Interview

zur person Mathias Krage geboren am 26. März 1957, teilt einen Grundsatz mit Bundesverkehrsminister Ramsauer: „Das Wochenende gehört der Familie.“ Der Niedersachse, der gerne fotografiert und kocht, hat drei Kinder mit 6, 12 und 25 Jahren. Er führt gemeinsam mit seinem Bruder Joa-chim die Unternehmen Krage Speditions-Gesellschaft mbH, Hannover; Krage & Co. Potsdam GmbH und die Beteiligung Krage & Gerloff Logistik GmbH, Schwanebeck. In diesem Jahr feierte man das 90-jährige Betriebsjubiläum. Große Feste gab es deshalb jedoch keine, da im vergangenen Jahr stark investiert wurde: An den drei Unternehmensstandorten Hannover, Schwanebeck und Potsdam entstanden jeweils große neue Logistikflächen. Am Airport-Business-Park-Hannover hat die Krage Speditionsgesellschaft beispielsweise ein 57.000 Quadratmeter großes Terminal auf einem 131.000 Quadratmeter großen Grundstück in Betreib genommen. Per Leasing-Geschäft ist die Anlage nach den Vorgaben von Krage entwickelt worden. Insgesamt haben die Unternehmen 600 Mitarbeiter und 90 eigene LKW. In der Stückgutkooperation IDS ist Krage einer der starken mittelständischen Partner. Hauptverkehrsträger ist die Straße, aber Krage ist auch Gesellschafter bei Kombiverkehr. Alte Zöpfe jetztabschneiden Mathias Krage ist seit 7. November 2009 der erste direkt gewählte Präsident des Deutschen Speditions- und Logistikverbands e.V. (DSLV). Im Interview mit der VerkehrsRundschau erläutert er seine Ansichten, Pläne und die Ziele, die er für die Branche hat. Herr Krage, Sie haben Ihr Amt zu einem für die Branche äußerst schwierigen Zeitpunkt angetreten. Haben Sie Ihre Kandidatur etwa schon bereut? Mathias Krage: Nein, keinesfalls. Ich bin mir aber bewusst, dass da einiges auf mich zukommen wird. Deshalb werde ich auch einige andere Ämter – eventuell die Vizepräsidentschaft im Gesamtverband Verkehrsgewerbe Niedersachsen – einschränken. Ich leite zudem noch ein Unternehmen, für das auch noch genügend Arbeitskraft zur Verfügung stehen muss. Und was den Zeitpunkt betrifft: Ich finde, es ist ein guter Zeitpunkt. In welcher Beziehung? Das neue DSLV-Präsidium und ich können auf die gute Arbeit unserer Vorgänger aufbauen. Das betrifft vor allem die Fusion der Vereinigung Deutscher Kraftwagenspediteure VKS und des Bundesverbands Spedition und Logistik BSL zum DSLV. Diese Fusion wurde durch die heutige Mitgliederversammlung endgültig besiegelt. Gleichzeitig haben wir eine starke Erneuerung auf der politischen Seite. Herr Ramsauer hat das Verkehrsministerium personell komplett umgebaut. Da ist kein Stein auf dem anderen stehen geblieben. Das birgt für uns Risiken, aber auch Chancen. Welche Chancen sehen Sie hier? Es könnten alte Zöpfe abgeschnitten werden. Die Regierung könnte die Verkehrs- und Logistikbranche wieder objektiv betrachten. Der Standort Deutschland ist aus Sicht der Verkehrswirtschaft in den letzten Jahrzehnten stiefmütterlich behandelt und im Verhältnis zum Ausland wesentlich stärker belastet worden. Da muss man sich schon fragen, ob das richtig war. In den Nachbarländern hat man hier mehr unternommen. Was sehen Sie in Ihrer neuen Funktion als DSLV-Präsident als dringlichstes Problem? Dringlich ist sicher die Kommunikation mit dem Verkehrsministerium. Wir haben die nächsten sechs bis acht Monate Zeit, die Dinge zu beeinflussen. Diese Zeit, in der wir deutlich unsere Ziele aufzeigen werden, wird sehr intensiv sein. Welche konkreten Forderungen haben Sie an Herrn Ramsauer? Eine Forderung wird sein, die Erlöse der LKW-Maut der Verkehrsinfrastruktur zukommen zu lassen. Wenn irgendwo Brücken marode sind, soll nicht mit Gewichtsbeschränkungen reagiert werden, sondern mit Investitionen. Da muss viel verändert werden – auch im Bewusstsein. Wir wollen außerdem Gerechtigkeit zwischen den Verkehrsträgern. Es muss objektiv beurteilt werden, wo welcher Verkehrsträger richtig ist. Es sollte keiner bevorzugt werden, wenn es sich nicht begründen lässt. Zielen Sie hier auf die Schiene ab? Genau. Wo die Bahn richtig ist, nehmen wir sie auch gerne. Aber die Bahn ist zu teuer. Der Stückgutverkehr beispielweise existiert auf