Interview

Interview Mit Diplomatie und Transparenz Seit einigen Tagen ist Frank Huster Hauptgeschäftsführer des DSLV. Im Interview mit der VerkehrsRundschau legt er seine Pläne dar: Umstrukturieren, verschlanken und ein stärkerer Markenaufbau stehen auf seinem Arbeitsprogramm, Diplomatie und Transparenz heißen seine Leitmotive. Im April hatte der DSLV Ihre Ernennung zum stellvertretenden Hauptgeschäftsführer und designierten Nachfolger der Doppelspitze Rogge und Schild verkündet. Was hat sich seitdem für Sie verändert? Nicht so viel. Rogge und Schild übten bis vor wenigen Tagen ihre Funktion noch aus. Ich erhielt in der Übergangszeit allerdings tiefere Einblicke in das politische Geschehen sowie in die finanziellen und persönlichen Interna. Daraus habe ich meine Schlüsse gezogen, die ich jetzt umsetzen werde. Was werden Sie tun? Zunächst wird es eine personelle Umstrukturierung im DSLV geben. Wir müssen mit weniger Personal auskommen. Deshalb werden wir die Aufgabenbereiche neu auffächern und anders verteilen. Es wird keine Eruption, aber strukturelle Anpassungen geben, damit wir systematischer und effizienter arbeiten können. Das geschieht im Einklang mit den Mitarbeitern. Der DSLV stellt sich schlanker auf? Wir haben Mitarbeiter, die kurz vor der Pensionierung stehen. Hier prüfen wir, ob wir sie tatsächlich ersetzen müssen. Es gibt ja auch nur noch einen Hauptgeschäftsführer. Aber, eins und eins macht nicht zwangsläufig zwei. Es liegt in der Natur der Sache, dass durch eine Doppelspitze nicht nur Synergien entstehen, sondern auch Ineffizienzen. Meine Vorgänger hatten sich das nicht ausgesucht, parallel zu arbeiten. Wenn schon keine Doppelspitze – wird es einen stellvertretenden Geschäftsführer geben? Ja, das schon. Wer das sein wird, geben wir in den nächsten Wochen bekannt. Die Person kommt aus den eigenen Reihen. Für externe Verstärkung haben wir, wie bereits dargestellt, wenig Möglichkeiten. Was haben Sie Ihren Vorgängern zu verdanken? Ein System von freier und kreativer Arbeit. Rogge war nie ein Kontrollfreak, vor dem man jeden Tag einen Rechenschaftsbericht ablegen musste. Sein Credo lautete, eine gute Idee muss nicht zwingend vom Hauptgeschäftsführer kommen. Ich selbst hatte immer ein gehöriges Maß an Freiheiten, um Dinge und Ideen voranzutreiben. Das war für mich prägend und das möchte ich auch in meinen Führungsstil übernehmen. Werden Sie beim DSLV auch Inhalte reduzieren, um sich zu verschlanken? Nein, thematisch wird nichts zurückgefahren. Es geht mir darum, unsere zahlreichen Aufgaben effizienter zu bearbeiten. Die durch uns vertretenen Unternehmen prüfen sich ständig vor diesem Hintergrund. Das tun wir als Verband jetzt auch. Allerdings können wir die Themen nicht immer selbst bestimmen. Ein Beispiel: Das Thema Antiterror/Security dominierte über einen langen Zeitraum weite Bereiche der Verbandsarbeit. Das ist in der Verbandswelt einfach so. Kommt morgen ein neues Thema, gibt es morgen neue Aufgaben. In dieser Verbandswelt leben Sie bereits relativ lange. Gab es Momente, wo Sie genug hatten und daran dachten, sich umzuorientieren? Solche Momente gibt es immer. Aber die Tatsache, dass ich so lange geblieben bin, ist Beleg dafür, dass ich mich unter dem Strich mit meinen Aufgaben wohlfühle und damit identifiziere. Verbandsarbeit ist im Wesentlichen von Diplomatie geprägt. Man kann nichts mit der Brechstange erreichen, sondern muss verschiedene Anspruchsgruppen – auch innerhalb des Verbandes – bedienen. Das ist nicht jedermanns Sache. Es gibt Momente, in denen man denkt, die Diskussion führst du zum x-ten Mal, das muss doch mal ein Ende haben. Verbandsarbeit ist manchmal auch Arbeit für den Papierkorb, wenn unsere Reaktionen auf die Gesetzgebung wegen eines politischen Richtungswechsels hinfällig