Immer Ärger um Tirol

Über 50 Kilometer Stau, Lkw-Fahrer, die ihre Ruhezeiten nicht einhalten können, und großer Unmut vonseiten bayerischer Unternehmer - so lautet das Ergebnis erneuter Lkw-Blockabfertigungen auf der Inntalautobahn Ende Oktober. Für besonderen Ärger sorgte die Tiroler Maßnahme zur Lkw-Dosierung am Freitag, 29. Oktober, denn an diesem Tag fand sie ohne Vorankündigung statt. Nur noch 250 Lastwagen pro Stunde durften die Grenze nach Österreich passieren. "Wir haben dafür keinerlei Verständnis", sagte Manfred Gößl, Hauptgeschäftsführer der Industrieund Handelskammer für München und Oberbayern. "So geht das nicht weiter!" Tirol verschärfe die bestehenden Engpässe in den Lieferketten noch. Gegen-Reaktionen dringend erwünscht Wann gibt es endlich Reaktionen auf die Blockadepolitik des österreichischen Bundeslands?, fragen sich auch die Landesverbände Bayerischer Spediteure (LBS) und Bayerischer Transport- und Logistikunternehmen (LBT). "Wir fordern die deutsche und bayerische Politik zum wiederholten Male auf, sich jetzt endlich mit Tirol und Österreich zusammenzusetzen", betonen die beiden Geschäftsführer Sabine Lehmann (LBS) und Sebastian Lechner (LBT). Die Politik müsse jetzt endlich ihrem Gestaltungsauftrag nachkommen und entweder nach gemeinsamen Lösungen suchen oder Tirol in die Schranken verweisen. Im Februar und im September dieses Jahres hatte Peter Hilpold, Experte für Europarecht, zwei Gutachten vorgestellt, wonach sowohl das sektorale Fahrverbot als auch das aktuelle Nachtfahrverbot für Lkw in Tirol EU-rechtswidrig seien. Die Generaldirektionen der EU-Kommissare für Binnenmarkt, Verkehr und Umwelt hatten bereits im vergangenen Dezember ein internes Dokument veröffentlicht, worin die Spitze der EU-Kommission aufgefordert wurde, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich einzuleiten. Es geschah in allen Fällen jedoch: nichts. Die italienischen Güterkraftverkehrsunternehmer sind deshalb mit ihrer Geduld am Ende. Die Branchenverbände Anita, FAI und Fedit haben nun nach eigenen Angaben eine Anwaltskanzlei beauftragt, Klage gegen die EU-Kommission wegen "Untätigkeit" gegenüber Österreich in der Frage der Tiroler Fahrverbote einzureichen. Ob dies zum gewünschten Erfolg führen wird, ist allerdings fraglich. "Erfahrungsgemäß sind Untätigkeitsklagen schwierig, da die Kommission viele Gegenargumente anführen kann, wie etwa eine Liste an Sitzungen zum Thema als ausreichende Tätigkeit darzustellen. Faktisch wären diese Bemühungen fruchtlos, doch zum Abwehren einer Untätigkeitsklage könnten sie ausreichen", weiß Markus Ferber, verkehrspolitischer Sprecher der CSU im Europaparlament. Trotzdem findet er den Schritt der Italiener richtig: "Ich begrüße entschieden, dass die Wirtschaft den Ball aufgreift und die Kommission verklagt." Angesichts der "fachlich nicht zu rechtfertigenden Untätigkeit der Kommission" müssten Politik und Unternehmen gleichermaßen den Druck hochhalten, so Ferber. "Es kann nicht sein, dass europarechtswidriges Verhalten, das dem europäischen Binnenmarkt an einem neuralgischen Punkt schadet, einfach ignoriert wird." Der Europaabgeordnete wirft unter anderem Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vor, die Empfehlungen der eigenen Experten - etwa ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich anzustrengen - nicht umzusetzen. Auch ein Unternehmen kann klagen Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) als Vertreter deutscher Transportunternehmen gibt sich hinsichtlich des Vorhabens der italienischen Verbände zurückhaltend. Man wolle zunächst die weitere Entwicklung abwarten, bevor man sich konkret zum Sachverhalt äußern könne. Neben einer Untätigkeitsklage haben Unternehmer auch die Möglichkeit - im besten Fall unterstützt von Verbänden - gegen die Fahrverbote zu verstoßen, im Anschluss gegen die Strafe gerichtlich vorzugehen und so die Fahrverbote vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu bringen. "Rein fachlich stehen die Chancen hier gut", meint Markus Ferber. Schwierig sei allerdings, dass man durch alle Instanzen gehen müsste und zusätzlich darauf angewiesen sei, dass österreichische Gerichte die Causa schlussendlich an den EuGH weiterleiten. EU-Kommission weiterhin zögerlich Bereits im Jahr 2019 wollten Deutschland und Italien Österreich wegen Straßensperrungen verklagen. Dieses Vorhaben ist damals jedoch gescheitert. Und auch die jetzige Antwort der EU-Kommission auf Nachfrage der VerkehrsRundschau, wann man denn nun auf das Verhalten Tirols reagieren wolle, kann betroffenen Speditionen und Transportunternehmern nicht viel Hoffnung machen. So sei die Institution bisher nicht über die Einreichung einer Klage der italienischen Güterkraftverkehrsverbände unterrichtet worden. Weiter heißt es im Antwortschreiben: "Die Kommission möchte die Probleme auf dem Brennerkorridor im gegenseitigen Einvernehmen aller Beteiligten lösen." Man sei bereit, "die Herbeiführung einer solchen Lösung zu unterstützen". Diese Lösung müsse alle Dimensionen des Problems berücksichtigen, einschließlich der Grundfreiheiten des Vertrags sowie der Verkehrspolitik, der Wirtschaftsfaktoren und der Umweltfaktoren. Diese Aussagen sind nicht neu. Von konkreten Schritten, die die EU-Kommission unternehmen möchte, um Tirols Vorgehen Einhalt zu gebieten, ist nicht die Rede. Betroffenen Unternehmern bleibt also wohl weiterhin nicht viel Anderes übrig als abzuwarten - oder tatsächlich den Schritt zu wagen, gegen die Fahrverbote zu verstoßen, um im Anschluss gegen die verhängten Strafen vorgehen zu können. Mehr zum Thema finden Sie unter #Verkehrspolitik www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Erneute Tiroler Blockabfertigungen, teils unangekündigt, haben bei Speditions- und Transportunternehmern für Empörung gesorgt. Italienische Branchenverbänd e wollen jetzt gegen die EU-Kommission wegen Untätigkeit vorgehen. Diese scheint aber nach wie vor keinen großen Handlungsbedarf zu sehen.

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