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Interview: „Angabe von CO2 wird 2013 Pflicht“

12.06.2012 09:23 Uhr
Interview: „Angabe von CO2 wird 2013 Pflicht“
Jean-Bernard Kovarik aus dem französischen Transportministerium 
© Foto: VR/Michael Cordes

Erstmals nimmt ein französischer Beamter in Deutschland zum CO2-Gesetz in Frankreich Stellung. Jean-Bernard Kovarik aus dem französischen Transportministerium im Interview zu den Folgen der Regelung für Spediteure und Verlader

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Erstmals nimmt ein französischer Beamter in Deutschland zum CO2-Gesetz in Frankreich Stellung. Jean-Bernard Kovarik aus dem französischen Transportministerium im Interview zu den Folgen der Regelung für Spediteure und Verlader

Handelt es sich bei dem Vorhaben der französischen Regierung, den CO2-Ausstoß im Verkehr zu ermitteln, um ein Gesetz, das für alle bindend ist?
Jean-Bernard Kovarik: Wir haben bereits ein Gesetz formuliert, dessen Durchsetzung durch eine Verordnung geregelt ist. Diese beinhaltet unter anderem, wann die Information zum CO2-Ausstoß bereitgestellt werden muss, wer verpflichtet ist, diese Information zu liefern, und an wen die Angaben adressiert werden müssen. Diese Verordnung wurde am 24. Oktober 2011 veröffentlicht.

Ab wann tritt das Gesetz in Kraft?
Die bisherigen Planungen sahen vor, dass das Gesetz zwischen dem 1. Juli 2013 und dem 31. Dezember 2013 wirksam werden sollte. Vor Kurzem wurde jetzt eine Entscheidung getroffen: Die Regelung wird ab dem 1. Oktober 2013 in Kraft treten.

Das Gesetz wird dann gültig sein für jeden Transport, egal welche Entfernung, egal ob nationale oder internationale Transporte?
Der Werkverkehr bleibt außen vor, weil wir natürlich die Unternehmen nicht verpflichten können, sich selbst Rechenschaft abzugeben über den CO2-Ausstoß. Selbstverständlich ist es ihnen aber nicht verboten! Für nationale sowie internationale Transporte gilt das Gesetz. Was internationale Transporte betrifft, gilt es, sofern der Abgangsort oder der Zustellort in Frankreich ist. Und es betrifft alle Transportmodi, alle Verkehrsmittel, also Schiene, Wasser (Binnenschifffahrt und See), Luft und Straße sowie Güter- und Personenverkehr.

Wann müssen die Transportunternehmen den Auftraggebern die Informationen zur Verfügung stellen?
Für den Gütertransport ist die Bereitstellung der Information vor dem Transport nicht unbedingt relevant, da es sich um langfristige Kontakte handelt. Die Information soll jedoch spätestens zwei Monate nach der Auslieferung bereitgestellt werden. Wie die Information bereitgestellt wird, bleibt jedem selbst überlassen. Die einzige Pflicht ist eine klare und ein­deutige Information.

Wird sich die Berechnung des CO2-Ausstoßes an der europäischen Norm zur Messung der Treibhausgasemissionen bei Transportdienstleistungen orientieren?
Die europäische Norm ist noch nicht veröffentlicht worden. Es sollte aber bald geschehen. Wir haben aber engen Kontakt gehabt mit der Arbeitsgruppe, die die CEN-Norm erarbeitet hat, um sicherzustellen, dass unsere Rechenmethodik mit dieser Norm übereinstimmen wird.

Aber es zeichnen sich jetzt schon Unterschiede zu der europäischen Norm ab.
Es stimmt, dass wir unsere Methodik auf CO2-Abgase beschränkt haben, was die CEN-Norm nicht verbietet, während der europäische Standard alle Treibhausgase abdeckt. Außerdem haben wir auf Grundlage der Empfehlung der Norm und mit­hilfe unseres Partners Ademe unsere ­eigene Tabelle der Umrechnungsfaktoren entwickelt. Denn die Umrechnungsfak­toren für die Transportleistung sollten ­deckungsgleich sein mit den anderen Umrechnungsfaktoren, die in anderen Be­reichen der Wirtschaft in Frankreich ­bindend sind.

Warum beschränkt sich Frankreich auf den Ausstoß von CO2?
Als die sogenannte Grenelle-Konferenz, die die Umweltgesetze vorbereitet hat, sich 2007 mit dem nachhaltigen Umweltschutz befasste, hat sie sich mit vielen Sektoren beschäftigt: Industrie, Wohnen, Transport, Kommunikation, Abfallmanagement, Energie etc. Diese Konferenz hat die Entscheidung getroffen, dass die Behandlung des CO2-Problems prioritär sein sollte. Danach haben Parlamentsmitglieder den Vorschlag des Grenelle-Teams in zwei gesetzliche Maßnahmen überführt und hat die französische Verwaltung den Auftrag bekommen, dem Gesetz Geltung zu verschaffen und es mit einer Verordnung in die Praxis umzusetzen. Ziel ist es, die Konsumenten darüber zu informieren, wie umweltfreundlich die einzelnen Produkte sind. Da ist der CO2-Ausstoß schon ein sehr guter Indikator.

Wird Frankreich zukünftig auf die Berechnung von CO2-Äquivalenten umschwenken?
Zunächst mal wollen wir Erfolg haben mit unserer bisherigen Gesetzgebung und uns darauf konzentrieren, dass die Informationen über den CO2-Ausstoß zwischen den Auftraggebern, den Speditionen und den Transportunternehmen tatsächlich fließen. Wir haben zudem den Hinweis aus der Wirtschaft aufgenommen, die Berechnung so einfach wie möglich zu halten, damit unser Ziel tatsächlich umgesetzt werden kann.