werden oder wir Positionen aus taktischen Gründen revidieren müssen. Das kann ermüdend sein. Aber letztendlich ist der ständige Spagat zwischen Politik und Wirtschaft eine spannende Aufgabe. Sie würden sich als Diplomat bezeichnen? Ja, sowohl nach innen als auch nach außen. Außerdem stehe ich für Transparenz. Ich möchte sowohl dem Ehrenamt als auch den Mitarbeitern stets sagen, wohin die Reise gehen soll und was der Plan ist. Nichts ist verheerender, als wenn Gruppen von Verbandsmitgliedern den Eindruck bekommen, ihre Interessen würden nicht berücksichtigt werden. Wir haben eine sehr heterogene Mitgliedschaft mit unterschiedlichen Interessen. Da ist es eben die hohe Kunst, diese in einer Kernaussage zu bündeln und eine Position zu entwickeln, für die der DSLV steht und durch die er als Marke erkennbar ist. Welches Thema wollen Sie außerdem bearbeiten? Ich möchte mir ansehen, ob unsere Gremien richtig aufgestellt sind. Wie schon eben erwähnt, die Außenwelt ändert sich. Wir müssen uns also fragen, ob wir die Themen richtig gewichten oder ob wir durch andere Gremienstrukturen mehr erreichen könnten. Das gilt weniger für Spezialthemen wie Zoll, Luftfracht oder Gefahrgutlogistik, sondern beispielsweise für die vielfältigen Themen im Bereich des Landverkehrs. Ich möchte zudem die Marke DSLV festigen. Wir brauchen eine klares Aussage, wofür der DSLV steht. In der Wahrnehmung von Politik, Behörden und Öffentlichkeit werden Spedition und Transport oftmals noch als Synonym betrachtet, die komplexen Systeme Sammelgut/Stückgut immer noch nicht verstanden und der Transport von A nach B immer noch als Spedition bezeichnet. Ich bin erstaunt, was es noch für Fehleinschätzungen unseres Gewerbes gibt. Hier müssen wir uns nicht nur positionieren, sondern auch positiv abgrenzen. Heißt das, Sie werden sich auch stärker vom Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung BGL abgrenzen? Der BGL ist eine eigenständige Marke wie es auch der DSLV ist. Es gibt in den Bundesverbänden zwar eine Schnittmenge von Interessen und Mitgliedern, die aber für beide Verbände nicht dominierend ist. Wir stehen zudem nicht nur für den Güterkraftverkehr. Der DSLV repräsentiert neben großen Kraftwagenspediteuren auch Deutschlands Luftfracht- und Seehafenspediteure, ebenso wie die Sammelgutnetze, sei es die Kooperationen oder die Konzerne, und die Kontraktlogistiker. Dieses Profil gilt es zu schärfen. Wenn die Rufe kommen, „Fusioniert doch mit dem Verkehrsträgerverband“, stelle ich mir immer die Frage, mit welchem. Zum Beispiel mit dem Verband Deutscher Reeder? Nein, ernsthaft. Der DSLV wird immer für die Bereiche Spedition und Logistik tonangebend sein. Im Rahmen der Fusion von BSL und VKS wurde lange über die Organisationform des DSLV diskutiert. Man entschied sich für ein föderales System und hat jetzt 16 Landesverbände. Soll auch hier verschlankt werden? Über die Zahl der Landesverbände im DSLV kann nicht der Hauptgeschäftsführer entscheiden. Es sind autarke, autonome, von Unternehmen gegründete Verbände mit gewählten Vorständen. Eine Reduzierung der regionalen Organisationen würde eine Auflösung oder eine Fusion über Regionen hinweg bedingen. Das ist eine Entscheidung, die vor Ort von Mitgliedsunternehmen getroffen würde und nicht zentral in Bonn oder Berlin. Der DSLV wird derzeit überwiegend finanziert von seinen 16 großen Kunden, den Landesverbänden. Ich möchte deswegen momentan auf keinen von ihnen verzichten. Was halten Sie von regionalen Gesamtverbänden? Das hängt von den Strukturen vor Ort ab. Ein Gesamtverband in Hamburg würde sicher nicht ohne Weiteres funktionieren, da die Interessen der Seehafenspedition hier großes Gewicht haben. Im Verband Hessen/Rheinland-Pfalz ist die Luftfracht ein gewichtiger Faktor. In Niedersachsen spielt