Insolvenzen in der Transportbranche: Ursachen und Bewältigung

Die Insolvenzwelle im Transportgewerbe rollt an. Am 29. Februar 2024 meldete zum Beispiel Daniel Jackenkroll, Inhaber der Spedition Jackenkroll in Hamm, Insolvenz an. Vor zwölf Jahren hatte der frühere Disponent seine Transportfirma gegründet und sich vor allem in der Stahlindustrie schnell einen Namen gemacht – sechs Fahrer, sechs eigene Zugmaschinen und acht Auflieger setzt Jackenkroll aktuell ein. Im Februar hatte er noch mit einem Investor verhandelt. Doch das Geschäft ist nicht zustande gekommen. Über die möglichen Ursachen und die weitere Zukunft von Jackenkroll später mehr. Droht eine Konsolidierungswelle? Auch Maibach Logistik in Feucht, das sich vor allem auf Expresslogistik und Sonderfahrten spezialisiert hat (55 Mitarbeiter, 30 Fahrzeuge), traf die Krise. Im Februar 2024 der Schock: Geschäftsführer Johannes Dryda musste Insolvenz anmelden. Wohl deshalb, weil ihm Ende 2023 zwei wichtige Kunden weggebrochen waren, was der Betrieb nicht kompensieren konnte. So schildert Daniel Barth die Situation (siehe auch Kasten auf S. 20). Er ist Rechtsanwalt der Pluta Rechtsanwalts GmbH in Nürnberg und wurde zum im Insolvenzantrags-Verfahren über das Vermögen von Maibach Logistik bestellt. Denn Dryda entschied sich bewusst für das Eigenverwaltungs-Verfahren nach Paragraf 270a Insolvenzordnung – also ein Insolvenzverfahren, bei dem der Geschäftsführer unter Aufsicht eines gerichtlich bestellten vorläufigen Sachwalters den Sanierungskurs unter Berücksichtigung der Gläubiger-Interessen bestimmen kann. Unterstützt wird er von Insolvenz-Rechtsanwalt Jörg Franzke, Kanzlei Dols, Franzke Rechtsanwälte und Notar in Berlin. Jackenkroll und Maibach Logistik – das sind nur zwei Beispiele von vielen. „Immer mehr Transportunternehmer verabschieden sich aktuell vom Markt“, bestätigt Eberhard Tief, Geschäftsführer des Landesverbandes des Berliner und Brandenburger Verkehrsgewerbes (LBBV). „Das sind aber nur bedingt klassische Insolvenzen. Diese Unternehmer stellen ihren Gewerbebetrieb einfach ein, bevor sie in die Insolvenz rutschen.“ Zehn Mitgliedsfirmen, davon allein sechs zwischen Januar und März 2024, haben laut Tief wegen der aktuellen Wirtschaftsentwicklung seit letztem Sommer ihr Transportgeschäft eingestellt – weil sie ihre gestiegenen Kosten preislich nicht durchsetzen konnten. „Wenn die Betriebe keine Erträge erwirtschaften können, der Firmenchef auch ein gewisses Alter erreicht hat und keinen Nachfolger findet, geben solche Unternehmer auf. Das ist ein stilles Sterben", sagt Tief. Meist seien dies Familienbetriebe mit acht bis zwölf Lkw. „Und das könnte erst der Anfang sein. Der Höhepunkt der Konsolidierungswelle kommt erst noch. Überall in Deutschland fehlt wegen der Wirtschaftskrise Mengenvolumen. Die Verzweiflung der Transporteure ist aktuell so groß, dass einige zu jedem Preis fahren. Im Spotmarkt liegen die Transportpreise 40 Prozent unter dem Vorjahresniveau.