Was werden die nächsten Schritte sein?
Bis heute ist noch alles offen. Innerhalb von drei Jahren werden wir eine Überprüfung unseres Systems durchführen, die Ergebnisse analysieren und mit anderen Ländern austauschen. Dann werden wir alle weiteren Entscheidungen treffen.

Eine Bestrafung bei Nichteinhaltung des Gesetzes ist nicht vorgesehen. Ist das Gesetz dann nicht ein Papiertiger?
Ich glaube nicht. Die französische Gesetzgebung hat absichtlich keine Bestrafung festgelegt, weil wir davon ausgehen, dass es nicht das Interesse des Spediteurs ist, keine oder falsche Angaben zum CO2-Ausstoß zu machen. Wir sind überzeugt, dass Verlader und Spediteure ein großes Interesse an diesen Daten haben und dass sie diese Daten für ihre kommerziellen Beziehungen nutzen werden. Deshalb ist es nach unserer Auffassung nicht notwendig, zusätzlichen Druck über eine Strafe bei Nichteinhaltung des Gesetzes auszuüben.

Wird es dennoch irgendeine Form der Kontrolle durch staatliche Institutionen geben?
Die Unternehmen können ein Zertifikat für eine korrekte Berechnung des CO2-Ausstoßes erhalten. Der Erwerb eines solchen Zertifikats ist aber keine Pflicht.

Wie hat das französische Transportgewerbe auf die Ankündigung reagiert, ein solches Gesetz zu erlassen?
Wir wissen, dass manche Unternehmen dies als Zusatzbelastung empfinden. Deshalb haben wir Erleichterungen bei der Berechnung für kleine Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeiter und für alle Unternehmen in den ersten drei Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes beschlossen: Sie können nationale Pauschalwerte nutzen, es sind die sogenannten Level-1-Werte. Das sind vorliegende Werte mit durchschnittlichen Verbräuchen und durchschnittlichen Ladefaktoren, die die Berechnung einfach machen. Es entspricht der CEN-Norm. Dann benötigt man nur noch die Entfernung und muss den CO2-Ausstoß bezogen auf die Teilsendung nach Tonnen, Paletten oder Paketen verteilen.

Wenn ein deutsches Unternehmen eine Niederlassung in Frankreich hat mit weniger als 50 Mitarbeitern: Kann es dann die weniger aufwendige Variante wählen?
Nein, wir sprechen von Unternehmen, nicht von Niederlassungen.

Wenn die einen Betriebe Durchschnittswerte angeben, andere den CO2-Ausstoß exakt berechnen, ist dann noch eine Vergleichbarkeit zwischen diesen beiden Angaben möglich?
Auch der europäische Standard lässt solche Durchschnittswerte zu. Aber natürlich sollte die Berechnung so einheitlich wie möglich sein. Dazu gehört beispielsweise, dass Leerfahrten angerechnet werden müssen und nicht unter den Tisch fallen dürfen. Wenn der Verlader die Daten vergleichen möchte, hat er ja die Möglichkeit, seine Logistikdienstleister nach ihrer Berechnungsmethode zu fragen. Zudem gehen wir davon aus, dass die Möglichkeit der Zertifizierung zu einer Vereinheitlichung führen wird.

Was ist das Hauptziel, das Frankreich mit diesem Gesetz erreichen will?
Die Menschen sollen bei ihrer Kaufentscheidung besser informiert sein, wie umweltfreundlich die Produkte sind, die sie gerade kaufen. So gibt es seit September letzten Jahres ein Öko-Label für eine Vielzahl von Produkten, die man im Supermarkt erwerben kann. CO2-Emissionen sind ein Indikator bei dem Label. Damit trägt auch der Transport eines Produktes dazu bei, wie „grün“ ein Produkt tatsächlich ist. Das kann den Modalsplit zugunsten der Schiene verbessern. Alle drei Jahre sind zudem die größeren Unternehmen in Frankreich verpflichtet, über ihre CO2-Emissionen zu berichten, egal, welcher Branche sie angehören. Das ist auch ein Ergebnis der Grenelle-Konferenz.

Geht mit der Erfassung von CO2 die Hoffnung einher, dass die Emissionen sinken?
Der Transportsektor ist in Frankreich die Branche mit dem höchsten CO2-Ausstoß. Das Ziel ist es, die CO2-Emissionen um 20 Prozent bis 2020 zu verringern, um das Niveau von 1990 wieder zu erreichen. Das ist ein ehrgeiziges Ziel und kann nur mit verschiedenen Instrumenten erreicht werden: Die Ermittlung von CO2 zählt dazu, aber auch die Verbesserung der Motoren, die Einführung einer Ökosteuer für LKW ab 3,5 Tonnen im nächsten Jahr, die Verschiebung hin zum Einsatz von mehr umweltfreundlicher Energie etc.

Wenn Frankreich die Ökosteuer für LKW einführt, heißt das im Umkehrschluss, es wird keine CO2-Steuer geben?
Diese Frage kann nur auf politischer Ebene beantwortet werden.

Wird Frankreich in Brüssel den Vorschlag machen, dass ihr System EU-weit zur Anwendung kommt?
Gerne diskutieren wir mit anderen Ländern. Wir wollen aber zunächst unser System erfolgreich einführen.

Interview: Michael Cordes 

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