beispielsweise der Güterkraftverkehr eine viel größere Rolle als die anderen Verkehrsträger. Hier scheint es effektiver zu sein, die Kräfte zu bündeln. Welche inhaltlichen Themen werden in diesem Jahr für Ihre Arbeit bestimmend sein? Es werden verschiedene Themen von außen auf uns wirken. Einige sind womöglich noch nicht erkennbar, weil wir die Ziele der nächsten Bundesregierung noch nicht in jedem Detail kennen. Ein ständiges Thema ist natürlich die Verkehrs- und die Energie-Infrastruktur und ihre Finanzierung. Im Detail sind Probleme wie der Engpass Rampe, also die Schnittstelle zum Handel, zu lösen. Dann haben wir das Thema Fahrer- und Fachkräftemangel, dessen Auswirkungen in der Branche aber noch gar nicht richtig angekommen sind. Spätestens in zehn Jahren werden wir jedoch mit einem Arbeitskräftemangel konfrontiert werden. Wie stehen Sie zu einer veränderten Mautgestaltung, um die Infrastrukturfinanzierung zu verbessern? Die definierten Bundesfernstraßen sowie die Autobahnen sollten eine ausreichende Basis bieten, Geld einzunehmen. Hier bedarf es keiner Ausweitung. An einer Erhöhung der Maut sind wir natürlich nicht interessiert. Das Wegekostengutachten wird zeigen, was hier kommt. Dann werden wir uns öffentlich dazu äußern. Natürlich spielt dann die Euro-6- Spreizung eine Rolle. Wird eine baldige Klärung zur Rampenproblematik möglich sein? Hier sind wir zuversichtlich. Über verschiedene Gremien wie bei GS1 Germany haben wir den Dialog mit dem Handel aufgenommen. Wir sind hier durchaus auch Treiber von Lösungen. Das Thema ist ausreichend platziert. Jetzt hängt es vom guten Willen aller ab. Spedition und Transport haben in der Vergangenheit ihre Flexibilität bewiesen. Industrie und Handel müssen erkennen, dass man sich für ein flexibleres System öffnen muss, um zu einem Ergebnis zu kommen. Wir sehen das auch bei der grünen Logistik. Sie ist ebenfalls ein Vehikel für neue Maßnahmen. Im Verkehr hat sie ihr technisches Potenzial weitgehend ausgereizt. Letztendlich geht es nun darum, Prozesse zu optimieren. Da spielen Industrie und Handel eine entscheidende Rolle. Logistiker können sich bei der grünen Logistik zu Tode sparen. Wenn Industrie und Handel nicht mitziehen, müssten alle Prozesse, die zu einer Verbesserung führen könnten, irgendwann beendet werden. Welches Potenzial sehen Sie bei der grünen Logistik neben der Prozessoptimierung noch? Letztendlich lässt sich grüne Logistik konsequent nur betreiben, indem Verkehr effizient und intelligent gestaltet wird. Dazu tragen unsere Unternehmen schon erheblich bei, indem sie die von ihnen steuerbaren Prozesse optimiert haben. Daneben sehe ich im baulichen Bereich noch erheblichen Nachholbedarf. Wie bei bewohnten Immobilien lässt sich bei Logistikimmobilien noch etliches verbessern. Von der Politik kommt trotzdem noch mehr Druck, Emissionen zu vermeiden? Zurzeit beobachten wir einen von der Branche beherrschbaren Druck, was Umweltfaktoren wie CO2 und andere Emissionen – auch Lärmemissionen – betrifft. So versichert uns das Bundesverkehrsministerium bis heute, dass externe Kosten bei der neuen Mauthöhenverordnung keine Rolle spielen werden. Es gibt auch den großen Streit, wie man diese Kosten überhaupt berechnen sollte. Im Übrigen darf man die Rolle von Brüssel nicht unterschätzen und die Vorgaben, die von der Kommission und den anderen europäischen Gremien kommen. Sie sind beim europäischen Verband Clecat Schatzmeister und damit Präsidiumsmitglied. Herr Rogge ist noch rund 1,5 Jahre lang Generalsekretär des Weltverbandes Fiata. Werden Sie anstreben, ihm hier nachzufolgen? Nein, das werde ich nicht tun. Es würde meine Kräfte zu sehr zerfasern. Das war sicher auch nur aufgrund der Doppelspitze möglich. Hätte ich die gleiche Ehrenamtsdichte wie Rogge und Schild