Die deutsche Wirtschaftsleistung dürfte 2024 erneut schrumpfen, nachdem sie bereits im Vorjahr gesunken war, wie aus der aktuellen Herbstprognose des IfW Kiel hervorgeht. Positive Signale zur Jahresmitte hätten sich nicht bekräftigt, weshalb das IfW Kiel seine Erwartungen für dieses und das kommende Jahr deutlich nach unten revidiert. 2024 dürfte das BIP um 0,1 Prozent zurückgehen (Sommerprognose: +0,2 Prozent). Für 2025 steht nur noch ein Plus von 0,5 Prozent in Aussicht, statt wie bislang erwartet 1,1 Prozent. Die Arbeitslosenquote dürfte zwischenzeitlich bis auf 6,1 Prozent steigen, die Inflation allmählich auf zwei Prozent nachgeben.
„Die Aufwärtssignale, die die Frühindikatoren noch im Sommer sendeten, haben sich nicht verfestigt,” sagte Stefan Kooths, Konjunkturchef des IfW Kiel zur Herbstprognose, die am Mittwoch, 4. September, erschienen ist. „Zugelegt haben zuletzt vor allem die staatlich stark beeinflussten Dienstleistungsbranchen. Insgesamt stottert die deutsche Wirtschaft in eine blutleere Erholung, auch weil die Wirtschaftspolitik keine verlässlichen Weichenstellungen vorzunehmen vermag.“
Wirtschaftliche Erholung nur schleppend
Für das laufende Jahr belaste insbesondere der schwache private Konsum (+0,4 Prozent) die Aussichten, weil sich die Haushalte trotz steigender Realeinkommen zurückhalten. Hinzu kommt, dass Industrie (-2,7 Prozent) und Bauwirtschaft (-4,3 Prozent) tiefer in die Rezession driften. Investitionen leiden unter hoher wirtschaftspolitischer Unsicherheit, die Ausrüstungsinvestitionen dürften um 7,2 Prozent sinken.
In den beiden Folgejahren nehme die deutsche Wirtschaft dank weiter steigender Realeinkommen, einer höheren Nachfrage aus dem Ausland und sinkender Zinsen dann wieder etwas Fahrt auf, so die Prognose. Die Erholung verlaufe allerdings schleppend, auch weil geschrumpfte Produktionskapazitäten nur noch geringe Zuwächse erlauben würden. Dieser Befund sei „infolge eines derzeit beschleunigten Strukturwandels allerdings mit besonderer Unsicherheit behaftet“, schreibt das IfW Kiel.
Wachstumspotenzial wird immer kleiner
Die Arbeitslosenquote dürfte angesichts der schwachen Konjunktur auf 6,0 Prozent (2024) und 6,1 Prozent (2025) ansteigen und dann leicht auf 5,9 Prozent (2026) zurückgehen. Die Zahl der Erwerbstätigen erreiche in der Mitte des Prognosezeitraums mit rund 46,2 Millionen ihren Zenit, ab dann beginne „infolge des demografischen Wandels der Sinkflug“, so das IfW Kiel.
„Die deutsche Wirtschaft steckt zunehmend in einer Krise, die nicht nur konjunktureller, sondern auch struktureller Natur ist,” urteilte Moritz Schularick, Präsident des IfW Kiel. „Die Haushaltskürzungen der Ampelregierung belasten hier zusätzlich, und die Zinswende der EZB kommt für Deutschland zu spät. Hinzu kommt: Alte Kernindustrien waren viel zu lange veränderungsresistent, und die Asyldebatte vergiftet den Dialog über die wirtschaftlich notwendige Gewinnung von Fachkräften aus dem Ausland. Solange das so bleibt, können wir zusehen, wie unser Wachstumspotenzial immer kleiner wird.“