der Schiene überhaupt nicht mehr. Die Kosten auf der Straße sind durch die Mauterhöhung ebenfalls stark angestiegen. Das Versprechen, die Erhöhung zu revidieren, wurde nach der Wahl zurückgezogen. Fühlen Sie sich ungerecht behandelt? Ich glaube, uns wäre mit einer Mautabsenkung jetzt nicht mehr geholfen. Die Verlader würden alle Unternehmen auffordern, die Frachtsätze entsprechend zurückzufahren. Das träfe auch jene, die die Mautsteigerung nicht durchsetzen konnten. Natürlich hat die Erhöhung die Unternehmen stark getroffen. Dadurch, dass der Dieselpreis parallel gesunken ist, war die Situation aber noch erträglich. Wären die Preise auf dem Niveau von 2008 geblieben, sähe es im Gewerbe sicher anders aus. Trotzdem gibt es in der Branche doch mehr Insolvenzen als sonst. Es gibt viele stille Insolvenzen, also Betriebsaufgaben. Wir sehen einen starken Konzentrationsprozess und das Entstehen größerer Einheiten. Gleichzeitig sind die Marktpreise, die teilweise verlangt werden, viel zu niedrig. Wie diese Unternehmen ihre Kosten decken können, ist für mich nicht nachvollziehbar. Insofern deutet viel darauf hin, dass die Zahl der Insolvenzen im nächsten Jahr noch mal steigt. Hier wäre es hilfreich, wenn die Bundesregierung die Verhältnisse, unter denen die Verkehrswirtschaft arbeiten muss, harmonisieren würde – wie es auch im Ausland der Fall ist. Ich spreche hier beispielsweise von Kraftfahrzeugsteuer und Abschreibungszeiten. Auch gesetzliche Zahlungsziele von 30 Tagen etwa würden uns helfen. Gerade große Unternehmen versuchen, die Zahlungsziele immer weiter nach hinten zu schieben. Es gibt im Handel bereits Firmen, die ihren Lieferanten – unseren Kunden – Kredite anbieten. Halten Sie eine PKW-Maut für wahrscheinlich? Wenn ich die vielen SUV sehe, die in den Innenstädten unterwegs sind, muss ich sagen, das ist wenig effizient. Das wird künftig sicher anders bewertet werden. Ob jetzt eine PKW-Maut kommt oder eine Besteuerung des CO2-Ausstoßes, kann ich nicht beurteilen. Aber damit werden wir uns anfreunden müssen. Und irgendwann wird man sowieso elektrisch unterwegs sein. Auch wenn das noch Träume am Horizont sind. Der Hybrid-LKW – eine Alternative für Ihren eigenen Fuhrpark? Als Stückgutunternehmen haben wir noch zwei bis drei Tonnen Luft, die wir für die Hybridtechnik im Fahrzeug verwenden können. Es muss sich rechnen. Aber das wird sich durch die steigenden Energiekosten von alleine ergeben. Wenn die Technik bereit ist, warum nicht? Dann sind wir dabei. Grüne Logistik gewinnt immer mehr an Bedeutung. Auch beim DSLV? Wir sind als Branche sehr viel grüner, als wir von außen eingeschätzt werden. Der DSLV wertet gerade eine Studie zum Thema „Grüne Logistik“ aus, deren Zwischenergebnisse das auch schon zeigen. Ließe die momentane wirtschaftliche Situation es zu, würden wir sicher auch noch viel mehr machen. Beispielsweise Photovoltaik-Anlagen auf die Dächer unserer Betriebshallen bauen. Wir haben in der Vergangenheit unsere Touren stark optimiert, um Leerfahrten zu vermeiden. Bei unseren Fahrzeugen konnten wir einen großen technischen Fortschritt erreichen, was Verbrauch und Schadstoffausstoß betrifft. Der Eurocombi, der von der Regierung jetzt angestrebt wird, kann bei diesem Thema ebenfalls helfen. Im Verhältnis zum Ladevolumen braucht er weniger Kraftstoff. Ich selbst bin ein energischer Befürworter des Eurocombis. Auch mit Euro 6 soll die Schadstoffbilanz verbessert werden. Da muss man sich allerdings fragen, ob der marginal verminderte Schadstoffausstoß das Mehr an Kraftstoffverbrauch wert ist. Allerdings glaube ich, dass künftig der Emissionshandel auch im Transportgewerbe angewendet wird. Große Flottenbetreiber werden sich irgendwann damit konfrontiert sehen, entweder Abgaben zu zahlen oder Ausgleichsmaßnahmen zu schaffen. Das könnte auch Betreiber von Logistikanlagen betreffen. Wer dort viel Energie verbraucht, der wird zur Rechenschaft gezogen werden. Vielleicht gibt es auch einmal einen Ökopass für unsere Unternehmen, so wie jetzt der Ökopass für Häuser. Das klingt ja schon fast nach der alten rot-grünen Regierung. Es muss nicht alles schlecht