“ Insolvenz-Regeln beachten Trotz einer solchen Misere sollte man als Firmenchef einen kühlen Kopf bewahren und seinen Transportbetrieb nicht einfach schließen. „Das ist fatal, vor allem wenn das Unternehmen eine Kapitalgesellschaft ist, zum Beispiel die Rechtsform einer GmbH hat“, warnt Jens Wilhelm V, Partner der Anwaltskanzlei Willhelm & Kollegen in Hannover und Braunschweig, die sich auf Insolvenz- und Zwangsverwaltung spezialisiert hat. Stelle ein Geschäftsführer fest, dass er zahlungsunfähig oder überschuldet werde, sei er nämlich nach Paragraf 15a, 17 ff. der Insolvenzordnung verpflichtet, unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Eintritt einer Zahlungsunfähigkeit oder sechs Wochen bei Überschuldung und keiner positiven Fortführungsprognose, einen Insolvenz-antrag zu stellen, betont Wilhelm. Zahlungsunfähig sei man, wenn man bei Fälligkeit mindestens zehn Prozent seiner Verbindlichkeiten nicht bezahlen könne. Überschuldet sei der Betrieb dagegen – salopp formuliert – wenn die Verbindlichkeiten höher als das Vermögen seien. Sprich: „Stellt in solchen Fällen der Unternehmer den Insolvenzantrag nicht fristgerecht, kann er gemäß Paragraf 15a InsO mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe bestraft werden. Und in schweren Fällen können die Strafen noch höher ausfallen.“ Ausgenommen von dieser Insolvenzpflicht sind laut Wilhelm nur natürliche Personen und Personengesellschaften – etwa Firmenchefs einer Kommanditgesellschaft (KG), einer offenen Handelsgesellschaft (OHG) oder auch einer GbR. Diesen müsse aber bewusst sein: „Wenn sie ihren Betrieb einfach schließen, müssen sie sich um die komplette Abwicklung selbst kümmern. Sonst macht das der Insolvenzverwalter für sie“, erklärt Wilhelm. „Und strafrechtlich ohne Risiko ist auch das nicht.“ Hinzu komme: „Je frühzeitiger der Insolvenzantrag gestellt wird, desto höher sind die Sanierungschancen einer Firma. Selbst wenn es nur Teile des Betriebs sind, die sich dadurch retten lassen.“ Der Fall Jackenkroll Die Unglücksserie von Daniel Jackenkroll begann im Februar 2022. Beim Entladen durch einen polnischen Subunternehmer seines Kunden wurde eine von Jackenkrolls Zugmaschinen beschädigt – Schadenhöhe knapp 25.000 Euro, die ihm bislang nicht bezahlt wurden. Im Oktober 2022 fielen bei ihm dann zwei Fahrer durch Arbeitsunfälle aus, für die er keinen Ersatz fand. Zwölf Monate konnte er seine zwei Zugmaschinen nicht einsetzen. „Die haben mich nur gekostet. Pro Lkw waren das 3000 Euro im Monat, also 72.000 Euro im Jahr, auf denen ich sitzen blieb.“ Sukzessive habe er Probleme mit seiner Liquidität bekommen, obwohl er früher stets liquide gewesen sei. Der Ukrainekrieg, die Energiekrise und im Zuge dessen die hohen Dieselpreise (+ 30 Prozent), die Inflation sowie der Zehn- bis 15-Prozent-Anstieg der Löhne und des Mindestlohns taten ihr Übriges. „Der Genickschuss war dann die doppelt so hohe Lkw-Maut“, sagt er. Anstatt 2000 Euro im Monat kostete ihn diese plötzlich 4000 Euro im Monat. Gute Nachrichten gibt es aber auch: Trotz Jackenkrolls Insolvenzantrag wollen seine Kunden aus der Stahlindustrie weiter mit ihm arbeiten, auch seine langjährigen Tankkarten-Anbieter – wenngleich vorerst mit Vorkasse. „Auch unsere Mitarbeiter möchten bleiben und fahren aktuell weiter für uns. Ihre Entgelte sind durch das Insolvenz-Ausfallgeld gesichert. Ich habe frühzeitig die Insolvenz angemeldet und so bleiben uns noch ein paar Wochen, um eine Lösung zu finden“, betont er. Durch die Finanzpläne, die er mit seiner Insolvenzverwalterin erarbeitet hat, weiß er, wie es mindestens bis zum 30. April 2024 mit seiner Firma weitergeht. „Ich bin mir sicher, dass wir uns mit unserem Geschäft an eine andere kaufwillige Spedition andocken können.