zusammen, könnte ich mich um die nationalen Belange und die internen Aufgaben nicht ausreichend kümmern. Ich halte im Übrigen Clecat für entscheidender als die Fiata. Wir werden durch die europäischen Vorgaben viel stärker beeinflusst. Die Fiata hat eine andere Zielrichtung, weil sie Märkte wie Asien, Afrika und Amerika bedienen muss. Aber der DSLV wird 2014 den Fiata-Weltkongress in Deutschland ausrichten? In Deutschland wird es vermutlich keinen Fiata-Weltkongress geben. Wir haben uns zumindest entschieden, das sehr sorgfältig zu prüfen und wahrscheinlich die Option, den Kongress auszurichten, an die Fiata zurückzugeben. Aus welchen Gründen? Unsere Vorstellungen von einem attraktiven Weltkongress lassen sich in der Fiata in den nächsten Jahren nicht umsetzen. Die Fiata ist nicht nur eine globale Wirtschaftsorganisation, sondern vor allem auch eine große und wichtige Entwicklungshilfeorganisation für Regionen, in denen Logistik und Spedition nicht so ausgeprägt sind. Herr Rogge hat die Logistics Alliance Germany mitinitiiert, um Deutschland in außereuropäischen Märkten als Logistikstandort zu vermarkten. Wie stehen Sie hierzu? Durchaus positiv. Ich werde das in seinem Sinne weiterführen. ❙❚■ Birgit Bauer, Michael Cordes Er möchte die Marke DSLV festigen. Frank Huster mit VerkehrsRundschau-Redakteur Michael Cordes Frank Huster: Für ihn ist der ständige Spagat zwischen Politik und Wirtschaft eine spannende Aufgabe VR/Sepp Spiegl Vita Frank Huster Der 48-Jährige ist seit Anfang des Jahres neuer Hauptgeschäftsführer des Deutschen Speditions- und Logistikverbands (DSLV). Für den Verband arbeitet er bereits seit mehr als zwanzig Jahren. Der Volkswirt und gelernte Speditionskaufmann war in dieser Zeit unter anderem für die Bereiche Gefahrgut, Logistiksicherheit und Umwelt zuständig und hat den DSLV in nationalen und internationalen Gremien vertreten. Huster folgt der Doppelspitze Heiner Rogge und Gregor Schild nach, die sich zum Jahresende in den Ruhestand verabschiedet hat. Rogge und Schild führten bereits die Geschäfte der DSLV-Vorgängerverbände BSL (Bundesverband Spedition und Logistik) sowie VKS (Vereinigung Deutscher Kraftwagenspediteure). bb Verband Der DSLV Im Jahr 2003 gründeten die Speditionsverbände BSL und VKS als neuen Dachverband den Deutschen Speditions- und Logistikverband (DSLV). Seine 16 Mitgliedsverbände vertreten knapp 3500 Unternehmen aus Spedition und Logistik und repräsentieren laut DSLV damit etwa 80 Prozent der Branche. Der DSLV unterhält eine Hauptgeschäftsstelle in Bonn sowie eine Repräsentanz in Berlin. Unter dem Dach des DSLV arbeiten der Arbeitgeberverband Spedition und Logistik (ASL), der Verein Automobillogistik (AML), die Schutz- und Aktionsgemeinschaft für die Erhöhung der Sicherheit in der Spedition (Safe) sowie die Vereinigung der Sammelgutspediteure im DSLV (Versa). DSLV-Kooperationspartner ist der Bundesverband Möbelspedition (AMÖ). bb Interview Interview Sekt oder Selters? Entscheiden Sie sich für ... I-Phone oder Blackberry? I-Phone Berge oder Meer? Meer Aufzug oder Treppe? Treppe Fahrrad oder Auto? Lieber Fahrrad, aber Auto ist oftmals notwendig Cabrio oder SUV? Beides nicht – Limousine Bier oder Wein? Beides Bonn oder Berlin? Auch beides LKW oder Bahn? Eine Kombination aus beidem Ramsauer oder Hofreiter? Ich halte Peter Ramsauer für einen sehr guten Verkehrsminister Merkel oder Steinbrück? Das entscheiden dieses Jahr die Wähler Rogge oder Schild? Kein Kommentar Stallgeruch oder frischer Wind? Frischer Wind Grewer oder Wandt? Ich kenne Grewer zu wenig und Wandt zu kurz Gesamtverband oder Speditionsverband?Speditionsverband Huster hat auch auf der europäischen Verbandsbühne Erfahrung. VR-Chefredakteurin Birgit Bauer Interview

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