördergelder fließen. Alles in allem müssen wir uns von einer zentralisierten Energieversorgung hin zu einer dezentralisierten Versorgung entwickeln. Welche Herausforderungen gibt es dabei? Erstens brauchen wir mehr und transparentere Informationen zum Thema Förderung. Außerdem muss klarer werden, was Hoheitsgebiet der Kommunen und was Hoheitsgebiet der Wirtschaft ist. Auf das Thema Energieinfrastruktur gemünzt: Ist es überhaupt noch zeitgemäß, dass man seine erzeugte Energie an die Stadtwerke liefert? Oder sollte der Markt nicht dahingehend liberalisiert werden, dass auch der Betreiber einer Logistikimmobilie unbürokratisch zum Energieversorger werden kann? Was sich hier gesetzlich tut, haben unsere Experten in den Arbeitsgruppen im Blick. Die Logistikbranche hat es bei Kommunen traditionell schwer, sich bei der Ansiedlung gegen andere Nutzungsarten durchzusetzen. Kann das Argument „Logistik als Energielieferant“ die üblichen Vorbehalte gegen die Logistik auf Dauer ausstechen? Es ist ein Hebel, aber nicht der einzige. Sicher wird man mit dem Thema nachhaltige Energieversorgung bei der einen oder anderen Kommune punkten können. Ausschlaggebend für die Akzeptanz der Ansiedlung von Logistikimmobilien ist aber meiner Meinung nach das Thema Infrastrukturverbesserung. In dem Moment, wenn es um Lärm oder Stau geht, entwickeln die Leute eine ablehnende Haltung. Energieautark bauen ist teuer, Logistiker sind kostensensibel. Wie geht das zusammen? Der Logistiker geht jede Innovation mit, wenn sich das Ganze rechnet. Wenn sich also die hochwertige technische Ausstattung in einem dauerhaft reduzierten Energieverbrauch widerspiegelt und wenn man günstig an Strom kommt. Ein weitere Faktor ist das staatliche Regulativ: CO2-Abgaben können durch Maßnahmen verringert werden. Und nicht zu vergessen: der Kapitalmarkt ist nach wie vor super-aufgeschlossen, was Investitionen in Nachhaltigkeit angeht. Wir erleben gerade eine Baukrise. Wie wirkt sich das auf den Logistikimmobilienmarkt aus? Natürlich geht auch am Logistikimmobilienmarkt die aktuelle Wirtschaftslage nicht vorüber. Allerdings gehen die Baukosten aufgrund der Auftragsflaute in der Baubranche gerade wieder nach unten, auch wenn sie weiterhin auf einem hohen Niveau bleiben. Auch Kapazitäten bei Handwerkern und Zulieferern sind wieder mehr vorhanden. Mittlerweile bemühen sich die Generalunternehmer wieder vermehrt um Aufträge – noch vor einem Jahr hätte man die gar nicht anrufen brauchen. Was sich natürlich massiv auf die Mieten auswirkt, sind Zinssteigerung und Inflation. Ich möchte aber auch betonen: Wir hatten in den letzten zehn Jahren aufgrund der Niedrigzinsphase die Situation, dass Neubauten teilweise weniger gekostet haben als Bestandsimmobilien. Im Grunde haben wir jetzt wieder die Situation von früher: eine neue Immobilie darf auch etwas mehr kosten als der Bestand. (mh)

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