“ Erste Interessenten gebe es schon. Was aus ihm werden wird? „Dann arbeite ich halt als Disponent auf Angestelltenbasis weiter.“ Auch bei Maibach Logistik geht die Sanierung voran. Wichtigstes Ziel sei nun die Stabilisierung des Geschäftsbetriebs der Firma, erklärt Sachwalter Barth. Dazu seien die Verbindlichkeiten, etwa Darlehen und Altforderungen, erst mal eingefroren worden. „Auch die Lohnzahlungen an die Mitarbeiter sind durch das Insolvenzgeld der Bundesagentur für Arbeit erst mal für drei Monate gesichert.“ Im Fall von Maibach Logistik sei zudem ein Insolvenzplan als mögliche Lösung angedacht. Stimmen diesem die Gläubiger zu, erhalten sie – abhängig von der im Insolvenzplan definierten Quote – ihren Anteil der ihnen demnach zustehenden Gelder gezahlt. „Die Firma gilt dann als entschuldet und kann so regulär im Markt weiter agieren.“ Für Maibach Logistik sind die Beteiligten positiv gestimmt. „Voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte dürfte die Sanierung der Firma abgeschlossen sein“, sagt Barth. Was die Sanierungschancen eines Unternehmens erhöht Mit Insolvenzen kennt sich Daniel Barth aus, Rechtsanwalt und Wirtschaftsmediator der Pluta Rechtsanwalts GmbH in Nürnberg und Regensburg. Seit über zehn Jahren ist er unter anderem bestellter Insolvenzverwalter und Sachwalter von Firmen. „Insolvenzen haben immer viele Ursachen“, sagt er. „Ein Thema, das sich fast durch alle kleinen und mittleren Betriebe zieht – egal welcher Branche – ist die ungenaue Buchführung. Auch haben die meisten Firmen keine Liquiditätsplanung. Das ist der Beginn allen Übels. Sprich: Wer nicht up-to-date ist, seine Steuern und Sozialversicherungsbeiträge regelmäßig und korrekt abführt, hat am Ende meist ein Problem.“ Denn dann kommen die Steuer-Schätzungen, die Firmen beginnen zu schlingern und starten mit Raten-Zahlungen. Barths wichtigster Tipp, den er deshalb Betrieben an die Hand gibt: „Je früher ein Unternehmen Beratung sucht, desto besser ist es. Denn ein frühzeitiges Beobachten der Geschäftszahlen und ein frühzeitiges Einbinden von externen Spezialisten erhöhen deutlich die Sanierungschancen eines Unternehmens.“ Erstens weil dann meist noch Aufträge und liquide Mittel vorhanden sind und zweitens Zeit für Sanierungsmaßnahmen, etwa für Personalumbau-Maßnahmen oder die Vertrags-Neugestaltung mit Auftraggebern verbleibt. Durch frühzeitiges Handeln minimiere der Geschäftsführer auch sein zivilrechtliches und strafrechtliches Haftungsrisiko im Falle einer Insolvenz. „Es hilft also keinem, wenn die Verantwortlichen warten. Die Vogel-Strauß-Politik bringt da nichts“, appelliert er. „Ihr Schuldenberg wird nur größer.“ Noch mehr zum Thema Insolvenzen Sanierung in Eigenregie Insolvenzrecht: Ein Überblick Mögliche Insolvenz im Blick: noch zahlungsfähig? Insolvenzgefährdet: Frühzeitig reagieren Keine Angst vor der Insolvenz Hier geht's zur VR-Insolvenzdatenbank

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