gewesen sein, was von Rot-Grün kam. Es wurde aber oft nur halbherzig umgesetzt. Wir brauchen gerade in Deutschland mehr Mut, Dinge zu tun, die wir für richtig halten, und nicht immer Rücksicht auf das Ausland zu nehmen. Stichwort „Masterplan Güterverkehr und Logistik“. Was ist für die Branche wichtig? Eine besondere Bedeutung kommt beispielsweise dem Ausbau der Verkehrswege zu, ebenso wie den Autobahnparkplätzen, die im Konjunkturpaket verankert sind. Leider konnten wir den Masterplan nicht so beeinflussen, wie wir uns das gewünscht hätten. Jetzt müssen wir die Dinge aufgreifen, die wir für richtig und wichtig halten. Vielleicht lässt sich ja auch noch etwas ergänzen. Ich stehe auf dem Standpunkt: lieber ein paar Punkte umsetzen, als viele nicht erreichen. Wir müssen in den nächsten sechs Monaten, wenn die Ziele formuliert werden, das alles begleiten. In der neuen Mannschaft im Ministerium kann noch nicht jeder den Sach- und Wissensstand haben, der für die Entscheidungen erforderlich ist. Da sind Sie mit dem neuen DSLV-Präsidium fachlich gut aufgestellt. Wir haben viele komplexe Themen. Dehalb wird auch das ganze Präsidium gefordert sein. Je nach Gebiet wird das am besten geeignete Präsidiumsmitglied an die Front geschickt. Kommt Ihnen da die Fusion von VKS und BSL entgegen? Wir leben den gemeinsamen Verband ja schon seit 2003. Im nächsten Jahr integrieren wir auch die beiden Geschäftsstellen. Der VKS zieht dann in die Räume des BSL um. Die Doppelspitze mit den beiden Geschäftsführern behalten wir allerdings. Es gibt dafür einen klaren Geschäftsverteilungsplan, sodass wir keine Reibungsverluste zu erwarten haben. Ich selbst würde mich eher als integrierend denn als provozierend bezeichnen und mich daher darum bemühen, auftauchende Probleme möglichst einvernehmlich zu lösen. Gibt es auf Landesverbandsebene noch Dinge, die im Rahmen der Fusion zu regeln sind? Ich komme aus dem niedersächsischen Verband. Das ist ein Gesamtverband, eine relativ große Organisation also, was zahlreiche Vorteile hat. In der Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen ist so ein großer Verband sicher leistungsfähiger und kann gegenüber der Politik anders auftreten. Auch bei der Rechtsberatung kann er mehr bieten. Das sind Vorteile, die ich mir durchaus als Vorbild für andere Landesverbände vorstellen kann. In den vergangenen Tagen ist wiederholt ein gemeinsames „Haus des Güterverkehrs” angesprochen worden, auch von Ihrem Vorgänger, Michael Kubenz. Suchen Sie die Nähe zum Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL)? Der Verband ist für mich das Arbeitszimmer für den Unternehmer, der den Verband finanziert, beauftragt und ihn ins Leben gerufen hat. Das kann nicht umgekehrt sein. Ich beispielsweise habe eigene Fahrzeuge und könnte auch im BGL sein. Es gibt viele BGL-Kollegen, die Lagerhalter sind oder Logistik betreiben. Die Abgrenzungen sind nicht mehr so, wie sie früher waren. Damals sind sie emotional, politisch entstanden. Viele Dinge haben sich auf eine wesentlich neutralere Ebene bewegt. Die Generation nach mir, die sieht das noch emotionsloser. Die ärgert sich eher darüber, dass Dinge nicht umgesetzt werden, die notwendig wären. Auf diese Kräfte muss man aufbauen. Von daher könnte ich mir eine engere Zusammenarbeit mit dem BGL vorstellen. ❙❚■ Birgit Bauer, Michael Cordes Logistikstandort Deutschland – in den letzten Jahrzehnten sei er nur stiefmütterlich behandelt worden, so Mathias Krage, neuer Präsident des DSLV Neu am Ruder: Mathias Krage (m.) gibt Michael Cordes und Birgit Bauer sein erstes Interview für die VR Standpunkte Herr Krage, sind Sie für oder gegen ...  Peter Ramsauer (CSU) als Bundesverkehrsminister?  den Koalitionsvertrag der Bundesregierung?  die Rücknahme der Mauterhöhung?  eine PKW-Maut?  eine City-Maut für PKW und LKW?  Feinstaubzonen?  die Zweckbindung der LKW-Maut für alle Verkehrsträger?  die Zweckbindung der LKW-Maut für die Straße?  eine weitere Annäherung von DSLV und BGL?  die Fusion von DSLV und BGL?  den Eurocombi-60-Tonner mit bis zu 25,25 Meter Länge?  den Eurocombi-48-Tonner mit bis zu 25,25 Meter Länge?